Die wissenschaftliche Empfehlung sagt, für eine gute Kita-Betreuung sollte sich eine Fachkraft um nicht mehr als drei Kinder kümmern. Das schaffen in Rheinland-Pfalz die wenigsten Landkreise. Wir haben mit Dr. Armin Schneider, Direktor des Instituts für Bildung, Erziehung und Betreuung in der Kindheit (IBEB) und Professor für Empirische Sozialforschung an der Hochschule Koblenz gesprochen.
SWR1: Der Donnersbergkreis schneidet in Rheinland-Pfalz mit 4,8 Kindern pro Betreuungskraft am schlechtesten ab. Was bedeutet das für die Entwicklung der Kinder?
Prof. Dr. Armin Schneider: Zum einen zeigt das auf, wie stark die regionalen Unterschiede sind. Und auf der anderen Seite ist es schwierig zu sagen, dass es eine direkte Bedeutung für die Kinder hat. Wichtiger als der Personalschlüssel, der rein rechnerisch ist, ist das tatsächliche Personal vor Ort.
SWR1: Das heißt, der Personalschlüssel ist gar nicht so wichtig? Halten wir uns da zu sehr an diesen Zahlen fest?
Schneider: Das würde ich nicht sagen. Der Personalschlüssel ist nur ein Durchschnitt, das kann man sich vorstellen, wie eine ganz heiße und eine ganz kalte Herdplatte. Der Durchschnitt ist lauwarm. Aber es gibt auch Sachen (Landkreise), wo man sich verbrennt. [...] Das ist eine Sache, die schon lange bekannt ist, wo in den letzten 15 Jahren von allen Beteiligten mehr oder weniger geschlafen worden ist. Und wenn man die Bertelsmann-Zahlen liest (Anm. d. Red. Zahlen des Länderreports zum Stand frühkindlicher Bildungssysteme der Bertelsmann Stiftung), steht da drin: Sie empfehlen, dass man auch die Betreuungszeit reduziert. Angesichts der Notlage, dass wir momentan zu wenig Personal haben.
SWR1: Das heißt, Sie schließen sich dieser Forderung an und schlagen vor, die Betreuungszeiten einzuschränken?
Schneider: Wir müssen, wenn wir eine gute Betreuung haben wollen, [...] gucken, dass wir die auch sicherstellen können.
SWR1: Aber dann haben wir wieder weniger Frauen, die arbeiten gehen können.
Schneider: Das ist genau die Geschichte! Da müssen wir uns als Gesellschaft überlegen, was wollen wir wirklich?
SWR1: Aber das würde ja bedeuten, wenn ich Sie recht verstehe, wir verschieben einfach nur das Problem. Dann haben wir vielleicht ein geringeres Problem in den Kitas, reden aber über einen Rückschritt in Sachen Gleichberechtigung und haben Probleme in der Wirtschaft, da wird eine stärkere Vollzeitbeschäftigung von Frauen gefordert.
Schneider: Die ganz entscheidende Frage ist für mich nicht, dass wir mit den Kitas der Wirtschaft dienen, sondern die entscheidende Frage ist: Was wollen wir mit unseren Kindern? Die müssen im Mittelpunkt stehen und da muss eine optimale Qualität da sein.
Kita-Notstand in Daten Für vier von fünf Kindern fehlt in rheinland-pfälzischen Kitas Personal
Mehr als 80 Prozent der unter Dreijährigen werden in Kitas von zu wenig Personal betreut. Die Qualität der frühkindlichen Bildung leidet, Fachkräfte geraten an ihre Grenzen.
SWR1: Interessant ist aber doch, dass es ja auch gute Beispiele gibt. Zum Beispiel im Westerwaldkreis. Der schneidet mit 2,8 Kindern pro Kita-Fachkraft am besten ab in Rheinland-Pfalz. Das heißt, die Frage ist doch, warum schaffen es manche Personal zu bekommen und zu halten und andere nicht?
Schneider: Ja, das hängt zum einen mit der Politik vor Ort zusammen. Was sind die Kommunen bereit, zu geben? Klamme Kommunen kommen da schlechter weg, das ist das eine. Und zum anderen hängt es sehr stark von der Trägerqualität ab. Das ist, glaube ich, eine sehr notwendige Sache, dass die Leute auch mit Spaß arbeiten.
SWR1: Das heißt also mehr Motivation, mehr Wertschätzung, am Ende aber auch mehr Geld für Erzieherinnen und Erzieher. Professor Armin Schneider, Direktor des Instituts für Bildung, Erziehung und Betreuung in der Kindheit an der Hochschule Koblenz, ich danke Ihnen.
Das Interview führte SWR1 Moderatorin Claudia Deeg.