Gedenkstein für Drogentote in der Leutkircher Innenstadt.

Internationaler Gedenktag

Angehörige erinnern in Leutkirch an Drogentote

Stand
Autor/in
Corinna Scheller
SWR-Redakteurin Corinna Scheller Autorin Bild

Vielerorts erinnern Menschen am Sonntag, dem internationalen Gedenktag, an die Opfer von Drogensucht. Beate Stör organisiert eine Gedenkfeier in Leutkirch. Sie hat ihren Sohn an Drogen verloren.

Am 21. Juli gedenken Menschen weltweit Opfern von Drogensucht und Drogenmissbrauch. Am sogenannten internationalen Gedenktag für verstorbene Drogengebrauchende findet auch in Leutkirch im Allgäu (Kreis Ravensburg) eine Gedenkfeier statt. Organisiert wird die Feier von Beate Stör. Sie hat vor vier Jahren ihren Sohn verloren. Er war lange drogenabhängig und starb an einer Überdosis Fentanyl, einem starken Schmerzmittel.

Die Drogensucht von Beate Störs Sohn Bertram Fritz beginnt im Jugendalter. Mit 15 oder 16 habe er wohl angefangen, Cannabis zu konsumieren, erzählt Beate Stör. Es folgt eine Drogenkarriere, wie sie wohl viele Abhängige erleben. Bertram ist zeitweise arbeitslos, ohne feste Wohnung. Er schläft in Hauseingängen, wird immer wieder von der Polizei aufgegriffen. Dann gibt es aber auch Phasen, in denen er arbeitet und sich substituieren lässt - also unter ärztlicher Aufsicht Ersatzmedikamente nimmt. "Sein Leben war ein ständiges Auf und Ab. Das war nicht nur für ihn eine Belastung, sondern auch für uns als Familie. Bei jedem Martinshorn habe ich einen Schock bekommen, weil ich dachte, jetzt ist etwas mit Bertram passiert", erzählt die heute 74-Jährige.

Mehr als 20 Jahre lang ist Bertram drogenabhängig - unter anderem von Heroin. Immer wieder kommt er zu seiner Mutter zurück, um dort zu schlafen und zu essen. Beate Stör wendet sich in der ganzen Zeit nicht von ihrem Sohn ab. Auch nicht, als er mit Drogen dealt und ins Gefängnis kommt. Mit 43 Jahren stirbt Bertram im Jahr 2020.

Irgendwann war mir klar, dass sein Leben so enden wird, ja einfach so enden muss. Das war sein Weg und auch das Ende war sein Weg.

Beate Stör gründet eine Selbsthilfegruppe

Mit der Drogensucht ihres Sohnes ging sie schon immer offen um. Seit mehr als 20 Jahren leitet sie die Elternselbsthilfe Allgäu-Oberschwaben - eine Selbsthilfegruppe für Eltern von Suchtgefährdeten und Suchtkranken. "Mir hilft es, darüber zu sprechen und das Thema öffentlich zu machen", sagt sie. Sie verstehe es aber auch, wenn Familien nicht offen mit der Suchterkrankung eines Angehörigen umgehen. "Man wird immer noch stigmatisiert. Drogen sind illegal, Suchtkranke werden oft als kriminell abgestempelt. Damit will man auch als Angehöriger vielleicht nicht in Verbindung gebracht werden."

Beate Stör, Leiterin der Elternselbsthilfe Allgäu-Oberschwaben.
Beate Stör auf dem Friedhof, auf dem ihr Sohn Bertram beerdigt ist.

Das kann Rainer Willibald, Leiter der Suchthilfe bei der Caritas Bodensee-Oberschwaben, bestätigen. "Eine Sucht betrifft nicht nur den Suchtkranken, sondern die ganze Familie - Eltern, Großeltern, Geschwister. Für die Angehörigen ist die Sucht oft die Hölle", sagt er. In seiner Beratungsstelle gibt es Hilfsangebote für Suchtkranke und Angehörige im Kreis Ravensburg. Etwa 1.600 Menschen werden dort derzeit zum Thema Sucht beraten, rund 15 Prozent davon sind Angehörige.

Zahl der Drogentoten bundesweit gestiegen, landesweit gesunken

In Deutschland sind im Jahr 2023 so viele Menschen nachweislich an den Folgen von Drogenkonsum gestorben wie noch nie. Es starben 2.227 Menschen - davon waren 1.844 Männer und 383 Frauen. Im Vergleich zum Vorjahr waren das 237 Drogentote mehr. Dies sei die höchste bisher je registrierte Zahl, sagte der Bundesdrogenbeauftragte Burkhard Blienert (SPD) im Mai. Die Dunkelziffer, also die Zahl derer, die wegen Drogenkonsums gestorben sind, bei denen es aber nicht nachgewiesen wurde, schätzt Blienert noch deutlich höher.

Für mich ist diese Situation extrem schmerzhaft. Hinter den blanken Zahlen verbirgt sich unendliches Leid für die Betroffenen, ihre Familien, das ganze Umfeld.

In Baden-Württemberg hingegen ging die Zahl der Drogentoten zurück: Im Jahr 2022 gab es 179 Todesfälle, im Jahr 2023 waren es 141. Als einen Grund dafür nennt das Innenministerium das konsequente Vorgehen gegen Rauschgiftkriminalität.

Stör sieht neues Cannabis-Gesetz positiv

Obwohl die Drogensucht ihres Sohnes mit Cannabis begann, befürwortet die 74-Jährige die Teil-Legalisierung von Cannabis in Deutschland. Sie hätte sich allerdings andere Richtlinien gewünscht. "Ich fände es besser, wenn Cannabis erst ab 20 Jahren erlaubt wäre und wenn es offizielle Verkaufsstellen gäbe - zum Beispiel in Apotheken." Generell trage das neue Gesetz aber zur Entkriminalisierung bei.

Sie fordert nun aber eine Verbesserung der Präventionsarbeit. "Die Leute müssen einfach wissen, was sie nehmen und was es mit ihnen macht - vor allem im Jugendalter", sagt sie. Auch Rainer Willibald von der Caritas Bodensee-Oberschwaben fordert eine Stärkung bei der Suchtprävention. "Momentan wird daran noch viel zu sehr gespart. Online-Kampagnen kommen nicht bei den Leuten an. Wir brauchen mehr Präventionsprogramme direkt vor Ort", sagt er.

Gedenkfeier am 21. Juli in Leutkirch

Für Beate Stör ist die Aufklärung rund um das Thema Drogensucht zu einer Lebensaufgabe geworden. Sie hat sich auch dafür eingesetzt, dass es in Leutkirch einen Gedenkstein für Drogentote gibt. Vor drei Jahren wurde er enthüllt. An dieser Gedenkstätte in der Leutkircher Innenstadt treffen sich Angehörige am Sonntagabend zur Gedenkfeier. Dabei lassen sie unter anderem 49 Luftballons mit den Namen ihrer Verstorbenen steigen. Außerdem werden Gedichte vorgelesen, die Beate Stör im Andenken an ihren Sohn Bertram geschrieben hat. Eines der Gedichte von Beate Stör finden sie hier.

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