Im Schienenverkehr in Baden-Württemberg kam es 2022 zu 342 gefährlichen Ereignissen. Das teilte die Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung auf SWR-Anfrage mit. Statistisch gesehen gab es im Schnitt also fast jeden Tag einen gefährlichen Bahnvorfall. Am häufigsten gab es Vorfälle bei stehenden Zügen - wenn etwa Türen plötzlich aufgingen, wie ein Sprecher der Bundesstelle sagte. Bundesweit gab es 2.615 solcher Vorfälle.
Offene Schranken in Grünsfeld wegen Personalmangels
Wie gefährlich das werden kann, zeigt sich in der Stadt Grünsfeld (Main-Tauber-Kreis): An einigen Tagen im November stehen hier die Schranken an den Bahnübergängen offen, Züge rollen hupend vorbei, um lautstark vor sich zu warnen. Denn die ursprünglichen, automatischen Schranken sind defekt und die neu aufgestellten müssen von Hand betrieben werden. Doch das Personal dafür fiel in den letzten Wochen immer wieder aus.
Für Bürgermeister Joachim Markert (CDU) ist die Situation nicht haltbar. Gut 60 Züge rollten täglich durch Grünsfeld. Da habe es seitdem durchaus gefährliche Situationen gegeben. So erzählt er dem SWR von einem Notarzt, der ihm kürzlich berichtet habe, er sei nachts über die offenen Gleise gefahren und habe nur aus den Augenwinkeln gesehen, dass sich ein Zug näherte.
Große Sorgen macht sich Markert vor allem um die Schulkinder im Ort, die mit dem Zug nach Lauda fahren: "Hier stehen morgens und am späten Nachmittag ungefähr 200 Kinder. Die Schranken bleiben teilweise 25 Minuten lang geschlossen, doch die Kinder wollen nicht warten. Wenn die Schranke geschlossen ist, sie sehen keinen Zug kommen und auf der anderen Seite wartet die Mama oder der Bus - dann laufen die natürlich auch bei geschlossenem Bahnübergang über die Schienen."
Laut der Deutschen Bahn ist man "in der Regel" durchgängig vor Ort. Krankheitsfälle hätten aber dafür gesorgt, dass das im November nicht immer der Fall war. Bis zum April 2024 bleiben die Übergänge aber in diesem Zustand. Für die Grünsfelder bleibt die Gefahr also weiterhin bestehen.
Zu viel Verkehr bei zu wenig Investitionen Darum gibt es bei der S-Bahn Stuttgart so viele Probleme
Störungen, Verspätungen, Zugausfälle - nichts neues bei der S-Bahn Stuttgart. Tatsächlich kann man im Stuttgarter Netz sehen, welche Probleme die Bahn in ganz Deutschland hat.
Unfälle mit Autos auf Bahnübergängen: 2022 sieben Tote im Land
Dass Bahnübergänge wie in Grünsfeld nicht ungefährlich sind, belegen auch Zahlen des Statistischen Landesamts. Demnach gab es in Baden-Württemberg im vergangenen Jahr 233 Unfälle mit Autos auf Schienenübergängen. Dabei wurden 50 Menschen schwer verletzt, sieben kamen ums Leben.
Die Deutsche Bahn betont, man vernachlässige die Sicherheit nicht. Die Bahn sei und bleibe das sicherste Verkehrsmittel in Deutschland. In Bezug auf Zahlen des Statistischen Bundesamts heißt es, daran habe sich trotz stetig wachsender Verkehrsmengen nichts geändert.
Lokführer klagt über Angstzustände: "Man beseitigt den Mangel nicht"
Eine solche Gefahrensituation sei keine Ausnahme, bestätigt ein Lokführer, der sich anonym an die SWR-Redaktion von "Zur Sache Baden-Württemberg" gewandt hat. Überall dort, wo Schranken nicht funktionieren, Brücken Schäden aufweisen oder die Schienen locker sind, werden die Lokführer gebeten, langsamer zu fahren. "Die Langsamfahrstellen nehmen immer mehr zu", sagt der Lokführer. "Da gibt es eine Steigerung von Jahr zu Jahr. Aber man beseitigt den Mangel nicht."
Hier sehen Sie die ganze Sendung "Zur Sache Baden-Württemberg" vom 7. Dezember 2023.
Der Mann gibt zu: Er habe bei der Arbeit Angstzustände - etwa wenn eine Lokomotive beim Beschleunigen oder bei hoher Geschwindigkeit wackle. Ein Unfall wie 2022 in Garmisch-Partenkirchen sei jederzeit erneut denkbar, auch in Baden-Württemberg. In Garmisch-Partenkirchen entgleiste im Juni 2022 ein Zug, fünf Menschen starben, Dutzende wurden verletzt.