Flucht und Migration

Zuwanderung nach Baden-Württemberg: Antworten auf die wichtigsten Fragen

Stand
Autor/in
Michael Ströbel

Was ist eigentlich Flucht und was Migration? Wie viele Geflüchtete leben in Baden-Württemberg und wie viele werden abgeschoben? Ein Überblick über das komplexe Thema.

In Deutschland und Europa nimmt mit den höheren Flüchtlingszahlen auch die Debatte über Asyl und Migration an Fahrt auf. In der Diskussion stehen etwa erneut Obergrenzen und verschärfte Grenzkontrollen. Im aktuellen BW-Trend wird Zuwanderung von den Befragten als das wichtigste Problem im Land eingeschätzt: 40 Prozent der Befragten sehen das so. Zeit für einen Blick auf Hintergründe, Zahlen und Fakten.

Allgemeines

Aktuelle Situation in Deutschland

Flucht in Baden-Württemberg

Migration in Deutschland und BW

Was ist der Unterschied zwischen Flucht und Migration?

Flucht bezieht sich auf die zwangsweise Verlagerung von Menschen aufgrund von Konflikten, Verfolgung, Naturkatastrophen oder anderen lebensbedrohlichen Situationen. Migration hingegen bezeichnet die freiwillige Bewegung von Menschen von einem Ort zum anderen, sei es aus wirtschaftlichen, sozialen oder persönlichen Gründen.

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Flüchtling, Geflüchtete, Asylsuchende: Was bedeuten die verschiedenen Begriffe?

Flüchtlinge werden umgangssprachlich alle Menschen genannt, die vor Verfolgung, Krieg, Hunger, Naturkatastrophen oder aus anderen Gründen aus ihrem Heimatland fliehen. Die Begriffe Geflüchtete oder auch Schutzsuchende nutzen vor allem Hilfsorganisationen, um dem politisch aufgeladenen Flüchtlings-Begriff etwas entgegenzusetzen, der - so etwa das International Rescue Committee - "nicht die Komplexität von Fluchterfahrungen widerspiegelt". Im Detail ist es etwas komplizierter.

Wer politisch verfolgt wird, hat in Deutschland nach Paragraph 16a Grundgesetz das Recht auf Asyl. Wer nach Deutschland kommt und Asyl beantragt, wird registriert und erhält den Status eines Asylbewerbers. Dann läuft das Asylverfahren, in dessen Verlauf die politische Verfolgung nachgewiesen werden muss.

Welche Ursachen führen zur Flucht von Menschen?

Die Hauptursachen für Flucht sind bewaffnete Konflikte, Verfolgung aufgrund von Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe sowie Naturkatastrophen und Umweltveränderungen, die Lebensgrundlagen bedrohen. Menschen fliehen aus verschiedenen Gründen. Einige der Hauptgründe sind Krieg, politische Verfolgung, Armut, Naturkatastrophen und Umweltkatastrophen. Pull-Faktoren spielen nach Sicht von Experten eine weniger große Rolle.

Wie geht Deutschland mit Schutzsuchenden um?

Deutschland hat ein Asylsystem, das auf dem Grundgesetz und internationalen Abkommen basiert. Asylsuchende haben das Recht auf Prüfung ihres Schutzbedarfs. Es gibt verschiedene Formen des Schutzes, darunter Asyl, subsidiären Schutz und Abschiebeverbot - beispielsweise in nicht-sichere Herkunftsstaaten.

Wer politisch verfolgt wird, hat in Deutschland nach Paragraph 16a Grundgesetz das Recht auf Asyl. Wer nach Deutschland kommt und Asyl beantragt, wird registriert und durchläuft ein Antragsverfahren dessen Verlauf die politische Verfolgung nachgewiesen werden muss.

1951 hat die Bundesrepublik Deutschland außerdem die Genfer Flüchtlingskonvention unterzeichnet und damit Menschen Schutz zugesichert, die aus einem Kriegsgebiet fliehen. In der Flüchtlingskonvention ist definiert, wer ein Flüchtling ist und welche Rechte er oder sie hat. Kurz gesagt: Die Kriterien für den Flüchtlingsstatus sind etwas weniger streng als die für den Asylstatus.

Welche Rechte haben Asylsuchende und Flüchtlinge in Deutschland?

Asylsuchende und anerkannte Flüchtlinge haben in Deutschland verschiedene Rechte, darunter das Recht auf Asylverfahren, medizinische Versorgung, Bildung und Arbeit. Anerkannte Flüchtlinge haben ein dauerhaftes Bleiberecht.

Wessen Asylverfahren erfolgreich ist, gilt als Asylberechtigter oder Asylberechtigte und erhält von der Ausländerbehörde eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltserlaubnis. Sie kann im Anschluss verlängert werden. Dasselbe gilt beim Flüchtlingsstatus. Frühestens nach drei Jahren kann unter bestimmten Voraussetzungen (Lebensunterhalt, Sprachkenntnisse) eine unbefristete Niederlassungserlaubnis erteilt werden.

Daneben gibt es noch subsidiär Schutzberechtigte. Sie erhalten eine einjährige Aufenthaltserlaubnis, die jeweils für zwei weitere Jahre verlängert werden kann. Nach frühestens fünf Jahren kann ebenfalls eine unbefristete Niederlassungserlaubnis erteilt werden. Als subsidiär schutzberechtigt können Geflüchtete gelten, die weder politische Verfolgung (Asylberechtigte) noch Flucht vor Krieg (Flüchtlingsstatus) nachweisen können. Und zwar dann, wenn ihnen in ihrem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden (etwa Todesstrafe, Folter, willkürliche Gewalt) droht.

Wie subsidiär Schutzbedürftige werden außerdem Geflüchtete behandelt, für deren Herkunftsland ein nationales Abschiebungsverbot festgestellt wurde. Das liegt vor, wenn dort deren Leben oder Freiheit aufgrund von Rasse, Religion, Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen der politischen Überzeugung bedroht ist.

Wie werden die in Deutschland angekommenen Menschen verteilt?

Wer als Flüchtling nach Deutschland kommt, muss sich zunächst registrieren. Meistens passiert das in der nächstgelegenen Erstaufnahmeeinrichtung im jeweiligen Bundesland. Verteilt auf die Länder wird nach dem "Königsteiner Schlüssel". Nach diesem sollte das einwohnerstärkste Bundesland Nordrhein-Westfalen mit 21 Prozent die meisten der schutzsuchenden Personen aufnehmen, gefolgt von Bayern (15,6 Prozent) und Baden-Württemberg (etwa 13 Prozent).

Gemessen an der Bevölkerung der Bundesländer lebten Ende 2022 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes die meisten Schutzsuchenden in den Stadtstaaten Bremen (6,3 Prozent der Bevölkerung), Hamburg (4,8) und Berlin (4,8). Am niedrigsten waren die Anteile in Bayern (2,8), Brandenburg (2,8) und Mecklenburg-Vorpommern (2,9).

Wie lange dauert es, bis ein Asylantrag bearbeitet wird?

Die Bearbeitungsdauer eines Asylantrags kann variieren. In der Regel dauert es jedoch mehrere Monate bis zu einem Jahr.

Wie werden Flüchtlinge integriert?

Die Integration von Flüchtlingen in Deutschland umfasst Sprachkurse, Bildung, Arbeitsmarktintegration und soziale Unterstützung. Verschiedene staatliche und nichtstaatliche Organisationen arbeiten zusammen, um die Integration zu fördern.

Wie viele Schutzsuchende leben in Deutschland?

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes lebten Ende 2022 etwa 3,1 Millionen Schutzsuchende in Deutschland, wobei der Großteil (2,25 Millionen) über einen anerkannten Schutzstatus verfügte. Die Gesamtzahl stieg gegenüber dem Vorjahr um 1,14 Millionen Personen, was den höchsten Zuwachs innerhalb eines Berichtsjahres seit Beginn der Statistik 2007 darstellt. Zurückzuführen ist das vor allem auf den russischen Angriffskrieg, weswegen 2022 rund 1,01 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer Schutz in Deutschland suchten.

Wie viele Flüchtlinge dürfen überhaupt bleiben?

Zwischen Januar und August 2023 hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge über gut 175.000 Asylanträge entschieden. Mehr als 91.000 Personen wurde Schutz zugesprochen, was einer Gesamtschutzquote von rund 52 Prozent entspricht. Aussagekräftiger ist allerdings die bereinigte Schutzquote. Denn viele Anträge werden ohne inhaltliche Prüfung entschieden.

Das ist etwa der Fall, wenn ein Asylantrag zurückgezogen wurde oder ein anderes EU-Land zuständig ist. Zieht man von den bearbeiteten Fällen die "formellen Entscheidungen" ab, kommt man für die Zeit zwischen Januar und August auf eine bereinigte Schutzquote von 71 Prozent.

Wie viele müssen Deutschland verlassen?

Bei negativem Asylbescheid droht die Abschiebung. Laut Ausländerzentralregister waren Ende 2022 insgesamt 304.308 Menschen in Deutschland ausreisepflichtig, davon 248.145 mit einer Duldung. Neben abgelehnten Asylbewerbern können auch Touristen, Arbeitnehmende und ausländische Studierende ausreisepflichtig werden, wenn ihr Visum beziehungsweise ihre Aufenthaltserlaubnis abgelaufen ist.

Geduldete können aus bestimmten Gründen nicht abgeschoben werden, etwa weil sie keine Ausweisdokumente haben, krank sind oder ein minderjähriges Kind haben, das eine Aufenthaltserlaubnis besitzt. Die Duldung ist immer befristet. Knapp 13.000 ausreisepflichtige Personen wurden nach Angaben der Bundesregierung 2022 aus Deutschland abgeschoben.

Gegen Entscheidungen des Bamf können auch Rechtsmittel eingelegt werden. 2022 entschieden Gerichte in 96.495 Fällen. Nachträglich wurden damit Asylbescheide positiv entschieden (461 Mal), Flüchtlingsschutz (5.396) oder subsidiärer Schutz gewährt (1.353) und ein Abschiebungsverbot (9.385) erteilt.

Woher kommen die Schutzsuchenden?

Neben Ukrainern waren Ende 2022 in ganz Deutschland die meisten Schutzsuchenden syrische (674.000 Personen), afghanische (286 000), irakische (211.000) oder türkische (101.000) Staatsangehörige. Diese fünf Staatsangehörigkeiten stellen fast drei Viertel der Schutzsuchenden.

Zu ihnen zählt das Statistische Bundesamt alle Ausländer, die sich unter Berufung auf humanitäre Gründe in Deutschland aufhalten. Dazu zählen auch Asylbewerber im Verfahren und abgelehnte Asylbewerber. Nicht eingerechnet sind die Geflüchteten aus der Ukraine.

Wie verhält es sich mit Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine?

Seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine am 24. Februar sind weitaus mehr Menschen allein aus der Ukraine nach Baden-Württemberg geflohen, als im gesamten Jahr 2015 Flüchtlinge im Land ankamen.

Nicht alle angekommenen Geflüchteten aus der Ukraine bleiben auch in Baden-Württemberg. Sie werden nach dem "Königsteiner Schlüssel" auf die Bundesländer verteilt. Demnach entfallen rund 13 Prozent der nach Deutschland geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer auf Baden-Württemberg. Bis Ende Juli 2023 hielten sich hierzulande nach Eurostat-Angaben 1,15 Millionen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine auf.

Aktuell benötigen Schutzsuchende aus der Ukraine kein Visum, um in Deutschland einzureisen. Diese Ausnahmeregelung ist bis zum 4. März 2024 vereinbart. Ab der Einreise können Sie sich bis zu 90 Tage ohne Aufenthaltstitel in Deutschland aufhalten.

Während dieser 90 Tage haben Geflüchtete aus der Ukraine die Möglichkeit, eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Aufenthaltsgesetz zu stellen. Diese Vorschrift regelt speziell die Situation für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine auf Grund des Beschlusses der EU. Bis eine Entscheidung gefällt wird, gilt der Titel "erlaubter Aufenthalt".

Wie viele Geflüchtete gibt es in Baden-Württemberg?

Im Juni 2022 waren laut Justizministerium 121.000 Flüchtlinge mit Aufenthaltstitel in Baden-Württemberg registriert. Für 2023 machte das Ministerium bisher keine Angaben. Insgesamt kamen im Jahr 2022 28.000 Asylsuchende nach Baden-Württemberg. Hinzu kommen noch Geflüchtete aus der Ukraine. Diese müssen keinen Asylantrag stellen. Seit Ausbruch des Krieges im Februar 2022 flohen rund 165.000 Menschen aus der Ukraine nach Baden-Württemberg. Allerdings gehen Experten davon aus, dass sich nicht mehr alle diese Menschen im Land befinden.

Woher kommen Geflüchtete in Baden-Württemberg?

Die mit Abstand größte Gruppe von Geflüchteten stammt aus der Ukraine. Dahinter rangieren seit Jahren Menschen aus der Türkei, aus Syrien, Afghanistan, Georgien, Indien, Irak und Iran.

Im Jahr 2023 sind bis Ende August 5.381 Menschen aus der Türkei in Baden-Württemberg angekommen, 4.107 aus Syrien, 3.133 aus Afghanistan und 1.040 aus Georgien. Die Zahlen sind auch auf der Webseite des Ministeriums der Justiz und für Migration Baden-Württemberg zu finden.

Woher kommen die Unbegleiteten Minderjährigen Ausländer (UMA) in BW?

Die Jugendämter in Baden-Württemberg haben in diesem Jahr bis August 2023 insgesamt 1.040 Unbegleitete Minderjährige Ausländer (UMA) registriert. Die überwiegende Mehrheit ist männlich: 97,7 Prozent oder 1.016. Lediglich 2,3 Prozent oder 24 UMA sind weiblich.

Hinsichtlich der Nationalitäten dominieren afghanische Staatsangehörige mit einem Anteil von 54 Prozent, gefolgt von syrischen (8,8 Prozent), guineischen (8,1 Prozent) und ukrainischen (7,5 Prozent) sowie türkischen (4,2 Prozent). Zusammen machen diese fünf Nationalitäten die größte Gruppe aus, während die restlichen 6 Prozent auf verschiedene andere Nationalitäten entfallen.

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Wie werden Flüchtlinge in Baden-Württemberg untergebracht?

Flüchtlinge werden in verschiedenen Unterkünften untergebracht, darunter Gemeinschaftsunterkünfte, dezentrale Wohnungen und Notunterkünfte. Die Verteilung erfolgt unter Berücksichtigung der Kapazitäten in den Städten und Gemeinden. Diese kümmern sich dann um die Unterbringung vor Ort.

Wie viele Abschiebungen aus Baden-Württemberg gab es zuletzt?

Laut Justizministerium gab es im Jahr 2022 rund 1.650 Rückführungen. In diesem Jahr seien bis Ende Mai 2023 bereits 721 Personen abgeschoben worden. In der Vergangenheit lag die Zahl der Abschiebung jeweils deutlich höher. So wurden 2019 aus Baden-Württemberg 2.648 Menschen abgeschoben. 2018 waren es 3.018 und 2017 gab es 3.450 Abschiebungen.

Warum brauchen wir Fachkräfte aus dem Ausland?

Die Wirtschaft in Baden-Württemberg klagt schon seit Jahren darüber, keine qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden. Es herrscht annähernd Vollbeschäftigung. Viele offene Stellen bleiben unbesetzt. Zugleich verabschieden sich die Baby-Boomer - also die geburtenstarken Jahrgänge von 1955 bis 1969 - allmählich aus der Arbeitswelt. Nach Prognosen des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertags könnten 2035 in Baden-Württemberg bis zu 903.000 Fachkräften fehlen. Eine Lücke, die auch von den nachfolgenden Jahrgängen nicht geschlossen werden kann.

Wie sieht das aktuelle Verfahren für Fachkräfte aus dem Ausland aus?

Je nach Verfahren stellt der Bewerber seinen Antrag für das Visum in seinem Heimatland. Mittels einer Vollmacht kann das jedoch auch das Unternehmen bei der örtlichen Ausländerbehörde machen. Letzteres ist beim beschleunigten Fachkräfteverfahren der Fall. Die Behörde prüft dann die Voraussetzungen und holt die Bundesagentur für Arbeit mit ins Boot. Wenn die Papierangelegenheiten erledigt sind, erhält die Fachkraft bei der Botschaft im Ausland ihr Visum zur Einreise.

Wie viele Menschen mit Migrationshintergrund gibt es in Baden-Württemberg?

Laut Landeszentrale für politische Bildung lebten 2021 rund 3,7 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in BW. Das ist rund jeder Vierte. 2022 hatte Baden-Württemberg 11,28 Millionen Einwohner. Davon hatten 2,01 Millionen einen ausländischen Pass.

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