Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat Vorwürfe zurückgewiesen, seine Grünen seien mitverantwortlich für das Umfragehoch der AfD. "Ich glaube, das ist einfach eine unsinnige Aussage", sagte der Grünen-Politiker am Freitag im Sommerinterview von SWR Aktuell auf dem Stuttgarter Fernsehturm. Man wisse momentan noch gar nicht genau, warum die Rechtspopulisten so viel Zuspruch erhalten. Jetzt zu spekulieren und immer gleich jemandem zum "Hauptfeind oder Hauptschuldigen" zu erklären, sei unverantwortlich. "Genau deswegen hat sie so viele Wähler, weil wir alles sofort aufheizen zu einer Kulturfrage."
Die AfD war in der jüngsten repräsentativen Umfrage BW-Trend von Infratest dimap im Auftrag des SWR auf 19 Prozent gekommen, alle anderen Parteien verloren an Zuspruch. Vor allem CDU und FDP werfen den Grünen vor, mit dirigistischer Politik etwa beim Heizungsgesetz der AfD Vorschub zu leisten.
Repräsentative Umfrage BW-Trend Juli 2023 Sonntagsfrage Landtagswahl: AfD mit 19 Prozent auf Allzeithoch
Wenn bereits am nächsten Sonntag Landtagswahl in BW wäre, käme die AfD auf 19 Prozent. Alle anderen im Landtag vertretenen Parteien verlieren an Zustimmung, zeigt die neue Umfrage.
Kretschmann: "Menschen sind verunsichert"
Kretschmann sieht das Land in einer "großen Umbruchphase". Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, der Klimawandel, die Preissteigerungen und der Fachkräftemangel führten zu großen Unsicherheiten. Viele Menschen fragten sich: "Wie geht es weiter? Können wir unseren Wohlstand halten? Wie geht’s mir dabei?"
Die Grünen sähen sich aber gezwungen, den Klimaschutz voranzutreiben. "Wenn man jetzt den Klimawandel bekämpfen will und nicht nur darüber reden, dann landet man am Ende auch im Heizungskeller der Menschen." Es sei verständlich und normal, dass die Menschen zunächst mit Unverständnis reagierten. "Das finden die erstmal nicht lustig." Die Bürgerinnen und Bürger fragten sich: "Was geht die Politik erstmal an, wie ich heize?" Doch ohne Zumutungen gehe es nun mal nicht, so Kretschmann.
Grünen-Politiker sieht Demokratie nicht in Gefahr
Kretschmann sieht die Demokratie in Deutschland trotz des Aufstiegs der Rechtspopulisten aktuell nicht in Gefahr. Von einem Kipppunkt sei man "noch sehr weit entfernt". Der 75-Jährige verwies darauf, dass rechtspopulistische Parteien fast in ganz Europa auf dem Vormarsch seien. "Darum kann das nicht nur irgendwie an den Grünen in Deutschland liegen." Die Migration führe fast überall zu Problemen, man tue in Deutschland alles, um da Ordnung hereinzubekommen. "Das ist der Unterschied zur AfD. Alle demokratischen Parteien widmen sich Problemen und jazzen nicht irgendwas hoch und machen daraus eine Ideologie oder eine Glaubensfrage."
Das gesamte Sommerinterview von SWR Aktuell mit BW-Ministerpräsident Kretschmann läuft um 19:30 Uhr im SWR-Fernsehen und später online hier im Artikel und in der ARD Mediathek.