50. Viehscheid in Oberstaufen

Bilanz nach Alpsommer

Viehscheide - unersetzliches Kulturgut im Allgäu oder bedrohte Tradition?

Stand
Autor/in
Moritz Kluthe
SWR-Redakteur Moritz Kluthe Autor Bild
Karin Wehrheim
SWR-Redakteurin Karin Wehrheim Autorin Bild
Onlinefassung
Nadine Ghiba
SWR-Redakteurin Nadine Ghiba Autorin Bild

Prächtige Rinder, geschmückt mit Glocken und bunten Kränzen - so sieht ein Viehscheid im Allgäu aus. Er markiert das Ende des Alpsommers. Doch die bäuerliche Tradition ist möglicherweise in Gefahr.

Im Allgäu haben die traditionellen Viehscheide begonnen. Los ging es in Kranzegg im Kreis Oberallgäu. Am Freitag ist in Oberstaufen der 50. traditionelle Staufner Viehscheid gefeiert worden. Hirten führten mehr als 1.100 Jungrinder ins Tal zum Scheidplatz in Oberstaufen-Höfen. Das Vieh hatte etwa 100 Tage im Sommer auf 16 Alpen, bis auf knapp 1.700 Meter Höhe, verbracht.

Hunderte Rinder und hunderte Schaulustige

Für viele Besucherinnen und Besucher war es ein spektakuläres Schauspiel. Für die Hirten bedeutet es: Die Rinder, die sie den Sommer über gehütet haben, kommen wieder wohlbehalten nach Hause zurück, sagte Hirtin Anja von der Alpe Unteregg im Gespräch mit dem SWR.

Das ist super, wenn sie alle wieder gesund heimkommen. Das ist das Größte - und das Wichtigste.

50. Viehscheid in Oberstaufen
Stolz mit gut 100 Rindern und zwei Pferden im Tal angekommen - die Pächter und Hirten der Alpe Unteregg und ihr Kranzrind. Bild in Detailansicht öffnen
50. Viehscheid in Oberstaufen
Die riesigen Kuhschellen vom Alpabtrieb werden im Tal gegen kleinere ausgetauscht. Bild in Detailansicht öffnen
Umzug beim Viehscheid in Oberstaufen
Der Viehscheid in Oberstaufen wurde auch von Musikkapellen begleitet. Bild in Detailansicht öffnen
50. Viehscheid in Oberstaufen
Nach dem Viehscheid macht der Regen die Straßen wieder sauber. Bild in Detailansicht öffnen

Mehr als 30.000 Rinder auf Allgäuer Alpen

Im ganzen Allgäu gab es in diesem Jahr laut dem Bayerischen Landwirtschaftsministerium 703 Alpen mit 31.500 Rindern, 300 Pferden, 650 Schafe und Ziegen, so wie 400 Schweine. Sie waren während der Sommermonate auf einer Fläche von rund 20.300 Hektar untergebracht. Das Ministerium führt darüber so genau Statistik, weil es für diese Art von Landwirtschaft eine Reihe an Förderungen gibt.

So gibt es unter anderem Direktzahlungen an die Bergbauern, eine Ausgleichszulage, eine Weideprämie für Rinder, Gelder für die Sanierung von Alpen, etwa für eine Entsteinung, Gelder für die Bergung von Tieren sowie für alpwirtschaftliche Beratung. Der Freistaat investiert nach eigenen Angaben jährlich rund 32 Millionen Euro Fördermittel in die Alm- und Alpwirtschaft im Allgäu und in Oberbayern.

Ein Viehscheid bedeutet für die Hirtinnen und Hirten auch immer Abschied. "Es ist auch ein bisschen Wehmut dabei, wenn das Vieh geht. Da ist der ganze Berg leer und tot", so Willi Wetzel zum SWR.

Ein TV-Beitrag über den Hirten Willi Wetzel aus dem Kreis Ravensburg war im vergangenen Jahr in der Landesschau zu sehen:

Bilanz: Regen prägte die Saison

Die Bilanz des Sommers fällt beim Alpwirtschaftlichen Verein mit seinen fast 1.800 Mitgliedern gemischt aus. Das nasse Wetter habe für ausreichend Futter für das Vieh gesorgt, habe dafür aber besonders die Hirten gefordert. Sie hätten bei Nebel und Regen nach dem Vieh schauen und dessen Gesundheit im Auge behalten müssen. Um diese stand es jedoch offenbar nicht schlecht: Nur 31 Rinder hätten ausgeflogen werden müssen.

Auch Krankheiten wie Rinder-Tuberkulose und Rauschbrand seien in diesem Sommer kein Thema gewesen. Die Alptiere seien zudem von Bären und Wölfen verschont geblieben, auch wenn einzelne Wölfe von Wildtierkameras erfasst worden seien, wie der Geschäftsführer des Alpwirtschaftlichen Vereins, Michael Honisch, auf SWR-Anfrage mitteilte.

Alpabtriebe auch in den Nachbarländern

Nicht nur im Allgäu gibt es Viehscheide oder Alp- beziehungsweise Almabtriebe, sondern auch in Vorarlberg, Liechtenstein, der Schweiz und im Westerwald in Rheinland-Pfalz. In Vorarlberg haben diesen Sommer rund 40.000 Tiere auf Alpen verbracht. Zu den großen Herausforderungen zählte auch hier der häufige Regen. Dennoch sind die "Älpler" in Vorarlberg mit der Saison zufrieden.

Gefahren für Alptierhaltung

Dennoch sieht man beim Bayerischen Landwirtschaftsministerium besonders den Wolf als Gefahr. So heißt es vom Ministerium in einer Mitteilung, die Rückkehr der großen Beutegreifer treibe die bayerischen Alm- und Alpbauern um und zwinge immer mehr von ihnen zum Aufgeben. Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) fordert die Bundesregierung auf, sich gegenüber der EU-Kommission dafür einzusetzen, den Schutzstatus des Wolfes abzusenken.

Zudem beklagt sich das Ministerium über zu strenge Tierschutzregelungen wie das geplante Verbot der Anbindehaltung. Demnach müssten in der Zeit nach dem Alpsommer Betriebe dafür sorgen, dass die Tiere zweimal in der Woche Auslauf hätten. Dieser sogenannte Winterauslauf stelle die Betriebe vor ein Problem. Trotz allem ist sich Hirtin Anja von der Alpe Unteregg sicher, dass die Alpwirtschaft bestehen bleibt - trotz Schwierigkeiten.

Da würden die ganzen Flächen zuwachsen. Ohne Alpwirtschaft geht es nicht - die bleibt.

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