"Gegen Vergessen und Intoleranz" am Bodensee und in Oberschwaben

Gebrandmarkt, gequält, getötet - wo Stolpersteine an Verfolgte des Nazi-Regimes erinnern

In Überlingen, Leutkirch, Konstanz und vielen anderen Orten am Bodensee und in Oberschwaben erinnern Stolpersteine daran, dass Menschen unter dem Nazi-Regime verfolgt worden sind.

Am Jahrestag der Pogromnacht am 9. November 1938 hat sich die Initiative "Stolpersteine für Konstanz - Gegen Vergessen und Intoleranz" an einer bundesweiten Mahnwache beteiligt. Dabei wurden zwischen 18 Uhr und 18:30 Uhr alle Stolpersteine in der Stadt geputzt. Zudem sollte jeweils eine Kerze entzündet, eine Blume niedergelegt und die Biografie des jeweiligen Verfolgten vorgestellt werden.

Die Initiative listet für Konstanz 289 Stolpersteine und eine Stolperschwelle für Menschen auf, die von den Nazis verfolgt oder ermordet wurden:

Auch in Radolfzell gibt es Stolpersteine, es sind acht. Für die Stadt Leutkirch im Allgäu listet der "Stolperstein-Guide" drei solcher Gedenksteine auf. In Ravensburg ist der erste Stolperstein 2006 verlegt worden. Mittlerweile sind es 27. Nach Angaben der Stadt sind in der Zeit von 1933 bis 1945 mehr als 5.000 Menschen in Ravensburg Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft geworden. So wurden allein 691 als "lebensunwert" eingestufte Menschen aus der damaligen Heil- und Pflegeanstalt Weißenau in die Vernichtungsanstalten Grafeneck und Weinsberg deportiert.

Stolpersteine erinnern an Menschen in Konstanz, Überlingen und Leutkirch

SWR Kultur (vormals SWR2) hat 2013-2015 die Aktion "Stolpersteine" des Künstlers Gunter Demnig zum Anlass genommen, die Lebensgeschichten von NS-Opfern im Südwesten zu erzählen. Hier sind einige Beispiele aus dem SWR-Archiv:

Konstanz, Ackertorweg 10: Wilhelm Kleissle war Zeuge Jehovas. Er schmuggelte religiöse Drucksachen aus der Schweiz nach Deutschland. Dabei halfen ihm seine Frau und auch seine älteste Tochter Anna. Zur Tarnung benutzten sie oft einen Kinderwagen.

Konstanz: Tägermoosstraße 33: Rose Schwarzhaupts Eltern setzen sich dafür ein, dass sie mit einem Hilfstransport 1935 in die USA kam. Gemeinsam mit ihrer zwei Jahre jüngeren Schwester Hanni. Trotzdem ist ein Leben lang das Gefühl geblieben, nicht von den Eltern gerettet, sondern "fortgeschickt" worden zu sein.

Konstanz, Badgasse 5: Für ihren Glauben ist Anna Luise Meissner ins Gefängnis und ins Konzentrationslager gegangen, wo sie ermordet wurde. Auch das Sorgerecht für ihre zwei Kinder wurde ihr entzogen.

Überlingen, St.-Ulrich-Straße 20: Franz Klauser gerät wegen seiner Homosexualität ins Visier der Nationalsozialisten. Diese hatten 1935 den seit 1872 geltenden Paragrafen 175 verschärft.

Überlingen, Bahnhofstraße 4: Hermann Levinger ist fast 30 Jahre lang Amtsvorstand und später Landrat von Überlingen am Bodensee, ein staatlicher Mann mit Schnauzbart, überaus geschätzt und vielseitig engagiert. Seine Leistungen werden, als die Nürnberger Rassengesetze aus ihm einen "Volljuden" machen, öffentlich negiert und lange vergessen.

Barbara Levinger alias Barbara Lee ist Schauspielerin und Autorin. Nach Engagements am Theater Konstanz und ersten Veröffentlichungen wird sie als sogenannte Halbjüdin zur Fabrikarbeit gezwungen. Mit knapp 40 Jahren wählt sie den Freitod.

Weingarten, Wilhelmstraße 30: Joachim Brunner war Hausierer. Der Nazigegner verkaufte aber nicht nur Knöpfe, Hosengummis, Socken und Arbeitskleidung, sondern diskutierte mit den Leuten, tauschte Nachrichten mit Gleichgesinnten aus. Er wurde wegen Wehrkraftzersetzung verhaftet und im KZ Mauthausen ermordet.

Ravensburg, Sonnenbüchel 45, ehemals Burach 2: Der jüdische Agrarwissenschaftler Dr. Ludwig Erlanger betrieb von 1924 an in Ravensburg einen landwirtschaftlichen Musterhof. 1938 wurde er gezwungen, seinen Hof zu verkaufen. Er wanderte mit seiner Familie nach Palästina aus.

Leutkirch, Am Gänsbühl 7: Emilie Haßler kam gehörlos und mit einer geistigen Behinderung zur Welt - das war ihr Todesurteil.

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