Rechtsextremismus in Baden-Württemberg (Symbolbild)

CDU und FDP fordern mehr Personal

Rechtsextremismus im Fokus: Landtagsfraktionen würdigen Institute - mit Ausnahme der AfD

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Autor/in
Hannah Vogel

Bei Rechtsextremismus genau hinschauen: Das sollen ein neu gegründetes Institut in Tübingen und eine Dokumentationsstelle in Karlsruhe. Nun haben fast alle Fraktionen im Landtag eine positive Zwischenbilanz gezogen, nur die AfD nicht.

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Wie verbreitet sind rechtsextremistische Ansichten in der Bevölkerung? Für Rolf Frankenberger vom Institut für Rechtsextremismusforschung in Tübingen steht fest, sie nehmen zu. Er spricht von einer "Renaissance extrem rechter Einstellungen". Auch die politisch motivierte Gewalt von rechts nehme zu und die AfD, die in Teilen als gesichert rechtsextrem gelte und die als rechtsextremistischer Verdachtsfall vom Verfassungsschutz beobachtet werde, habe einen deutlichen Zulauf, so Frankenberger.

Das Institut für Rechtsextremismusforschung ist an die Universität Tübingen angegliedert und befindet sich derzeit noch im Aufbau. Frankenberger hofft, mit seinen Forschungsergebnissen dazu beizutragen, dass die Gesellschaft widerstandfähiger gegen Extremismus werde. Seine Arbeit ist eng vernetzt mit der Arbeit der Dokumentationsstelle Rechtsextremismus in Karlsruhe. Beide Einrichtungen werden finanziell vom Wissenschaftsministerium unterstützt.

Wissenschaftsministerin: "Einzigartige Struktur" zur Demokratiestärkung

Bei einer Debatte am Mittwoch im Landtag lobte Baden-Württembergs Wissenschaftsministerin Petra Olschowski (Grüne) die Arbeit der beiden Einrichtungen. Sie sprach von einer "einzigartigen Infrastruktur, um die Demokratie zu stärken". Das Institut für Rechtsextremismusforschung und die Dokumentationsstelle Rechtsextremismus erfüllten zwei wichtige Aufgaben: Wissen zu sammeln und zur Verfügung zu stellen. "Nur so lernen wir, Zusammenhänge zu verstehen, und frühzeitig genau hinzuschauen", sagte Olschowski. Das sei die Grundlage fürs Handeln.

CDU und FDP fordern mehr Personal für Extremismusforschung

Der bildungspolitischen Sprecher der CDU, Alexander Becker, betonte, es sei wichtig, in Sachen Extremismus auf der Höhe der Entwicklung zu sein. "Denn die Erscheinungsformen des Extremismus ändern sich und die persönliche Radikalisierung erfolgt immer schneller", sagte Becker. Der CDU-Politiker bemängelte aber, dass der Dokumentationsstelle die personelle Ausstattung fehle, um auch das Auftreten von Linksextremismus und Islamismus tagesaktuell zu überwachen. "Wir plädieren deshalb stark dafür, hier nachzujustieren", sagte Becker.

Auch der forschungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Dennis Birnstock, forderte mehr Personal für die Dokumentationsstelle für Rechtsextremismus und das Institut für Rechtsextremismusforschung. Es fehle beispielsweise an Kapazitäten für ein Social Media Monitoring zum Rechtsextremismus, so Birnstock.

Frankenberger: Rechtsextreme können sich in sozialen Medien "austoben"

Die sozialen Medien spielen für Rolf Frankenberger eine entscheidende Rolle bei der Verbreitung rechtsextremer Inhalte. "Auf diesen relativ frei zugänglichen, wenig kontrollierten Plattformen, können sich extrem rechte Akteure austoben, ohne großer Kontrolle zu unterliegen", sagte Frankenberger. Wenn rechtsextremistische Äußerungen oder Hate Speech dort auffielen, sei es schwierig, sie entfernen zu lassen.

Der Leiter der Dokumentationsstelle für Rechtsextremismus, Wolfgang Zimmermann, geht davon aus, dass im öffentlichen Diskurs immer stärker auch Themen eine Rolle spielen werden, die von Rechten platziert werden. Die Stelle dokumentiere auch politische Statements von Akteuren, die jenseits von Parteiprogrammen oder offiziellen Dokumenten getätigt würden. Solche Statements hätten auch beim Urteil des Oberverwaltungsgerichts in Münster zur Einstufung der AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall am vergangenen Montag eine wichtige Rolle gespielt, so Zimmermann weiter.

AfD wirft Einrichtungen unwissenschaftliches Arbeiten vor

Der bildungspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Rainer Balzer, sprach in seiner Parlamentsrede von einer Diffamierung seiner Partei von allen Seiten. "Aber in der Gesellschaft wird bewusst ein anderes Bild gezeichnet: Die Gefahr kommt von rechts." Hierbei würden bewusst Begriffe wie "konservativ", "rechts", "rechtsextrem" und "gewaltbereit" durcheinandergeworfen. Den Einrichtungen in Karlsruhe und Tübingen warf er vor, nicht wissenschaftlich zu arbeiten.

Olschowski widersprach diesem Vorwurf vehement. Das Wissen, das die beiden Einrichtungen zur Verfügung stellten, werde "unabhängig, rein wissenschaftlich, evidenzbasiert und nicht manipulativ" erhoben.

Wahl von neuem Verfassungsrichter: AfD verlässt den Plenarsaal

Im weiteren Verlauf der Plenarsitzung kam es zum einem Eklat. Vor der Wahl eines neuen Laienrichters für den Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg verließen die Abgeordneten der AfD-Fraktion den Plenarsaal. Zuvor hatte die Fraktion die Absetzung der Wahl beantragt, was die anderen Parteien mehrheitlich ablehnten. Grüne, CDU, SPD und FDP hatten am Dienstag gemeinsam den Vorsitzenden der israelitischen Religionsgemeinschaft Baden, Rami Suliman, für den Posten am Landesverfassungsgericht nominiert. Auf den Unternehmer entfielen bei der Wahl durch die Abgeordneten 122 Stimmen. Er wurde von Landtagspräsidentin Muhterem Aras direkt nach der Wahl vereidigt.

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Suliman folgt Sabine Reger, die im Januar gestorben war. Reger war 2018 auf Vorschlag der AfD als Laienrichterin an das Landesverfassungsgericht gewählt worden. Die AfD hatte für Regers Nachfolge den Sprecher der Landtagsfraktion, Thomas Hartung, nominiert und den Vorschlag der anderen Parteien schon im Vorfeld scharf kritisiert. Auf Hartung erhielt im Landtag eine Stimme. Eine Stimme war ungültig.

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