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Rechtspopulismus in Ostdeutschland – Die Mauer in den Köpfen

Stand
Interview
Ralf Caspary
Onlinefassung
Susanne Paluch

Der Bielefelder Soziologe Wilhelm Heitmeyer untersucht seit Jahren die politischen Einstellungen und den Wertewandel in Deutschland Ost und West. Im Gespräch mit Ralf Caspary erläutert er beunruhigende Ergebnisse.

Was bedeutet "autoritärer Nationalradikalismus"?

"Das Autoritäre zielt auf ein Gesellschaftsmodell mit einem Kontroll-Paradigma, man wünscht sich eine rigide Führung, eine hierarchische soziale Ordnung und klare Freund-Feind-Schemata. Das ist das erste Element.

Das zweite ist das Nationale bzw. Nationalistische. Da geht es um einen Überlegenheitsanspruch des deutschen Volkes, das Deutschsein wird zum zentralen Identitätsanker gemacht.

Das dritte Element ist der Radikalismus: Grenzüberschreitung, Ausgrenzung von Andersdenkenden, Mobilisierung gegen Schwache und dergleichen mehr bis hin zum Systemwechsel. Es geht um eine Umstellung des politischen Systems auf eine autoritäre und geschlossene Gesellschaft.

Wann spitzte sich dieser Nationalradikalismus in Ostdeutschland zu?

Insbesondere nach der Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 ist das Einstellungsmuster deutlich angestiegen, verbunden mit einem Anstieg individueller Gewaltbereitschaft und erhöhter Demonstrationsbereitschaft. Es ging den Menschen um das Einklagen und Beklagen von Einflusslosigkeit, sie fühlten sich nicht wahrgenommen von den etablierten Parteien.

Wahlpolitisch gesehen ist das autoritäre Einstellungspotential vagabundierend zwischen unterschiedlichen Parteien hin- und hergewandert, mal war es bei der SPD, mal bei der CDU, in manchen Ländern, auch damals in Sachsen beispielsweise, bei der NPD.

Dann hat sich 2015 die AfD sehr stark verändert und ist nach rechts gerückt. Plötzlich hatte dieses Einstellungspotential einen politischen Ort, an dem es andocken konnte.

Was sind die Ursachen dieses Einstellungsmusters?

Es geht um das Gefühl der Ohnmacht, das Gefühl, nicht mehr ernst genommen zu werden, man fühlt sich als Bürger zweiter Klasse. Und es ist geradezu logisch, wenn man diese Ohnmachtserfahrungen kompensiert mit Hassgefühlen gegenüber Minderheiten und Machtfantasien, die wiederum aus dem Ideal eines starken Deutsch-Seins resultieren.

Für die Ohnmachtserfahrungen ist ein globalisierter Kapitalismus mit verantwortlich, der an sozialer Integration und Gerechtigkeit nicht interessiert ist, der dazu geführt hat, dass sich viele Ostdeutsche abgehängt fühlen, dass sie nicht am Wohlstand partizipieren dürfen.

Schätzen die etablierten Parteien diesen Radikalismus richtig ein?

"Nein, inzwischen bekommen sie natürlich das Flattern, das ist ja keine Frage. Sie haben es ganz lange unterschätzt. Ich und meine Kollegen haben immer versucht, darauf aufmerksam zu machen, dass es gefährliche Mentalitätsverschiebungen in der Bevölkerung gibt.

Besonders für die konservativen Parteien waren unsere Untersuchungsergebnisse, die man ja überall nachlesen konnte, immer nur Bielefelder Alarmismus, da sei nichts dran, wir haben das alles im Griff. Das Problem wird immer noch unterschätzt." (Wilhelm Heitmeyer)

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