So viele Menschen wie nie zuvor bei einer Europawahl in Baden-Württemberg haben den kleineren Parteien ihre Stimme gegeben. Die "Sonstigen" kamen laut dem Statistischen Landesamt zusammen auf 14,7 Prozent. Nur eine der etablierten Parteien liegt über diesem Wert und das ist die CDU mit 32,0 Prozent. Die AfD liegt gleichauf, alle anderen wie Grüne, SPD und FDP liegen teils weit darunter. Zum Vergleich: Bei der Wahl zum EU-Parlament 2019 erreichten die kleineren Parteien 12,7 Prozent, im Jahr 2014 lagen sie bei 8,9 Prozent.
Bei der Europawahl gibt es keine Fünf-Prozent-Hürde
Ein Grund für den Zuwachs sieht Michael Wehner von der Landeszentrale für politische Bildung bei der Sperrklausel, also der Fünf-Prozent-Hürde. Sie gilt zwar bei Bundestags- und Landtagswahlen, nicht aber bei Europawahlen. Damit reicht praktisch bundesweit weniger als ein Prozent Stimmenanteil, um einen Sitz im EU-Parlament zu erringen. Bei der Wahl 2019 schafften das 14 Parteien.
SWR-Prognose: Volt zieht zum ersten Mal in Karlsruher Gemeinderat ein
SWR-Prognose: Sechs Prozent Überraschungssieg: Volt zieht zum ersten Mal in den Gemeinderat Karlsruhe ein
Sie sind die Überraschungssieger der Wahlen vom Sonntag: Die europafreundliche Kleinpartei Volt holt aus dem Stand 5,8 Prozent bei den Kommunalwahlen in Karlsruhe. Eine SWR-Prognose hatte sechs Prozent vorhergesagt.
Ohne Sperrklausel, sagte Wehner dem SWR, werde auch das Wahlverhalten abseits der traditionellen Parteien belohnt. Bei den etablierten Parteien könne man sich sicher sein, dass sie definitiv über die Fünf-Prozent-Hürde kämen. Man könne unverbrauchten Parteien eine Chance geben, gerade wenn man von den etablierten Parteien vielleicht enttäuscht sei, so Wehner.
Als Beispiel nannte Wehner die Volt-Partei, die in Baden-Württemberg um 1,8 Punkte auf 2,5 Prozent zugelegt hat und damit ihren Stimmenanteil im Vergleich zur Wahl vor fünf Jahren verdreifachte. Das neu gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht schaffte es aus dem Stand in Baden-Württemberg auf 4,5 Prozent. Wählerinnen und Wähler könnten kleineren Parteien risikoloser ihre Stimme geben, da man keine Angst haben müsse, dass die eigene Stimme verschenkt sei.
Wer steckt hinter Volt, der Partei, die so heißt wie die physikalische Einheit für elektrische Spannung?
Jungwähler zieht es vor allem zu kleineren Parteien
Vor allem jüngere Menschen zieht es zu den "Sonstigen". 29 Prozent der 16- bis 24-Jährigen in Baden-Württemberg gaben einer solchen Partei dieses Mal ihre Stimme. Der Politikwissenschaftler Michael Wehner erklärt sich das damit, dass bei ihnen die Parteibindung noch nicht so festgelegt ist wie bei Menschen ab 30.
Generell nehme aber die Bindung an Parteien ab und die Zahl derjenigen zu, die sich erst spät entscheiden. Wehner glaubt, dass das an den einfacheren Voraussetzungen für die Europawahl liegt. Sie gelten aus seiner Sicht als sogenannte Nebenwahlen. Dann versuche man auch den Regierungsparteien einen Denkzettel zu verpassen und wähle dann eben anders.