Die Legalisierungspläne von Cannabis, die am Mittwoch von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) vorgestellt wurden, werden in Baden-Württemberg ganz unterschiedlich aufgenommen. Während Suchberatungsstellen die Pläne begrüßen, ist die Enttäuschung bei potentiellen Händlern groß.
"Ich bin ziemlich ernüchtert. Das ist eine betriebswirtschaftliche Katastrophe", sagt Andreas Leitz, der erst im Dezember 2022 in der Stuttgarter Innenstadt einen Hanf-Shop eröffnet hat. Bislang werden dort legale Hanfprodukte verkauft. Doch der Hintergedanke bei der Eröffnung war ganz klar, dass man dort perspektivisch auch Cannabis verkaufen kann.
Dafür hatte Leitz viel Geld in das Geschäft in bester Lage investiert und sich ein großes Netzwerk an potentiellen Lieferanten aufgebaut. Doch nun fragt sich der promovierte Maschinenbauer, ob er den Laden überhaupt weiterführen kann.
Denn der Verkauf von Cannabis oder Cannabis-Produkten wäre wohl deutlich lukrativer als nur der Absatz von Hanf. Ob sich das Geschäft ohne diese einkalkulierten Einnahmen tragen würde, ist fraglich. Finanziell wäre die Aufgabe zum aktuellen Zeitpunkt auf jeden Fall ein Verlustgeschäft.
Vorerst keine lizensierten Fachgeschäfte für Cannabis
Für Leitz besonders bitter: Ursprünglich hatte die Ampel-Koalition lizensierte Fachgeschäfte angedacht, in denen Cannabis legal ab 18 Jahren verkauft werden sollte. Genau darauf hatte er gebaut. Doch davon sehen Lauterbach und Özdemir nun ab. Wohl auch, weil das eventuell schwer mit EU-Recht vereinbar gewesen wäre.
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Özdemir: "Die bisherige Verbotspolitik ist komplett gescheitert"
Vielmehr ist nun die Abgabe unter staatlicher Kontrolle ein zentraler Aspekt des Gesetzentwurfes - gerade mit Blick auf den Jugendschutz. "Die bisherige Verbotspolitik ist komplett gescheitert", sagt Özdemir dem SWR. Man müsse diesen "Irrsinn" mit "katastrophalen Ergebnissen" beenden. Nun gelte es, den neuen Weg einzuschlagen: "Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass unser Weg die besseren Resultate zeigen wird."
Auch Bernd Klenk, Geschäftsführer der Suchberatungsstelle "release Stuttgart", kann der angedachten Legalisierung einiges abgewinnen. "Wir müssen akzeptieren, dass Menschen Drogen konsumieren", sagt er. "Die Idee, dass man durch das Verbot verhindert, dass Menschen sich dafür interessieren, ist gescheitert."
Experte: Stärke von Schwarzmarkt-Cannabis ist ein Problem
Das Verbot habe nicht dazu geführt, dass die Menschen weniger Cannabis konsumiert hätten - im Gegenteil. Wer Cannabis konsumieren will, bekommt es laut Klenk schon heute ohne Probleme - auch Jugendliche. Der unregulierte Verkauf über den Schwarzmarkt sei gerade hinsichtlich des Wirkstoffes, also der Stärke, als auch der Beimischung anderer Substanzen besonders problematisch.
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In Cannabis gemischte Substanzen können gefährlich sein
Schließlich werde Cannabis auf dem Schwarzmarkt oft gestreckt, beispielsweise mit anderen Kräutern oder bleihaltigen Komponenten, so Klenk. "Dadurch entstehen zusätzliche gesundheitliche Gefahren", sagt er. "Da sehen wir eine Möglichkeit, dass es nun 'gesünder' konsumiert werden kann als das jetzt der Fall ist." Der Experte sagt aber auch: "Es bleibt dabei, dass Cannabis-Konsum nicht gesund ist." Es komme aber immer auf die Dosis und vor allem den generellen Umgang an.
Daher rechnet Klenk auch nicht damit, dass sich für die Cannabis-Süchtigen durch die neue Rechtslage viel an ihrer Sucht ändern wird. Natürlich würden sie dadurch nun entkriminalisiert. Die Abhängigkeit bleibe aber bestehen. Allerdings hofft Klenk, dass sich Süchtige nun früher an Beratungsstellen wenden, wenn sie die gesellschaftlichen Restriktionen weniger fürchten müssen.
Suchtexperte glaubt nicht an mehr gesundheitliche Schädigungen
Die immer wieder geäußerte Kritik, dass wegen der Legalisierung unter anderem mehr Menschen in Deutschland Cannabis konsumieren könnten, teilt der Suchtexperte nicht. "Es wird sicher mehr Leute geben, die das konsumieren, weil es gesellschaftsfähriger ist und man es in der Öffentlichkeit tun darf", sagt er. "Es heißt aber nicht, dass dadurch zwangsläufig mehr Leute Schädigungen bekommen."
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Zudem werde es darauf ankommen, in welchen Produkten Cannabis zur Verfügung gestellt werde. Wenn es in Form von Keksen, Sprays oder anderweitig angeboten werde, könnte die Zielgruppe wachsen, glaubt Klenk. Solange nur das Cannabis an sich verkauft werde, sieht der Suchtexperte das weniger problematisch. "Viele Leute, die nicht rauchen, werden auch nicht kiffen", sagt er. Letztlich werde es darum gehen, dass man einen gesunden Umgang damit finde - wie in anderen Bereichen auch.
Experte fordert Ausweitung der Präventions-Maßnahmen
Dazu gehört für Klenk auch die Ausweitung der Präventionsmaßnahmen und der niederschwelligen Angebote vor Ort - gerade mit Blick auf Kinder und Jugendliche. Schließlich seien Abhängigkeiten und Psychosen die größte Gefahr bei übermäßigem Konsum, so Klenk.
Dass dem Jugendschutz im Gesetzentwurf eine hohe Bedeutung beigemessen wird, unterstützt auch Lukas Schwarz. Er hat in Ludwigsburg das "Cannameleon" mitbegründet. Der Shop hat sich auf legale Hanfprodukte und CBD-Waren spezialisiert. Letztere werden aus Cannabidiol, einem Bestandteil der weiblichen Hanfpflanze, hergestellt.
THC in Bonbons, Gummibären oder Getränken?
Der nun von Özdemir und Lauterbach vorgestellte Entwurf sei nachvollziehbar, sagt Schwarz. Allerdings ist für ihn existentiell, dass irgendwann der Verkauf von Cannabis in Fachgeschäften hinzukommt. Gerade in THC-Produkten, wie Bonbons, Gummibärchen oder Getränken, sieht er viel Potential. Daher wäre auch das "Cannameleon" schon jetzt gerne ein lizensiertes Fachgeschäft geworden.
Sollte das mittelfristig nicht möglich sein, sieht auch Schwarz die Zukunft seines Geschäftes gefährdet. "CBD wird wahrscheinlich auch langfristig ein Thema sein. Ob sich das dann noch rentiert, wage ich zu bezweifeln", sagt er.
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Shopbetreiber hofft auf Modellprojekte
Daher hofft der Unternehmer nun zumindest Teil eines Modellprojektes zu werden. Bei diesen könnten in einigen ausgewählten Städten kommerzielle Lieferketten ausprobiert und wissenschaftlich begleitet werden. Von der Produktion über den Vertrieb bis hin zum Verkauf. Dann könnten die Einwohnerinnen und Einwohner der jeweiligen Stadt - allerdings nur diese - auch in Shops Cannabis erwerben. Allerdings muss für diese Modellprojekte auch die EU ihre Zustimmung geben. Und die ist laut Bundesgesundheitsminister Lauterbach durchaus fraglich.