Rettung für jüdische Kinder

Die "300 Kinder-Aktion" der Schweiz

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Bei der so genannten "300 Kinder-Aktion" (300 K-A) handelt es sich um einen einmaligen, untypischen Entscheid der Schweizer Behörden, der im Anschluss an die Reichspogromnacht in Deutschland gefasst wurde.

Ruth mit Tasche am Bahnhof in Weinfelden am 16.2.1939, 300-Kinder-Aktion der Schweiz
Am 16.2.1939 reisen Konstanzer Kinder im Rahmen der "300 Kinder-Aktion" in die Schweiz aus. Unter ihnen Ruth Schwarzhaupt (in der Mitte mit Tasche) und ihr Bruder Max (2. von li.)

Dabei entschied das neutrale Nachbarland, dreihundert vornehmlich jüdische Kinder aus Deutschland in der Schweiz aufzunehmen. Dem Beschluss zur Aktion gingen langwierige und zähe Verhandlungen zwischen dem Schweizerischen Hilfswerk für Emigrantenkinder (SHEK) und dem Chef der Schweizer Fremdenpolizei, Heinrich Rothmund, voraus. Treibende Kraft für die Aufnahme der in Deutschland bedrohten jüdischen Kinder war die Leiterin der Basler Sektion der SHEK, Georgine Gerhard. Verhandlungsführerin auf Seiten der SHEK war Nettie Sutro, die die Gesamtleitung der SHEK hatte. In Kenntnis der Tatsache, dass sich Rothmund erklärtermaßen dem Kampf gegen die "Überfremdung und Verjudung der Schweiz" verschrieben hatte, musste die dann von ihm erteilte Zustimmung zur Aufnahme der Kinder sehr überraschen.

Die Kinder kamen zunächst aus Frankfurt a. Main

Nur zehn Tage nach der Reichspogromnacht wurde die Erlaubnis erteilt, maximal 300 Judenkinder in der Schweiz aufzunehmen. Alle diese Kinder, ob sie in Heimen oder in Familien untergebracht wurden, sollten nur zum Transit in die Schweiz einreisen und spätestens nach sechs Monaten in ein Drittland weiterreisen. Rund einhundert Emigrantenkinder aus Frankfurt/M. bildeten die erste Gruppe, die am 5. Januar 1939 in Basel ankam.

Die rettende Schweiz war nah - Konstanzer Kinder dürfen ausreisen

Am 16. Februar 1939 kam dann eine kleinere Gruppe von jüdischen Kindern aus Konstanz und anderen südbadischen Gemeinden in Luzern an - darunter zwei Kinder der Konstanzer Familie Schwarzhaupt: der elfjährige Sohn Max und die siebenjährige Tochter Ruth. Sie wurden zunächst von Familien aufgenommen und später in Kinderheimen untergebracht.

Aus sechs Monaten wurden sechs Jahre

Als der Zweite Weltkrieg ausbrach und die jüdischen Menschen in der Folge einem verschärften Verfolgungsdruck ausgesetzt waren, wurde die ursprüngliche Ausreisepflicht für die Emigrantenkinder gelockert und später aufgehoben. Sowohl die beiden Schwarzhauptkinder als auch viele andere der im Rahmen der 300 K-A eingereisten jüdischen Kinder blieben am Ende nicht sechs Monate, sondern sechs Jahre in der Schweiz.

Von Hans-Hermann Seiffert //

Literaturhinweis:

Das Schicksal der sechsköpfigen Familie Schwarzhaupt aus Konstanz schildert der Autor in seinem im Verlag Hartung-Gorre erscheinenden Buch "Meine geliebten Kinder", Die Briefe der Konstanzer Jüdin Hella Schwarzhaupt aus der Internierung in Gurs und Récébédou an ihre Kinder. Am 27.1.2014 stellten Hans-Hermann Seiffert und die Tochter Ruth Schwarzhaupt das Buch im Konstanzer Kulturzentrum vor.

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SWR