Vor dem Landgericht Konstanz hat ein 28-jähriger Mann am Dienstag gestanden, als Betrüger an sogenannten Schockanrufen beteiligt gewesen zu sein. Dabei geht es auch um einen Fall auf der Reichenau. Angeklagt ist er wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs. Die Spur der Ermittler führte nach Polen und England.
Betrugsmasche: Schockanruf
Vor rund zwei Jahren sollen die Betrüger den 66-jährigen Reichenauer angerufen haben. In dem zweistündigen Telefonat behaupteten sie, seine Tochter sei in Not, habe bei einem Verkehrsunfall einen Radfahrer getötet. Eine Kaution von 45.000 Euro Bargeld sei nötig. Bei dem Gespräch wechselten sich mehrere Personen ab, eine mimte die Tochter, ein anderer den Polizisten, ein weiterer den Staatsanwalt. Laut Staatsanwaltschaft Konstanz war der Angeklagte einer der Anrufer, die den Mann aufforderten, das Geld auf einem Reichenauer Parkplatz zu übergeben. So passierte es dann auch.
Das Geld konnte allerdings kurz darauf sichergestellt werden. Der Mann, der die 45.000 Euro abholte, wurde verhaftet und ist bereits verurteilt.
Die gleiche Betrugsmasche soll der Angeklagte auch in München probiert haben. Dort allerdings ohne Erfolg. Der betroffene Senior schöpfte kurz vor der Übergabe von 40.000 Euro Verdacht. In einem dritten Fall tauschte der 28-Jährige laut Anklage 30.000 Euro Beutegeld aus einem anderen Schockanruf in britische Pfund.
Festnahme des Angeklagten in Spanien
Der Angeklagte sei aufgrund eines internationalen Haftbefehls im Juni 2024 in Spanien festgenommen und nach Deutschland ausgeliefert worden, teilte eine Sprecherin des Landgerichts Konstanz dem SWR mit. Er sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Das Landgericht Konstanz hat drei Verhandlungstage angesetzt. Dem Mann droht eine mehrjährige Haftstrafe.
Betrügerisches Netzwerk mit internationaler Logistik
Ein Kriminalbeamter des Landeskriminalamts berichtete am Dienstag über die Strukturen dieser kriminellen Netzwerke. Demnach sind die Betrügerbanden klar strukturiert, es gibt sogenannte Keiler, Abholer und Logistiker. Keiler meint diejenigen, die die Schockanrufe machen. Sie sprechen gut Deutsch und sitzen irgendwo auf der Welt in einer Art Callcenter – im Fall Reichenau war es England.
Dann gibt es die sogenannten Abholer. Sie holen das Geld oder den Schmuck bei den Opfern zuhause oder – wie auf der Reichenau – auf einem Parkplatz ab. Koordiniert wird das Ganze von den Logistikern: Die werben die Abholer an - laut LKA-Mitarbeiter geschieht dies oft über eine polnische Internetplattform. Dann werden die Abholer an der deutsch-polnischen Grenze mit Handys und Bargeld ausgestattet und in die verschiedenen Städte geschickt zu den jeweiligen Geldübergaben.
Angeklagter gesteht Beteiligung an Betrug
Der Angeklagte gab vor Gericht zu, Teil dieses betrügerischen Netzwerkes gewesen zu sein. Durch seinen Anwalt erklärte er, für seine Taten Verantwortung übernehmen zu wollen. Er bitte aber zu berücksichtigen, warum er bei diesen Betrügereien mitgemacht habe. Er sei durch seinen Schwiegervater da hineingezogen worden. Auch seine Frau habe sich dem Druck des Vaters gebeugt.
Die Frau wurde wegen ihrer Beteiligung an Schockanrufen bereits vom Amtsgericht Konstanz zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, ist aber laut dem Angeklagten mittlerweile mit den drei gemeinsamen Kindern freiwillig nach Polen ausgereist.
Telefonüberwachung und Stimmenvergleich
Der Angeklagte hat ebenfalls die polnische Staatsangehörigkeit, ist aber in Deutschland geboren und aufgewachsen. Als er seine Frau kennenlernte, sei er mit ihr nach England in die Nähe des Schwiegervaters gezogen.
Auf die Spur gekommen sind ihm die Ermittler unter anderem durch Telefonüberwachung und Stimmenvergleich.