Touristen unter bunten Schirmen am türkisblauen Meer, ein Blick aus der Luft.

SWR1 Sonntagmorgen

Die Grenzen des Massentourismus

Stand
Autor/in
Sophie Rebmann
Sophie Rebmann im Portrait

Treffen zu viele Reisende auf Strände oder Städte, steigen die Mieten, verstopfen die Straßen. Einwohner und Umwelt leiden. Dagegen gibt es immer mehr Widerstand.

Iseltwald am Brienzersee war ein beschauliches Dorf, bis sein Steg es in den Netflix-Hit "Crash Landing on You" schaffte, eine südkoreanische Serie, in der sich eine Südkoreanerin und ein Nordkoreaner in der Schweiz näher kommen. Eine der romantischen Szenen spielte auf dem Steg in Iseltwald. Seitdem wird die Gemeinde mit ihren 420 Einwohnern von Touristen aus aller Welt überrannt: 400.000 Reisende seien es jährlich. Und der Ort leidet unter dem Overtourism: Toiletten, Parkplätzen und der öffentliche Nahverkehr sind auf diese Überlastung nicht ausgelegt.

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Overtourism - Wenn Touristen zur Plage werden

Das kleine schweizerische Dorf, das plötzlich zum Insta-Hotspot wurde, macht einen kleinen Teil der Probleme von Overtourism deutlich. Touristenmagneten wie Venedig, Mallorca, Rom, Lissabon oder Barcelona haben in ganz anderen Dimensionen schon seit Jahrzehnten damit zu kämpfen. Großstädte verlieren ihren Reiz, weil sich weder Einwohner noch Kunstschaffende oder Ladenbesitzer die Mieten leisten können, in historischen Städtchen sind die kleinen Gassen überlaufen aber auch Strände, die einst gerade wegen ihrer Abgeschiedenheit bereist wurden, werden belagert. Hinzu kommt häufig Müll, Lärm und eine Überlastung der Umwelt, weil etwa das Trinkwasser knapp wird.

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Immer mehr Proteste gegen Massentourismus

Daher protestieren Bewohner besonders vom Overtourismus betroffener Orte immer häufiger gegen Touristen, auch auf Mallorca, der Lieblingsinsel der Deutschen. Das Hauptproblem der Einwohner: die zu teuren Mieten. Da normale Wohnungen in Ferienappartements umgewandelt werden, steigen die Preise, die sich die Inselbewohner nicht mehr leisten können.

Mallorca ist wie eine Prostituierte, sehr schön aber ein wenig in die Jahre gekommen. Und sie verkauft sich den Ausländern zum besten Preis.

Die Inseleinwohner müssen ausweichen: Auf Wohnwagensiedlungen, auf kleinere Wohnungen - oder sie teilen sich Zimmer mit anderen. "Während Einheimische die Immobilien nicht mehr bezahlen können, kommt jemand aus dem Ausland, und kauft sie einfach", klagt eine Kellnerin auf der Insel.

Einheimische bei einer Demonstration gegen den Massentourismus. Tausende haben auf Mallorca gegen Massentourismus protestiert. Unter dem Motto «Sagen wir basta!» versammelten sich die Menschen am Samstagabend im Zentrum der Inselhauptstadt Palma.

Das bestehende Tourismusmodell kommt an seine Grenzen

Für Markus Pillmayer, Professor an der Hochschule München, sind solche Demonstrationen Hinweis darauf, dass das bestehende Modell des Tourismus, das auf mehr Wachstum ausgerichtet ist, an seine Grenzen komme: "Die Einheimischen werden in diesem System nie berücksichtigt, mit dem Argument: Ihr profitiert ja auch davon." Tatsächlich habe sich die Situation aufgrund der seit einer Dekade stetig wachsenden Zahl an Touristen verschlechtert, wie aus Zahlen der Welttourismusorganisation hervorgeht.

Fünf Euro Eintritt für Venedig

Die vom Massentourismus betroffenen Regionen greifen inzwischen zu ungewöhnlichen Maßnahmen. So verlangt beispielsweise die Stadt Venedig an den Wochenenden fünf Euro Eintritt. In Iseltwald hat die Gemeinde vor dem berühmten Steg ein Drehkreuz installiert, für das Touristen fünf Franken zahlen. Für Pillmayer sind Maßnahmen dieser Art eher ein Ausdruck der Verzweiflung. Da derartige Maßnahmen relativ neu sind, könne man auch erst nach einer gewissen Zeit beurteilen, ob sie wirken. Nachhaltiger seien Tourismuskonzepte, bei denen sich Reiseveranstalter, Hotels oder auch Anbieter vor Ort, etwa von Skiliften, gemeinsam darauf verständigen, auf Profit zu verzichten: also nicht immer weiter zu wachen, zugunsten von mehr Lebensqualität für die Region.

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Aber auch die Reisenden selbst könnten etwas gegen Overtourism tun: Es gehe darum, "einen Schritt zurückzutreten", so der Professor. Lieber bewusst reisen, als viel reisen. Er empfiehlt, die Hauptsaison zu meiden, Ferienwohnungen nicht über große Onlineanbieter zu mieten und auch weniger erschlossene Gebiete zu erkunden. "Auch die leisen Töne machen Melodien." Das erfordere natürlich, sich vor der Reise etwas mehr Gedanken zu machen.

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