Es sei ein positiver Gedankenaustausch gewesen, sagten Vertreterinnen und Vertreter von Rettungsorganisationen, Polizei und Kommunen dem SWR. Am Dienstagabend waren sie im baden-württembergischen Innenministerium zusammengekommen, um darüber zu sprechen, was gegen die zunehmende Gewalt gegen Einsatzkräfte getan werden kann. Eingeladen hatte Innenminister Thomas Strobl (CDU). Am Mittwochvormittag will er im Landtag über die Ergebnisse des Sicherheitsgipfels berichten.
Teilnehmer: Gesellschaftliche Debatte erforderlich
Nach SWR-Informationen wurde bei dem Treffen erörtert, wie Schnellverfahren ausgeweitet werden können. Zudem ging es um Fragen der Strafverfolgung. So will das Justizministerium prüfen, wie viele Fälle nach Angriffen auf Einsatzkräfte eingestellt wurden. Einig war sich die Runde darin, dass eine breite gesellschaftliche Debatte über das Thema notwendig sei. Mehr als 40 Vertreterinnen und Vertreter von Polizei, Feuerwehr, Rettungsdiensten, Gewerkschaften und Kommunalverbänden nahmen am an dem Sicherheitstreffen teil, zudem auch Justizministerin Marion Gentges (CDU).
"Konsequente Strafverfolgung nötig"
Das Treffen im Innenministerium in Stuttgart blieb zwar ohne konkrete Ergebnisse. Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer bekräftigten, dass sich im öffentlichen Bewusstsein etwas ändern müsse. Das bedeute zum einen, klare Kante zu zeigen, wenn Feuerwehrleute, Rettungssanitäter oder Polizisten angegriffen oder beleidigt werden und für eine konsequente Strafverfolgung zu sorgen. Zum anderen war von einem gesamtgesellschaftlichen Problem die Rede, bei dem dringend gegen gesteuert werden müsse. Rettungssanitäter berichteten beispielsweise, sie seien von Nachbarn angepöbelt worden, weil der Notarztwagen in der Einfahrt gestanden habe.
Keine zusätzliche Schutzausrüstung für Rettungskräfte
Klar wurde bei dem Treffen auch, dass Rettungskräfte keine zusätzliche Schutzausrüstung haben wollen. Einer der Teilnehmenden sagte, er könne sich nicht vorstellen, mit Pfefferspray und Schutzweste zum medizinischen Notfalleinsatz zu gehen.
Im Vorfeld des Sicherheitsgipfels hatte die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) einen besseren Schutz von Polizeibeamtinnen und -beamten sowie von Rettungskräften verlangt. Alle bisherigen Maßnahmen reichten nicht aus, heißt es in einem Papier der Gewerkschaft, das dem SWR vorliegt. Die DPolG fordert landesweite Schnellverfahren, damit nach Attacken umgehend eine Bestrafung erfolge. Auch Beleidigungen müssten strafrechtlich verfolgt werden, weil dies häufig der Anfang von Gewaltdelikten sei. Um haupt- und ehrenamtliche Einsatzkräfte anwaltlich zu vertreten, sei ein umfassender dienstlicher Rechtsschutz notwendig, so der Landesvorsitzende Ralf Kusterer.
Kritik an Strobl nach Silvester-Äußerungen
Innenminister Strobl hatte trotz mehrerer Angriffe mit Silvesterraketen auf Einsatzkräfte auch in Baden-Württemberg den Jahreswechsel als "ganz normales Silvester" bezeichnet. Dafür hatte er scharfe Kritik unter anderem von der DPolG geerntet. Nach Ministeriumsangaben wurden bei Einsätzen im Land neunzehn Polizeibeamte und ein Feuerwehrmann verletzt. Gewalt und Aggressionen gegen Einsatzkräfte nähmen seit Jahren zu, sagte Strobl dem SWR. Es gebe "Verrohungs-Tendenzen" - nicht erst seit der Silvesternacht.
SPD kritisiert Strobl und fordert besseren Schutz für Einsatzkräfte
Vor dem Sicherheitsgipfel hatte auch die oppositionelle SPD Innenminister Strobl scharf kritisiert. "Thomas Strobl geriert sich in der Sicherheitspolitik gerne als Sheriff der Republik, doch nach den Angriffen auf unsere Einsatzkräfte in der Silvesternacht hat er komplett danebengegriffen", sagte der innenpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Sascha Binder. Seine Äußerung habe Strobl völlig zu Recht "mächtigen Stress aus den Reihen der Polizei und selbst aus der eigenen Partei eingebracht", so Binder weiter. Angriffe auf Einsatzkräfte als Normalität zu bezeichnen sei unhaltbar. Gewalt gegen andere dürfe niemals normal sein. "Der kurz danach einberufene Gipfel gegen Hass und Hetze riecht schon sehr verdächtig nach Schadensbegrenzung."
"Es braucht konkrete Maßnahmen und Ergebnisse. Das ist der Innenminister den Blaulichtorganisationen schuldig", betonte Binder. Er fordert besseren Schutz für Einsatzkräfte und Beschäftigte im öffentlichen Dienst sowie eine konsequente und schnelle Strafverfolgung. Auch müsse die Prävention ausgebaut werden, damit Gewalt, insbesondere Jugendgewalt, erst gar nicht entstehe. Überdies sollten die Kommunen die Möglichkeit zur Ausweisung von Verbotszonen konsequent nutzen.
CDU-Fraktionschef fordert Bodycams und Videoüberwachung
Der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Landtag, Manuel Hagel, forderte einen flächendeckenden Einsatz von Bodycams für Bevölkerungsschützer und eine intensivere Video-Überwachung an Kriminalität-Hotspots. "Für Angreifer und jene, die Rettungseinsätze behindern, muss die Beweislage vor Gericht so erdrückend sein, dass sie nicht davonkommen", sagte Hagel. Debatten über Änderungen der Strafgesetze oder eine Anhebung der Strafrahmen seien hingegen "politische Ablenkungsmanöver", so der CDU-Fraktionschef. Die CDU will am Mittwoch im Landtag über das Thema debattieren.