Rechtspopulisten im Umfragehoch

Deshalb ist die AfD in Baden-Württemberg so erfolgreich

Stand
Autor/in
Maximilian Springer

Die AfD ist in BW im Umfragehoch, alle anderen relevanten Parteien verlieren. Die Gründe dafür sind vielfältig, so Experte Frank Brettschneider.

Die AfD erzielt in aktuellen Umfragewerten starke Ergebnisse - nicht nur bundesweit. Auch in Baden-Württemberg kommt sie derzeit auf 19 Prozent. Das zeigen Zahlen des aktuellen BW-Trends. Mit dieser neuen politischen Realität, die aus den aktuellen Zahlen des BW-Trends hervorgeht, müssen sich die anderen Parteien aktuell beschäftigen.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) zeigte sich über diese Umfragewerte bestürzt: "Das besorgt mich außerordentlich", sagte er am Donnerstag dem SWR. Er forderte die BW-Grünen und die anderen etablierten Parteien auf, sich Gedanken zu machen: "Wir müssen das als Vertrauensverlust interpretieren", so der Ministerpräsident.

Erfolg der AfD durch "Fehler von anderen"

Aber was macht die AfD aktuell so erfolgreich? Laut Kommunikationswissenschaftler und Politikexperte Frank Brettschneider von der Universität Hohenheim haben die hohen Umfragewerte der AfD nur teilweise etwas mit der Arbeit der Landesregierung zu tun.

Um die AfD-Umfragewerte zu erklären, müsse man genauer hinsehen: Zum einen gebe es "Sockelwähler", die nahezu immer da seien, so der Experte im Gespräch mit dem SWR. Diese könnten mit dem deutschen politischen System nicht viel anfangen, hätten teilweise ein rechtes oder rechts-populistisches Weltbild und antipluralistische Einstellungen. Laut Brettschneider machen sie aktuell ungefähr zehn Prozentpunkte für die AfD im Land aus.

Frank Brettschneider von der Universität Hohenheim
Kommunikationswissenschaftler der Universität Hohenheim: Frank Brettschneider

Unzufriedenheit mit Bundesregierung bringt AfD Zulauf

Dazu kämen nun jene Wählerinnen und Wähler, die mit der aktuellen Bundesregierung unzufrieden sind. Darin liegt laut dem Politikexperten die wesentliche Ursache für den aktuellen Zuwachs der AfD - auf Bundes- wie auch auf Landesebene. Um diese "Ausstrahleffekte vom Bund auf das Land" zu begründen, verweist der Experte auf die unterschiedlichen Bewertungen von politischen Akteuren bei Umfragen in den Kommunen, im Land und Bund.

Die Beurteilungen fallen laut Brettschneider immer negativer aus, je weiter man sich in den politischen Ebenen nach oben bewege: "Auf der kommunalen Ebene, also beim Gemeinderat oder Oberbürgermeister, gibt es im Vergleich zum letzten Jahr praktisch keine Veränderungen. Dort ist das größte Vertrauen, da ist die höchste Bewertung des Funktionierens der Demokratie", so der Wissenschaftler.

Schaut man dagegen auf die Bundesebene, gibt es einen deutlichen Einbruch des Vertrauens in die Politik. Auf der Landesebene ist dieser laut Brettschneider bei Weitem nicht so groß. Das deute darauf hin, dass Menschen in Baden-Württemberg in erster Linie nicht die AfD wählen, weil sie mit der Arbeit der Landesregierung unzufrieden sind. "Sie sind unzufrieden mit der Arbeit der Bundesregierung", so Brettschneider. Einen gravierenden Vertrauensverlust in die politischen Landesinstitutionen von Baden-Württemberg macht der Professor der Kommunikationswissenschaft nicht aus.

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Hält der Höhenflug der AfD in Baden-Württemberg an?

Ob sich der aktuelle Höhenflug der AfD auch in den Ergebnissen der nächsten Landtags- oder Bundestagswahl niederschlagen wird, lässt Brettschneider offen: "Das hängt davon ab, wie dann die konkreten Umstände im Umfeld der Wahl sind." Bei einem großen Ereignis wie einer Bundestagswahl spiele eine langfristige Bindung an eine Partei oft eine größere Rolle als mitten in der Legislaturperiode. Stimmungen bei Wählerinnen und Wählern würden von diesen langfristigen Bindungen immer mehr beeinflusst, je näher der Wahltermin rücke. Auf dieser Hoffnung ausruhen sollten sich die anderen Parteien aber nicht.

Besonders bemerkenswert findet Brettschneider, dass die "demokratische Opposition", die normalerweise in derartigen Situationen als "Blitzableiter" fungieren sollte, nicht viel stärker von den Fehlern der Bundesregierung profitiert. Das kann laut Brettschneider an fehlender Orientierung der Wählerinnen und Wähler liegen. So sei die größte Oppositionspartei im Bund, die CDU, immer noch in einem "inhaltlichen Selbstfindungsprozess". Der Unmut über die Bundesregierung fließe daher nicht in Richtung der CDU, sondern eher in Richtung der AfD. Dort würden viele Wahlberechtigte die radikalere Abgrenzung zur Bundesregierung ausmachen.

Entwicklung ist keine BW-"Besonderheit"

Laut Ministerpräsident Kretschmann tendieren die Menschen in Baden-Württemberg stärker zur AfD als in anderen westlichen Bundesländern: "Wir sind da traditionell anfälliger wie etwa Länder im Norden." Das sei schon bei den Republikanern in den neunziger Jahren so gewesen. Und 2016 habe die AfD bei der Landtagswahl aus dem Stand 15,1 Prozent geholt.

Frank Brettschneider sieht dagegen keinen baden-württembergischen Sonderweg im Wählerverhalten. "Das finden wir in anderen Bundesländern ja auch", so der Experte. Die Stimmenanteile für rechte Parteien spiegelten eher den Eindruck eines Teils der Bevölkerung wider, dass mit drängenden Problemen nicht ernsthaft genug umgegangen werde.

Bereits in der Vergangenheit habe es, meist in Verbindung mit einem kritischen Thema, rechtspopulistische Aufwallungen gegeben, zum Beispiel in Hamburg, wo von 2001 bis 2004 die rechtspopulistische Schill-Partei an der Regierung beteiligt war. "Ist das Thema dann weg, ist auch die Aufwallung wieder weg", sagt Brettschneider. Das heiße nicht, dass dann die Grundhaltung der Wählerinnen und Wähler weg wäre, aber sie werde dann nicht mehr so mobilisiert. Mobilisiert werde meist durch "Aufregerthemen", die sich rechte Parteien oft selber suchen würden. In diesem Fall sei der AfD ein solches Thema durch die Aufregung um das Gebäudeenergiegesetz der Bundesregierung aber "frei Haus" geliefert worden.

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