Bei einer Debatte im Landtag von Baden-Württemberg haben alle Fraktionen Gewalt gegen Polizei und Rettungskräfte verurteilt. Die CDU hatte die Debatte beantragt, nachdem es in der Silvesternacht auch in Baden-Württemberg zu Angriffen gekommen war.
Innenminister Strobl will Schnellverfahren landesweit ausweiten
Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) hat sich für eine konsequentere Strafverfolgung aus. Bei einer Anzeige würden zahlreiche Strafverfahren eingestellt mit der Begründung, es gebe kein öffentliches Interesse. An dieser Stelle solle nun bei der Justiz nachgeschärft werden. Geplant ist laut Strobl auch, Schnellverfahren landesweit auszuweiten. Bisher gibt es sie in sechs Gerichtsbezirken, etwa in Heilbronn. Dort wurde ein 30-jähriger Mann im beschleunigten Verfahren zu einer Gefängnisstrafe von neun Monaten verurteilt, weil er Raketen auf Kinder gefeuert und Polizisten attackiert hatte.
Zudem kritisierte Strobl, es gebe eine Regelungslücke bei der Übernahme von Schmerzensgeld bei "delikts- und schuldunfähigen" Tätern. Das spiele eine große Rolle, da 60 Prozent der Täter bei Angriffen auf Polizisten alkoholisiert seien. Man werde zeitnah einen Gesetzentwurf vorlegen, kündigte Strobl an.
Bodycams für Rettungskräfte: Grüne weisen CDU-Vorschlag zurück
Bei der Diskussion über die Konsequenzen der Silvesternacht ging es auch um Bodycams für Rettungskräfte, ähnlich wie sie Polizeibeamte bereits einsetzen. Die AfD fordert sie, auch CDU-Fraktionschef Manuel Hagel hatte diesen Vorschlag ins Gespräch gebracht. Die Grünen im Landtag haben die Forderungen nach einer flächendeckenden Ausrüstung von Rettungskräften mit Bodycams zurückgewiesen.
Die Grünen-Abgeordnete Andrea Schwarz erklärte bei der Debatte am Mittwoch: Natürlich müsse man nun über Maßnahmen sprechen, die ergriffen werden müssten, man dürfe aber auch nicht "reflexartig" nach Dashcams oder Bodycams rufen. Da gerade Rettungskräfte regelmäßig in private Räume vordringen müssten, hätten "sicherlich einige von uns ein ungutes Gefühl dabei, wenn in heimischen Wohn- oder Schlafzimmern jemand Fremdes filmen würde."
Schwarz kritisierte darüber hinaus CDU in Berlin wegen der populistischen Debatte über die Herkunft von Straftätern. Ganz sicher hätten die Vorfälle nichts mit einem fehlenden Integrationswillen zu tun, wie einige pauschal unterstellen wollten, sagte sie. "Jetzt nach den Vornamen zu fragen, weil die Antwort nach der Staatszugehörigkeit nicht das gewünschte Ergebnis liefert, ist in meinen Augen unterirdisch." Vielmehr müssten die Arbeitsbedingungen der Rettungskräfte deutlich verbessert werden, so Schwarz.
Kritik an Strobls Äußerungen über ein "normales Silvester"
Innenminister Strobl hatte im Vorfeld der Debatte Feuerwehrleute, Polizisten, Helfer und Kommunen zu einem Gespräch eingeladen. Diskutiert worden seien etwa verstärkte Schulungsmaßnahmen für Rettungskräfte in der "kommunikativen Deeskalation", teilte das Innenministerium mit. Strobl war in die Kritik geraten, weil er trotz der Angriffe auf Einsatzkräfte die Silvesterkrawalle als "ganz normales Silvester" bezeichnet hatte. Laut Strobl gab es in der Silvesternacht in Baden-Württemberg 19 leicht verletze Polizeibeamte und einen verletzten Feuerwehrmann.
Steffen Jäger, Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg und Vize-Präsident des Deutschen Städte und Gemeindebunds, erklärt im SWR-Interview, wie er die Ergebnisse des Treffens mit Innenminister Strobl einschätzt:
SPD-Innenpolitiker Sascha Binder kritisierte bei der Debatte im Landtag erneut Strobls Äußerungen diesbezüglich. "Kein einziger Fall darf für uns normal sein", sagte er. Binder berichtete etwa von einem Brandeinsatz in einem Hallenbad in Kehl (Ortenaukreis), an dem ein Feuerwehrmann mit Böllern beschossen worden sei. Er sei bis heute dienstuntauglich. Binder schlug ein Sonderpakt für Rettungskräfte vor - mit mehr Präventionsmaßnahmen in den Kommunen, einer schnelleren Strafverfolgung und einer zeitgemäßen Ausrüstung für Rettungskräfte, Polizei und Feuerwehren.
Aus Sicht der innen- und rechtspolitischen Sprecherin der FDP, Julia Gol, müssen die zahlreichen Vorschläge für Präventionsmaßnahmen von renommierten Sicherheitsforschern und Psychologen endlich ernst genommen werden. Die AfD kritisierte, Sicherheitskräfte reagierten nicht mit der gleichen Härte auf Randalierer, wie auf Reichsbürger und Montagsdemonstranten.