In diesem Mitschnitt setzt sich die relativ ruhige politische Aussprache des Vortags deutlich turbulenter fort. Es ist die 62. Sitzung des Reichstags. Die Aufnahme beginnt nach einer langen Rede des Abgeordneten Dr. Paul Bang (DNVP), der einen Anstieg der Steuerlast um fast 50 Prozent in den letzten 7 Jahren und die "Wucherzinsen" anprangert. "Kapitaleinfuhr heißt Wareneinfuhr, und Wareneinfuhr heißt Einfuhr fremder Arbeit." Bang wirft dem Brüning-Kabinett vor, sich hinter der Weltwirtschaftskrise zu verstecken. Friedrich Baltrusch (Volksnationale Reichsvereinigung/VR) sagt, seine Partei stimme dem Gesetz über Schuldentilgung und Kreditverlängerung zu.
Mit dem dritten Redner, Gregor Strasser von der NSDAP, beginnt die Tonaufzeichnung. Er streift Themen wie die "sinnlose" Pro-Kopf-Verschuldung weltweit, die Mobilisierung der Arbeitskraft und den sowjetischen "Arbeitszwang", wie ihn angeblich die Kommunisten wollten.
Hermann Göring sieht "Danzig von den Polen bedroht"
Nach ihm spricht Hermann Göring (NSDAP) der Regierung zum wiederholten Mal das Misstrauen aus. Er meint, Danzig sei von den Polen bedroht, und Frankreich rüste – im Gegensatz zum faschistischen Italien – auf. Das Verbot der SA hält er für eine "moralische Abrüstung des Freiheitswillens durch die Regierung". Seine lange Ansprache gipfelt in der Aussage: "Wir haben die Demokratie nicht geschaffen, wir haben sie nicht gewünscht."
Reichswehrminister Groener rechtfertigt das Verbot der SA und löst Protest aus
Reichswehrminister Wilhelm Groener rechtfertigt unter lautem Protest der NSDAP-Fraktion das Verbot der SA. Gregor Strasser findet die Rede so empörend, dass er im Namen seiner Fraktion die Verbreitung der Rede über Schallplatten beantragt. In scharfen Worten greift er Groener an. Er wird verwarnt und schließlich des Saales verwiesen. Nach einer Unterbrechung der Sitzung nimmt Parlamentsvizepräsident Thomas Esser den Saalverweis Strassers zurück.
Beziehung der Reichsregierung zum Rundfunk
Hans Bell (Zentrum) wehrt sich gegen die geforderte Aufhebung des Verbots der NS- und kommunistischen Kampforganisationen. Er spricht anschließend über die Beziehung der Reichsregierung zum Rundfunk und weist die Kritik am Reichspräsidenten Hindenburg zurück, in einer Rundfunkansprache Parteipolitik für das Brüning-Kabinett betrieben zu haben. Bell lehnt eine Auflösung des Parlaments und das Ausrufen von Neuwahlen ab, weil dies den Wählern nach drei Wahlgängen nicht mehr zuzumuten sei.
Hans Bells Rede geht noch lange weiter, die Aufnahme aber endet hier. Offizielles Ende der 62. Sitzung war um 19 Uhr 59.
Redner:
Gregor Strasser (NSDAP)
Hermann Göring (NSDAP)
Wilhelm Groener (Reichswehrminister)
Thomas Esser (Vizepräsident des Reichstages)
Hans Bell (Zentrum)
5. Wahlperiode. 1931/32