Nach Angriffen aus Grünen-Fraktion

Zoff um Antidiskriminierungsgesetz: Kretschmann nimmt Staatskanzlei-Chef in Schutz

Stand
Autor/in
Henning Otte
SWR-Reporter und -Redakteur Henning Otte, SWR Landespolitik

Wie weiter mit dem Antidiskriminierungsgesetz? Eigentlich wollten Ministerpräsident Kretschmann und sein Staatsminister das Vorhaben fallen lassen. Doch nach harschem Grünen-Protest dürfte es einen Kompromiss geben.

Nach massiver Kritik aus der Grünen-Fraktion am Chef der Staatskanzlei, Florian Stegmann, hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) seinen engsten Mitarbeiter und Parteifreund in Schutz genommen. Stegmann sei ihm eine "große Stütze", sagte Kretschmann am Dienstag in Stuttgart. Er sei die "Gelenkstange" der Regierung und der Koalition und mache seinen Job "sehr kompetent, sehr engagiert, immer mit mir abgestimmt. Der weiß genau, was ich will, was ich denke."

Aus Grünen-Fraktion wurde Stegmann hart angegriffen

Stein des Anstoßes in der Grünen-Fraktion war, dass Stegmann per Brief an den Fraktionschef der Grünen, Andreas Schwarz, gefordert hatte, das Gesetz gegen Diskriminierung wegen drohender zusätzlicher Bürokratie fallen zu lassen. In der Fraktion war danach von einem "beispiellosen In-den-Rücken-Fallen" die Rede. Vereinzelt wurde sogar ein Rückzug Stegmanns ins Gespräch gebracht.

Anfang Oktober erntete die Entscheidung des BW-Ministerpräsidenten, das Gesetz gegen Diskriminierung fallen zu lassen, auch Kritik von der Antidiskriminierungsbeauftragten des Bundes, Ferda Ataman:

Kretschmann steht zu Inhalt des Briefes

Kretschmann sagte dazu, auf anonyme Forderungen aus der Fraktion gehe er nicht ein. Aber hatte Stegmann den Brief mit ihm abgestimmt oder nicht? "Diesen Brief hat er selbstständig geschrieben, im Wissen, dass ich den Inhalt teile. Dass da kein Missverständnis besteht." In dem Schreiben forderte der Staatsminister den Grünen-Fraktionschef auf, auf diesen Punkt im Koalitionsvertrag zu verzichten. Auf die Frage, warum Stegmann überhaupt einen Brief an den Parteifreund verfasst hat, sagte Kretschmann: "Das muss man nicht, aber das hat er nun mal gemacht."

Kretschmann: Können dramatische Einwände nicht ignorieren

In der Sache sagte Kretschmann, es gebe gravierende Vorbehalte gegen das Gesetz aus den Kommunen. Der Normenkontrollrat habe sogar "dramatische Einwände" geltend gemacht. "Das kann ich doch nicht einfach ignorieren." Über den Gesetzentwurf werde jetzt neu verhandelt - zwischen Regierung und Grünen-Fraktion, mit der CDU und mit den Kommunen.   

CDU will bis Ende der Wahlperiode mit Stegmann zusammenarbeiten

Zuvor hatte der Koalitionspartner CDU Stegmann ebenfalls den Rücken gestärkt. Man arbeite mit Stegmann "sehr gut und vertrauensvoll zusammen", sagte CDU-Partei- und Fraktionschef Manuel Hagel dem SWR. "Wir können uns auf sein Wort verlassen und er ist zusammen mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann eine Säule für Vernunft und Augenmaß."

Hagel betonte zudem, Stegmann sei "wichtig für die Arbeitsfähigkeit der Koalition. Deshalb wollen wir bis zum Ende der Legislatur konstruktiv mit ihm zusammenarbeiten". Die CDU stellt sich offensichtlich auch deshalb hinter Staatsminister Stegmann, weil sie - wie er - das geplante Gleichbehandlungsgesetz ablehnt.

Nachdem der SWR vergangene Woche den internen Brief Stegmanns öffentlich gemacht hatte, hatte Hagel wie auch Kommunen und Wirtschaft erklärt, es sei wichtig, Bürokratie abzubauen und nicht neue aufzubauen. "Zu diesen beiden wichtigen Zielen stand aus unserer Sicht das Gleichbehandlungsgesetz schon immer in einem Widerspruch."

Florian Stegmann, Staatsminister und Chef der Staatskanzlei in Baden-Württemberg.  Archivbild
Florian Stegmann ist Staatsminister im Geschäftsbereich des Ministerpräsidenten und Chef der Staatskanzlei.

Kretschmann sucht Ausweg aus Dilemma

Es wird damit gerechnet, dass Kretschmann bis Ende der Woche eine Lösung präsentiert. Dann trifft er sich mit Vertretern von Kommunen und Wirtschaft in der sogenannten Entlastungsallianz, die den Abbau von Bürokratie zum Ziel hat.

Nach dem Stegmanns Brief öffentlich geworden war, hatte die Regierungszentrale vergangenen Dienstag das ursprüngliche Nein zu dem Gesetz zu relativiert. "Wir stehen weiter darüber im Austausch, wie wir die Ziele des Gleichbehandlungsgesetzes wirksam und unbürokratisch erreichen", teilte ein Sprecher mit. Was dies genau bedeutet, blieb offen. In Regierungskreisen hieß es, Kretschmann sei schon länger der Meinung ist, dass das Gesetz nicht mehr in die Zeit passe. Nach dem Protest aus der Grünen-Fraktion soll er aber mehrere Krisengespräche geführt haben, um eine Lösung zu finden.

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Kommunen warnen vor Rolle rückwärts

Die Kommunen warnten Kretschmann davor, das Gesetz nun doch noch zu beschließen. Joachim Walter (CDU), Präsident des Landkreistags, sagte dem SWR: "Bürokratieabbau ist nicht nur etwas für Sonntagsreden. Daher muss es gelingen, das vom Normenkontrollrat als kropfunnötig eingestufte Gleichbehandlungsgesetz abzumoderieren."   

Gleichbehandlungsgesetz steht im Koalitionsvertrag  

Laut dem ersten Gesetzentwurf sollen sich Bürgerinnen und Bürger künftig leichter gegen eine Benachteiligung durch Behörden wehren können. Vor einem Dreivierteljahr hatte die Regierung den ersten Entwurf aus dem CDU-geführten Innenministerium gebilligt. Das Vorhaben war vor allem auf Drängen des linken Grünen-Flügels im Koalitionsvertrag gelandet. Danach soll das Recht auf Gleichbehandlung auch beim Finanzamt, in der Ausländerbehörde oder auf dem Polizeirevier gelten. Damit hätte das Land das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz des Bundes ergänzt, das auf den privaten Bereich zielt - wie etwa die Gleichbehandlung bei der Wohnungssuche oder am Arbeitsplatz.

Anspruch auf Schadenersatz vorgesehen

Durch das Gesetz sollten die Betroffenen erstmals einen gesetzlich verankerten Schadens- und Schmerzensgeldanspruch bekommen, wenn sie durch eine Behörde oder öffentliche Stelle diskriminiert werden. Dabei war eine sogenannte Beweislast-Erleichterung geplant. Das heißt, wenn es klare Indizien für eine Benachteiligung gibt, müsste die Behörde nachweisen, dass keine Diskriminierung stattgefunden hat. Anders als etwa im Land Berlin sollte es aber kein Verbandsklagerecht und auch keine Beweislastumkehr geben.

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