Er hat es von Anfang an nicht einfach gehabt und sich dennoch nicht unterkriegen lassen: Franz Erwin Kemper aus Aulendorf (Kreis Ravensburg) ist blind. Doch von seiner Sehbehinderung lässt er sich nicht unterkriegen. Er engagiert sich für andere Menschen mit Behinderung.
SWR-Reporter Martin Hattenberger hat Franz Erwin Kemper besucht.
Hilfsmittel für Sehbehinderte erfunden
Franz Erwin Kemper ist Rentner. Er wurde mit einer schweren Sehbehinderung geboren. Der Grund: eine seltene Erbkrankheit. Nur fünf weitere Menschen in Deutschland leiden unter dieser, sagt Kemper. Trotzdem lernte er als Vierjähriger schon lesen. "Die großen Buchstaben der Bild-Zeitung waren gut für mich. Und dass ich Zeitung gelesen habe, hat man an meiner schwarzen Nase gesehen", erinnert sich der heute 71-Jährige. Trotz seiner Sehbehinderung schloss er die Schule ab und begann ein Studium. Fehlende Hilfsmittel für Sehbehinderte ließen ihn selbst zum Erfinder werden. Darüber hinaus engagiert er sich sozial und wurde 2019 zum ersten Behindertenbeauftragten der Stadt Aulendorf (Kreis Ravensburg) gewählt.
Alles ausprobieren, aber eigene Grenzen erkennen
Obwohl er kaum sehen konnte, wollte Kemper alles machen wie andere Jugendliche auch. Selbst Fahrradfahren lernte er. Da hatten seine Eltern mehr Angst als er, sagt er: "Als Jugendlicher will man ja alles machen. Das hatte aber auch den Vorteil, dass man die eigenen Grenzen erkennt. Und dann weiß, das geht. Mehr geht nicht." Doch die Sehkraft wurde immer schlechter. Ein Arzt sagte ihm, dass er irgendwann gar nichts würde sehen können. Für ihn ein einschneidender Moment.
Lösungen für Blinde finden
Beruflich ging er seinen Weg. Er schloss die Schule ab und ging zur Universität. Doch immer wieder merkte er, dass er auch mit Hilfsmitteln, wie gelesenen Texten auf Kassetten, nur schwer weiterkam. Deshalb wurde er zum Erfinder. Er entwickelte ein Gerät, das es Blinden ermöglichte, einzelne Stellen auf Kassetten mit einem Ton zu markieren, so dass sie diese Stelle später wiederfinden konnten. Seine Erfindung ließ er produzieren, machte sich selbstständig und verkaufte sie mehrere hundert Male.
Für ihn war das der Start in eine unternehmerische Laufbahn. Er entwickelte weitere Hilfsmittel für Blinde. Etwa einen Geldbeutel, mit dessen Hilfe erkennbar ist, welchen Geldschein man gerade in der Hand hält. Eine weitere Entwicklung brachte ihn schließlich um seinen wirtschaftlichen Erfolg. Er erfand einen Blindenstock, mit dessen Hilfe der Blinde an einer Ampel weiß, welche Farbe sie anzeigt. Doch die Kosten für das Patent waren so hoch, dass er mit seinen Firmen Insolvenz anmelden muss.
Als Experte zum Behindertenbeauftragten gewählt
Franz Erwin Kemper arbeitete im Anschluss für mehrere Unternehmen und landete schließlich auf Umwegen in Aulendorf (Kreis Ravensburg). Seit inzwischen 24 Jahren wohnt er dort und fühlt sich wohl. In Aulendorf wird ihm schnell klar, es gibt immer wieder Verbesserungspotential für Menschen mit Behinderung. Weil er seine Wünsche direkt im Rathaus vorträgt, wird er schnell als Experte auf dem Gebiet bekannt und schließlich zum Behindertenbeauftragten der Stadt gewählt. Inzwischen ist er auch Vorsitzender des Stadtseniorenrats. Seine Behinderung hat er in seinem Leben nie als Hinderungsgrund gesehen.