Mit dem Bachschen Kantatenwerk haben sich in den vergangenen Jahrzehnten etliche berühmte Musiker auseinandergesetzt, in kirchlichem wie in konzertantem Kontext. Man denke an die Aufnahmen aus der Leipziger Thomaskirche oder an die eines Nikolaus Harnoncourt, eines Hellmuth Rilling, John Eliot Gardiner oder Ton Koopman. Wenn sich nun ein Sänger mit einem Ensemble ganz ohne Dirigent zusammentut und Arien aus den Kantaten singt, dann ist das per se eine ziemlich mutige Tat Benjamin Appl, geschult bei den Regensburger Domspatzen, traut sich das – und traut es sich zu. Stilistisch, musikalisch und auch vom Repertoire her.
..schreibt der junge Bariton. Zum Beispiel bei der Arie „Zu Tanze, zu Sprunge“ aus der Kantate „Geschwinde, ihr wirbelnden Winde“. Lautmalerisch und als humorvolles Statement gemeint, gegen den sogenannten galanten Stil, der im frühen 18. Jahrhundert schwer in Mode war.
Witz, Lebenslust und Klugheit
Ist das „wack-ack-ack-ack-ackelnde Herz“ nicht wunderbar? Benjamin Appl und Concerto Köln scheuen sich nicht, hier fast ein bisschen auf die parodistische Pauke zu hauen, auch mit den übergalanten Verzierungen auf „Tanze“ oder den überlang gezogenen Geigenbögen im B-Teil „Wenn der Ton zu mühsam klingt“. Witz, Lebenslust und Klugheit sprechen aus dieser Interpretation, die zeigt, warum Bach spätestens seit Mendelssohn der „Meister aller Meister“ war und wohl immer bleiben wird: Weil er gerne lebte, lustvoll lebte, vor allem seine Musik. Das hört man auch in der Arie „Siehe, ich will viel Fischer aussenden“, BWV 88, aus der gleichnamigen Kantate.
Fabelhaft musiziert
Ein Auftragswerk, wenn man so will, zum fünften Sonntag nach Trinitatis, an dem es, wie die Kantate schon verrät, um den Fischzug des Petrus geht. Und was macht Bach daraus? Zwei pastorale Szenen: wogende Streicher und Oboen zur Situation am Wasser, am See – und anschließend, zum Vers „Und darnach will ich viel Jäger aussenden“, Synkopen und konzertierende Hörner. Fabelhaft musiziert und gesungen, wach, leidenschaftlich – kurzum: sehr zu empfehlen!
CD-Tipp vom 16.9.2018 aus der Sendung SWR2 Treffpunkt Klassik - Neue CDs