Über 130 Verdachtsfälle

Rechte Chatgruppen und "Reichsbürger"-Verdacht: Immer wieder BW-Polizisten im Blickfeld

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Julia Kunert

Über 130 Polizisten in Baden-Württemberg standen in den vergangenen vier Jahren unter dem Verdacht, rechtsextrem zu sein. Das teilte das Innenministerium auf SWR-Anfrage mit.

Gegen mindestens 400 Polizeibeamte der Länder laufen aktuell Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf rechtsextreme Gesinnung oder Unterstützung einer Verschwörungsideologie. Das geht aus einem Bericht des "Stern" hervor. Die tatsächliche Zahl dürfte deutlich höher liegen, da mit Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Bremen und Thüringen vier Bundesländer keine aktuellen Zahlen liefern konnten. 

In Baden-Württemberg wurden in den vergangenen vier Jahren (1. Januar 2020 bis 31. Dezember 2023) gegen insgesamt 132 Polizeibeamte und Polizeibeamtinnen Disziplinarverfahren wegen des "rechtsextremistischen Verdachtsfalles" eingeleitet, teilte das Innenministerium auf SWR-Anfrage mit. Vier der Beamten standen im Verdacht, der Szene der "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" anzugehören. Ermittlungen aufgrund anderer extremer Gesinnungen wurden nicht genannt. Auch wie viele der Ermittlungsverfahren noch laufen, wird laut Ministerium nicht erhoben. Verfahren können sich demnach über mehrere Jahre ziehen.

Doppelte Prüfung bei Auswahlverfahren soll Fälle mindern

Berichte über mögliche Extremisten und "Reichsbürger" in den Reihen der Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern gibt es seit Jahren immer wieder. Das baden-württembergische Innenministerium stand zuletzt wegen zahlreicher Ermittlungsverfahren gegen rechte Chatgruppen in den Schlagzeilen. Dutzende Polizeibeamte mehrerer Polizeipräsidien des Landes waren an Chatgruppen beteiligt, in denen unter anderem Hitler-Bilder und rechte Hetze verbreitet wurden.

Um extremistische Gesinnungen bereits vor Dienstantritt auszuschließen, prüfe das baden-württembergische Innenministerium Bewerber und Bewerberinnen in einem mehrstufigen Auswahlverfahren auf deren "charakterliche Eignung". So werde neben der verpflichtenden Vorlage des polizeilichen Führungszeugnisses eine zweifache Zuverlässigkeitsüberprüfung durchgeführt.

Zudem müssen die Polizeianwärter laut Innenministerium jegliche Beteiligung an "Strukturen mit verfassungsfeindlichen Bestrebungen" in ihren Bewerbungsunterlagen darlegen. "Die Polizei Baden-Württemberg verfolgt bei rassistischem, diskriminierendem und extremistischem Verhalten jeder Art eine Null-Toleranz-Strategie und geht jedem internen Verdachtsfall entschieden nach", teilte ein Sprecher des Innenministeriums mit.

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Polizeibeauftragter des Bundes: "Gefahr so groß wie nie"

Fallen Polizeibeamte im Dienst etwa durch rassistische, antisemitische oder nationalistische Äußerungen auf, wird laut Innenministerium in einem Disziplinarverfahren ermittelt. Den Beamten drohe dann ein Verweis, im Härtefall würden sie aus dem Beamtenverhältnis ausgeschlossen.

Trotz aller Maßnahmen muss das Innenministerium rechtsextreme Gesinnungen immer wieder in den eigenen Reihen verfolgen. Der Polizeibeauftragte des Bundes beim Deutschen Bundestag, Uli Grötsch (SPD), sieht ein enormes Bedrohungspotenzial: "Wir leben in Zeiten, in denen von Rechtsextremen gezielt versucht wird, die Polizeien zu destabilisieren", sagte Grötsch dem "Stern".

Dem will man im BW-Innenministerium entgegenwirken: "Erhalten die Dienststellen und Einrichtungen der Polizei Baden-Württemberg Erkenntnisse über extremistisches Verhalten von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, werden straf- und dienstrechtliche Maßnahmen unmittelbar und konsequent geprüft", so ein Sprecher des Innenministeriums.

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