SWR2 Wissen

Mücken – Nützliche Plagegeister

Stand
Autor/in
Vera Pache
Vera Pache
Onlinefassung
Maurice Pflug
Gábor Paál
Gábor Paál

Trotz des Insektensterbens: Mücken bekämpfen wir. Sie sind lästig. Manche übertragen sogar Krankheiten. Ihr ökologischer Nutzen wird oft übersehen.

Blutmahlzeit für die Reifung der Eier: Nur Weibchen stechen!

Mücken sind nicht gerade beliebte Insekten. Sie gelten als lästig – ihre Stiche sowieso. Doreen Werner vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung in Müncheberg betrachtet den für Menschen unangenehmen Stich als eine für die Mücke notwendige Blutmahlzeit. Notwendig ist sie für die Reifung der Eier. Darum stechen auch nur die Weibchen.

Die meisten Mückenarten stechen nicht!

Überhaupt stechen nur wenige Mückenarten: „Wir haben in Deutschland 28 Mückenfamilien. Und nur vier von diesen Familien sind in der Lage, eine Blutmahlzeit aufzunehmen“, sagt Doreen Werner.

Diese vier Familien sind die Stechmücken, die Gnitzen und die Kriebelmücken, die fast überall in Deutschland vorkommen, sowie die Schmetterlings-Mücke. Sie findet man nur an manchen Orten in Süddeutschland .

Echte Schnaken stechen nicht

In Süddeutschland werden Stechmücken oft auch als „Schnaken“ bezeichnet. Wissenschaftlich ist das nicht korrekt. Denn Schnaken im zoologischen Sinn stellen eine der 28 Mückenfamilien dar, die auf Grund ihrer reduzierten Mundwerkzeuge gar nicht keine Blutmahlzeit aufnehmen kann.

Stechmücken werden gezielt biologisch bekämpft

Mücken sind derart ungeliebt, dass entlang des Oberrheins jedes Jahr die KABS ausrückt, die Kommunale Arbeitsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage. Sie machen die Brutstätten ausfindig und füttern die Larven mit einem für die Mücken tödlichen Eiweiß, das von BTI-Bakterien gebildet wird.

KABS: „Mückenbekämpfung ist ökologisch verträglich“

Auch Mücken aus anderen Familien, etwa die Zuckmücke, sterben, wenn sie das BTI-Eiweiß zu sich nehmen. Zuckmücken sind eine wichtige Nahrungsgrundlage für Vögel, Fische, Amphibien und Fledermäuse. Sie sterben aber erst bei einer deutlich höheren Dosierung, sagt Dirk Reichle von der KABS. Die KABS betont, dass das BTI-Eiweiß biologisch und umweltverträglich sei. Außerdem bemühe man sich, zielgerichtet vorzugehen: „Und da wir ja auch gezielt applizieren, GPS gesteuert und diese Brutstätten von Mücken aussparen, ist diese Bekämpfung extrem sensibel und auch ökologisch sensibel.“

Eine Mitarbeiterin der Firma Icybac sprüht in einem Garten den Mückenbekämpfungsstoff BTI. Das Unternehmen, eine Tochter der KABS, kümmert sich um die Bekämpfung der Stech- und Tigermücke
Eine Mitarbeiterin der Firma Icybac sprüht in einem Garten den Mückenbekämpfungsstoff BTI. Das Unternehmen, eine Tochter der KABS, kümmert sich um die Bekämpfung der Stech- und Tigermücke

Kritiker: Mückenbekämpfung gefährdet möglicherweise die Artenvielfalt

Die Universität Koblenz-Landau untersuchte die Auswirkungen von BTI auf Zuckmücken des Oberrheins und stellte eine Rückläufigkeit von bis zu 50 Prozent fest. Carsten Brühl, ein Umweltwissenschaftler dieser Universität, betont ebenso wie Doreen Werner, wie wichtig neben der Zuckmücke auch die Stechmücke als Nahrungsgrundlage für andere Tiere ist. Dem widersprach Norbert Becker, der wissenschaftliche Direktor der KABS, in einem Interview des SWR von 2017.

Carsten Brühl von der Uni Koblenz-Landau findet es bedenklich, dass das BTI zum Teil in Schutzgebieten angewendet wird, ohne dass, seiner Meinung nach, ausreichende Studien der Folgen vorliegen: „Ich meine, wir melden also tatsächlich ein Schutzgebiet an die EU und sagen: In diesem Schutzgebiet da kümmern wir uns um die Auen, Fauna und Flora, und gleichzeitig wenden wir ein Biozid an ohne Untersuchung. Das ist eigentlich unglaublich.“

Angst vor Krankheiten: Tigermücke entfachte die Diskussion neu

Nach dem Aussterben der Malaria in Deutschland verschwand auch das Interesse an Mücken. Seit 2011 die Tigermücke in Baden-Württemberg entdeckt wurde, erfährt das Thema wieder größere Aufmerksamkeit. Interessierte können ihre Mückenfunde an Doreen Werner senden. Ursprünglich ging es auch hierbei um die Tigermücke, die aber fast nie korrekt erkannt wird. Daher hat sie am Leibniz-Institut begonnen, einen ganzen Mückenatlas zu erstellen und freut sich über Informationen aus der Bevölkerung.

Noch keine neuen Virenerkrankungen durch eingewanderte Mücken

2019 ließ die Kaufmännische Krankenkasse eine repräsentative Umfrage zu Mücken durchführen. 43 Prozent der Befragten sagten, dass sie Angst vor Krankheiten haben, die durch eingeschleppte, exotische Mücken übertragen werden könnten.

Doch bislang sind die Tigermückenpopulationen noch sehr klein. Alle derzeit hierzulande zirkulierenden Viren stammen von einheimischen Stechmückenarten. Doch auch diese können neue Viren übertragen. So wurde 2019 erstmals das West-Nil-Virus bei einem Menschen festgestellt – übertragen von einer einheimischen Stechmücke. Für Menschen fehlt hierfür bislang ein Impfstoff. Auch das ist ein Argument dafür, die Stechmückenpopulation zu reduzieren.

So sieht sie aus: die Asiatische Tigermücke.
Die Asiatische Tigermücke wurde 2011 in Baden-Württemberg entdeckt

Die Gefahr neuer Krankheiten, die durch neue Stechmücken oder bereits einheimische Arten übertragen werden könnten, muss mit der Gefahr für die Artenvielfalt der Biotope abgewogen werden. Die Frage, was schwerer wiegt, ist nicht leicht zu beantworten und wird in Zukunft wohl aktuell bleiben.

SWR 2020 / 2022

Stiche, Bisse, Allergien So gefährlich sind Tigermücken und andere Insekten wirklich

Nicht nur heimische Stechmücken plagen uns im Sommer. Auch die tropische Tigermücke breitet sich in Deutschland aus. Wir erklären, wie man sich vor Insektenstichen schützen kann.

Doc Fischer SWR Fernsehen

Insekten: aktuelle Beiträge

Feature Glück für einen allein gibt es nicht – Klangbilder einer Agrikulturlandschaft

Die Gegend um das Dorf Brodowin hat sich radikal verändert, seit hier Biolandwirtschaft betrieben wird. Das kann man auch hören. Nicht nur die Vögel sind zurück. Ein Klangbild.
Von Kirsten Reese und Anselm Weidner| SWR 2024

Feature SWR Kultur

Umwelt Mikroplastik aus Reifenabrieb: unterschätztes Problem auch für Gewässer

Der Abrieb von Autoreifen ist eine der größten Quellen für Mikroplastik in der Umwelt. Eine Studie hat an Zuckmücken untersucht, wie Reifenabrieb Lebewesen in Süßwasser-Ökosystemen schadet. Ein Ergebnis: sie können sich schlechter fortpflanzen.

Impuls SWR Kultur

Natur und Umwelt: aktuelle Beiträge

Diskussion Weihnachtsfreude, Weihnachtsstress – Warum wir uns beschenken

Haben Sie Ihre Geschenke schon beisammen? Schenken Sie gerne? Lassen Sie sich gerne beschenken? Oder haben Sie beschlossen: Diesmal schenken wir uns nichts? Warum überreichen sich Menschen überhaupt Geschenke, und was gilt es dabei zu beachten? Bernd Lechler diskutiert mit Susanne Kippenberger – Journalistin, Prof. Dr. Sascha Münnich – Wirtschaftssoziologe, Catherine Newmark -Philosophin und Journalistin

Forum SWR Kultur

Umwelt Bio-Backpapier und Cellophan-Tüte: Darf das wirklich in den Kompost?

Backpapier, Tüten, Folien, Geschenkpapier… Zu Weihnachten sorgen wir auch für viel Müll. Herkömmliches Backpapier ist für die Umwelt schlecht – wegen der Beschichtung. Aber dürfen „kompostierbare“ Alternativen wirklich in die Biotonne?
Stefan Troendle im Gespräch mit Dominik Bartoschek, SWR-Redaktion Umwelt und Klima

Impuls SWR Kultur