Die 37-Jährige äußerte sich am Donnerstag im Interview mit SWR-Moderatorin Thea Thomiczek:
SWR: Frau Brugger, wie sieht es Ihrer Meinung nach aus, soll die Bundesregierung "Leopard 2"-Kampfpanzer liefern?
Brugger: Ja, wir sollten die Ukraine auch mit modernsten Panzersystemen unterstützen. Bereits im sogenannten Ringtausch sind ja alte sowjetische Panzer geliefert worden, von anderen europäischen Partnern. Wir haben dann deren Bestände wieder aufgefüllt. Aber es gibt nun zwei Entwicklungen: Zum Einen haben diese alten Panzer nicht das Schutzniveau und es gibt keine Ersatzteile und keine Munition in absehbarer Zeit mehr. Zum Anderen haben wir gesehen, dass die russische Seite den Winter genutzt hat, mehr Panzer und Munition zusammenzuziehen und um Soldaten zu mobilisieren. Es droht eine Großoffensive in den kommenden Wochen und Monaten. Die Ukraine braucht daher moderne Panzersysteme wie den "Marder" und den "Leopard", um sich schützen zu können und auch Truppen sicher zu transportieren.
SWR: Zurzeit kommen ja sehr harsche Töne aus Russland. Putin beschuldigte jüngst die USA und den Westen, die Welt gegen Russland aufzuwiegeln. Das ist eine brandgefährliche Situation. Ist es da das richtige Signal, jetzt Panzer zu liefern? Was ist denn da das große Ziel?
Brugger: Das Ziel ist, dass die Ukraine sich verteidigen kann und dass Russland mit dieser Großoffensive nicht wieder große Teile der Ukraine besetzen kann. Wenn wir nichts tun und die Ukraine nicht unterstützen, ist die Folge, dass die Ukraine diesen Krieg verliert. Es treibt mich aber auch um, was wir für Mittel haben, diesen Krieg zu beenden und zu stoppen. Aber wir müssen der Realität ins Auge schauen, dass die russische Seite nicht verhandeln will. Sondern auf alle Verhandlungsangebote mit weiterer Eskalation antwortet. Auch mit Kriegsverbrechen und Völkerrechtsverletzungen. An der Stelle bleibt uns nur die Wahl, entweder Russland gewinnen zu lassen oder die Ukraine in ihrer Selbstverteidigung zu unterstützen. Und deshalb glaube ich, dass die schwierige Entscheidung auch die richtige ist, nämlich moderne Panzersysteme an die Ukraine zu liefern.
SWR: Das könnte aber auch bedeuten, dass der Krieg ausgeweitet wird. Davor haben viele Menschen Angst.
Brugger: Der Krieg wird ja permanent ausgeweitet von der russischen Seite. Die ja nicht nur einmarschiert ist, sondern dort auch Gebiete besetzt hat, in denen auch kein Frieden herrscht. Wir kennen alle die Bilder aus Irpin und Butscha. Wir sehen alle die Bilder von Folterkammern und Kindesentführungen. Die Ukraine nicht zu unterstützen, würde daher bedeuten, sie dieser russischen Gewaltherrschaft preiszugeben. Das wäre ein Signal an die Welt, an alle anderen aggressiven Kriegsherren, es Putin gleichzutun, weil sich niemand in den Weg stellt. Und auch in Europa wäre ein Kriegsgewinn Russlands eine riesige Bedrohung und daher haben wir ein eigenes Interesse, solidarisch mit der Ukraine zu sein.
SWR: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) steht unter großem Druck. Kann er überhaupt noch anders entscheiden?
Brugger: Die Bundesregierung trifft diese Entscheidung niemals leichtfertig. Wir ringen da gemeinsam in der Ampelkoalition um die richtigen Antworten. Aber wer zu dem Schluss kommt, dass die Lieferung der "Marder"-Schützenpanzer richtig ist, kann eigentlich nicht mehr plausibel begründen, warum die "Leopard 2"-Panzer nicht geliefert werden sollten. Und wir haben ja eine Reihe europäischer Staaten, die genau das tun wollen. Da sollte Deutschland nicht blockieren, sondern wir sollten uns daran beteiligen.
SWR: Früher waren die Grünen die Anti-Kriegspartei. Jetzt fordern sie weitere Waffenlieferungen. Wie kommen Sie selbst mit solchen schwerwiegenden Entscheidungen zurecht?
Brugger: Natürlich ist es niemals leicht. Und es ist furchtbar zu sehen, wie die Gewalt von Woche zu Woche eskaliert und wir kein Instrument haben, das ein Ende der Gewalt erreicht und das dazu führt, dass man sich an den Verhandlungstisch setzt. Wir haben nur die Wahl, Putin gewinnen zu lassen mit allen Folgen. Oder wir liefern Waffen. Aber man muss halt der Realität ins Auge blicken. Im Vorfeld des 24. Februars 2022 gab es ja mehrere Verhandlungsangebote und auch in den ersten Kriegstagen. Aber man kann niemanden an den Verhandlungstisch zwingen, der sich in den Kopf gesetzt hat, sein Nachbarland zu vernichten. Und deshalb mag es paradox klingen, aber es ist so: Wenn die Ukraine aus einer Position der Stärke heraus verhandeln kann und Putin trotz aller militärischer Stärke und brutaler militärischer Gewalt keinen Erfolg hat, dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Verhandlungen kommen wird.
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