Musikalische Liebestöter

„Dein ist mein ganzes Herz“: Lovesongs zum Fürchten

Stand
Autor/in
Lydia Huckebrink
Dominic Konrad
Samira Straub

„Für dich schiebe ich die Wolken weiter, sonst siehst du den Sternenhimmel nicht“: Wenn sich der zähe Metaphernebel aus Yvonne Catterfelds Liedzeilen verzogen hat, bleibt von Romantik nicht viel übrig. Das deutsche Liedgut ist voller abgedroschener Liebeserklärungen. Zum Valentinstag haben wir die schaurigsten zusammengestellt – und wünschen gute Unterhaltung.

Yvonne Catterfeld liegt auf einer Wiese
Verträumt liegt Yvonne Catterfeld auf einer Wiese mit Gänseblümchen. Trotzdem ist das Bild nur halb so kitschig wie ihr Hit „Für Dich“.

Will wirklich jemand Yvonne Catterfelds Sternenhimmel sehen?

Ich halt' dich wie den Regenbogen ganz fest am Horizont
Weil mit dir der Morgen wieder kommt

Für dich schiebe ich die Wolken weiter 

Sonst siehst du den Sternenhimmel nicht
Für dich dreh' ich so lang an der Erde
Bis du wieder bei mir bist

Fast wie in einem Verschwörungsmythos macht sich Yvonne Catterfeld in ihrem Hit aus dem Jahr 2003 zur Herrscherin über die Wetterlage: Wolken werden verschoben, die Erde wird gedreht und der Geliebte wird gehalten wie ein Regenbogen. Donnerwetter, was für ein Ohrwurm. Wenn sich der Nebel aus Metaphern verzieht, bleibt vom erwünschten Sonnenschein jedoch nicht viel übrig.

Howard Carpendale lehnt sich an einen Baum an
Ob das der Baum ist, an dem für Howard Carpendale alles begann?

Der naturverliebte Howard C.

Hello again, ich sag einfach hello again
Du ich möchte dich heut noch sehn, dort wo alles begann
Oh, hello again, dort am Fluss wo die Bäume stehn
Will ich dir in die Augen sehn, ob ich da bleiben kann

„Dort am Fluss, wo die Bäume stehen“: Romantische Maler wie Constable oder Friedrich wären neidisch auf derart kraftvolle Natur-Porträts. Doch der Carpendale-Schlager hat noch mehr zu bieten. Es wird gestalked, wenn das lyrische Ich vor dem Zimmer lauert und sieht, dass noch Licht brennt und schließlich hinaufsteigt. Wie die Liebesgeschichte ausgeht, bleibt ungewiss – zum Glück.

Günther Schwenn, deutscher Textdichter für Operette und Musical, Deutschland
Wohl bekomm's: Günther Schwenns Texten für „.Maske in Blau“ verdanken wir auch das prickelnde Zitat „Die Juliska, die Juliska aus Budapest, die hat ein Herz aus Paprika“

Nur blau erträgt man „Maske in Blau“?

In dir hab ich mein Glück gefunden!
Mit dir bin ich so tief verbunden,
dass hier auf dieser Welt uns beide nichts mehr trennen kann.

Und kommt einmal trübe Stunden,
dann wird mein Herz an dir gesunden.
Denn keinem außer dir vertrau ich grenzenlos mich an.

Allgemein wird der Operette Hang zum Kitsch nachgesagt. Wer Fred Raymonds „Maske in Blau“ kennt, erkennt auch schnell warum! Denn wenn Evelyne verkündet, an ihrem Armando würde ihr Herz gesunden, hofft man für sie, dieser Placeboeffekt möge lang anhalten.

Der Liedtext stammt übrigens von Günther Schwenn, dem Mann hinter dem Karnevalshit „Schnaps, das war sein letztes Wort“. Wir können uns vorstellen, warum er einen Kurzen gebraucht hat.

Sportfreunde Stiller mit Marie Luise Marjan beim 25-jährigen Jubiläum der Lindenstraße (2010)
Applaus, Applaus! Auch wenn uns die Texte der Sportfreunde nicht überzeugen: Zumindest Mutter Beimer (Marie Luise Marjan) freute sich 2010 über den Besuch der Jungs aus Germering.

Applaus für nichts, liebe Sportsfreunde

Ist meine Hand eine Faust, machst du sie wieder auf
Und legst die deine in meine

Applaus, Applaus, für deine Worte

Mein Herz geht auf wenn Du lachst
Applaus, Applaus, für deine Art mich zu begeistern
Hör' niemals damit auf
Ich wünsch' mir so sehr du hörst niemals damit auf

Applaus haben die Sportfreunde Stiller für diesen Song wahrlich nicht verdient. Hier stimmt gar nichts: Die Metrik ist holprig, die Formulierungen unbeholfen und die Bilder furchtbar abgegriffen.

Dabei galten die Sporties im Jahr 2002 mal als die Meister des deutschen Lovesongs. Ihr Hit „Ein Kompliment“ ist zweifellos eine der charmantesten Liebeserklärungen der deutschen Popmusik.

„Applaus, Applaus“ wirkt wie der misslungene Versuch, den Erfolg von damals zu kopieren. Songidee und Struktur hat man einfach kopiert, nur inhaltlich konnte das Niveau nicht gehalten werden. „Hör niemals damit auf / Ich wünsch' mir so sehr du hörst niemals damit auf“: Wie kann man einen Refrain mit so uninspirierten Füll-Sätzen zuballern?

Peter Maffay
Ganz in weiß, es fehlt nur noch der Blumenstrauß: Sänger Peter Maffay in den 70er Jahren.

Zum Energiesparen lass deine Wärme hier

Und wenn ich geh, geht nur ein Teil von mir
Und gehst du, bleibt deine Wärme hier.
Und wenn ich wein, dann weint nur ein Teil von mir
Und der andere lacht mit dir.

„Und gehst du, bleibt deine Wärme hier“ wenn es doch nur so einfach wäre, die Energiekrise, sie wäre gelöst. Doch Peter Maffay hat noch mehr in petto: Frei nach dem Motto „Niemals weint man so ganz“ bringt ihn die Angebetete  auch zu einem Lächeln, wenn er eigentlich lieber Tränen vergießen würde. Bei so viel Kitsch möchte man selbst weinen. Mit allen Teilen.  

Das Land des Lächelns, Fernsehfassung der Operette von Franz Lehár, 1974
In der 70er-Verfilmung von „Das Land des Lächelns“ sang Birgit Pitsch Sarata die Lisa und Rene Kollo den chinesischen Prinzen Sou-Chong. Der Text ist so gut gealtert wie dieses Bild.

Das Land des gefrorenen Lächelns

Dein ist mein ganzes Herz! Wo du nicht bist, kann ich nicht sein,
so, wie die Blume welkt, wenn sie nicht küßt der Sonnenschein!

Dein ist mein schönstes Lied, weil es allein aus der Liebe erblüht.
Sag' mir noch einmal, mein einzig Lieb, o sag' noch einmal mir:
Ich hab' dich lieb!

Die Arie aus Franz Lehárs Operette „Land des Lächelns“ war ihrerzeit ein großer Gassenhauer, die nach ihrem Interpreten Richard Tauber nur „Tauberlied“ genannt wurde. Wie gut, dass diese Zeiten vorbei sind, denn beim Blick auf den Text bleibt das Lächeln so gefroren wie die vom Sonnenschein ungeküsste Blume.

Weihnachtskonzert von Silbermond in Urmitz am Rhein (2022)
Da Beste, was ihnen je passiert ist? Einen Riesenerfolg hatte die Band um Leadsängerin Stefanie Kloß zumindest mit diesem Song.

„Das Beste“ geht anders

Ich habe einen Schatz gefunden 
und der trägt deinen Namen
so wunderschön und wertvoll
und mit keinem Geld der Welt zu bezahlen.

Was für ein kraftloses Bild, das die Sängerin auch noch ganz an den Anfang eines Liebeslied stellt, das vor allem wegen seiner sprachlichen Schlichtheit zum Heulen ist. Wessen Liebe trug nicht schon einmal den Namen „Schatz“?

Weiter mag die Ich-Figur den schlafenden Schatz am liebsten die ganze Nacht betrachten. Auch das haben wir schon tausendmal gehört (Wo noch gleich? Ah: „I dont wanna close my eyes / I dont wanna fall asleep …“).

So weit, so unbedeutend. Das Grauen packt einen dann bei dieser Songzeile:

Deshalb leg ich meine kleine große Welt
In deine schützenden Hände.

Ihre kleine unbedeutende Miniwelt muss von ihm beschützt werden. Da überlässt sie ihm liebend gern die Kontrolle. Bei diesen verstaubten Rollenbildern stellen sich die Nackenhaare auf. Hatten wir das nicht schon überwunden?

Die Firma beim Silvester-Konzert vorm Brandenburger Tor 2007
Wir finden ja, dass es sich für niemanden lohnt in den Bau zu gehen. Nicht mal für die Eine.

Für die Frau in den Bau

Tausend Frauen, doch nicht eine mit Augen wie diese
Bekomm' 'ne Krise vielleicht steht sie auf Spanier oder Portugiesen

Diese / Krise / Portugiese: Kuriose Reime zeichnen den Song von der Firma aus. Das hat auf jeden Fall Unterhaltungswert.

Ich weiß, ich verfüg nicht über Yachten und Villen, doch einen starken Willen
So, dass wir doch dann irgendwann auf den Antillen chillen

Er betet sie an, doch sie ist schon vergeben. Wird sie sich am Ende doch für ihn entschieden? Das ist auch nicht gerade kreatives Storytelling, aber bei der Firma gibt’s immerhin eine Auflösung: Er kriegt sie, und versichert ihr:

Die Eine, die Eine oder keine
Für keine andere Frau ging ich lieber in den Bau

Das ist so schlecht und gleichzeitig schön, denn bei der Firma scheinen die Reime derart willkürlich aneinandergereiht, dass der Song in seiner unprätentiösen Zwanglosigkeit schon wieder anrührend ist.

Roland Kaiser bei einem Konzert in Wien (2022)
Eine Gottesgestalt am Schlagerhimmel: Roland Kaiser.

Roland Kaiser und das wollüstige lyrisches Ich

Du liegst bei mir und ich atme den Duft deiner Haut
Und jeder Schlag deines Herzens ist mir so vertraut
Du lässt mich sagen, was ich jeder Frau sonst verschwieg
Du gibst dem Himmel die wärmende Sonne zurück

Dich zu lieben, dich berühren

Mein Verlangen, dich zu spüren
Deine Wärme, deine Nähe
Weckt die Sehnsucht in mir auf ein Leben mit dir

Fragen Sie sich auch, was das wollüstige lyrische Ich in Roland Kaisers Schlager den Frauen bislang verschwieg? Und wo war eigentlich die Sonne am Himmel? Yvonne Catterfeld wollte sich doch um die Wolken kümmern!

Sowieso: Ist Roland Kaiser Kardiologe oder warum sind ihm Herzschläge so vertraut? Welches Parfum trägt die Dame, dass die Haut so duftet? Dieser Songtext wirft zahllose Fragen auf, auf dessen Antworten man getrost verzichten kann.  

Ludwig und Malvina Schnorr von Carolsfeld sangen Tristan und Isolde bei der Welturaufführung 1865.
Ludwig und Malvina Schnorr von Carolsfeld sangen Tristan und Isolde bei der Welturaufführung 1865. Dass Ludwig nach nur drei Vorstellungen (im Alter von 29 Jahren) starb, war vermutlich eher auf Typhus als auf Wagners Musik zurückzuführen.

Nur Wagner-Jünger*innen können diese Texte lieben

Barg im Busen uns sich die Sonne,
leuchten lachend Sterne der Wonne.

Von deinem Zauber sanft umsponnen,
vor deinen Augen süss zerronnen;

Herz an Herz dir, Mund an Mund;
eines Atems ein'ger Bund.

Komponieren konnte Wagner zwar, lang und ausgiebig, aber alles Sitzfleisch der Welt wappnet einen nicht gegen seine Texte. Nach bereits zwei Stunden im Sessel sorgt das Liebesduett im zweiten Akt von „Tristan und Isolde“ beim Publikum für genauso große Sehnsucht nach Erlösung wie der berühmte Tristanakkord selbst.

Fast wünscht man sich und allen angehenden Wagnerianer*innen, dass der Übertitel sich in der Oper nie durchgesetzt hätte. Der gemeinsame Tod am Ende entschädigt nur leidlich.

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