Wir haben mit Dr. Rüdiger Maas gesprochen. Er ist Leiter des Institutes für Generationforschung in Augsburg. Er weiß, wie sich diese Veränderungen auf das Leben der Kinder auswirken werden. Und warum wir den schnellen Wandel nicht mit Angst, sondern mit Zuversicht angehen sollten.
Einteilung von Generationen und Einflussfaktoren
SWR1: Warum ordnet man Menschen überhaupt solchen Gruppen zu? Ein Kind, das im Dezember 2024 geboren wurde, wird wahrscheinlich nicht viel anders aufwachsen als ein Kind, das im Januar 2025 geboren wurde.
Rüdiger Maas: Absolut. Die schematischen Einteilungen in 15 Jahres-Schritten sollte man auch kritischer sehen. Insgesamt teilt man Menschen in Generationen ein, um bestimmte Dinge und Merkmale besser zu verstehen, Kohorten besser zu vergleichen und bestimmte Dinge nachvollziehbarer zu machen.
Das Ganze läuft aber nicht so schematisch ab. [...] Es geht eher darum zu schauen, was die Lebenswirklichkeit der jeweiligen Generation ist. Jetzt in dem Fall der Generation Beta. Gibt es überhaupt die Generation Beta? Oder dauert einfach nur die Generation Alpha länger? Diese Themen untersuchen wir.
Wir vermuten, dass KI ein großer Einflussfaktor ist. Da es immer weniger Kinder gibt und immer mehr Erwachsene, erleben die Kinder eine Lebenswirklichkeit, in der ein Überbau an vielen älteren Menschen vorhanden ist. Und dass es auch in der Arbeitswelt eine große Disruption gibt (Anm. d. Red.: neue Technologien oder Geschäftsmodelle lösen alte ab bzw. "zerstören" sie).
Generation Beta: Berufe und Feeback-Kultur der Zukunft
Die Generation Beta wird mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit von über 65 Prozent Jobs haben, die es heute noch gar nicht gibt. Somit werden sie in Jobs arbeiten, wo sie nicht auf Erfahrungwerte zurückgreifen können, sondern die Ersten sind.
Auch Führung wird wahrscheinlich anders sein. Viele Studien konnten zeigen, dass zum Beispiel negatives Feedback idealerweise von der KI gegeben wird. Und positives Feedback idealerweise von einem physischen Menschen. Insgesamt wird sich da viel ändern, auch in der Schule und wie die Menschen aufwachsen.
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Generation Beta: Aufwachsen in digitalen Welten zwischen KI und Fake-News
SWR1: Wie muss man sich die Zukunft vorstellen für die Generation, die im Jahr 2025 geboren wird?
Maas: Sie werden, wenn sie Informationen zum Beispiel über Social Media oder über das Internet recherchieren, gar nicht mehr wissen, ob die tatsächlich stimmen oder KI generiert sind. Sie werden mit einer Fülle an Fake-News groß werden und auch gar nicht mehr wissen, ob da ein physischer Mensch dahinter steckt – Stichwort: KI-generierte Influencer.
All das wird die Kinder sehr stark beeinflussen. Auch die Algorythmen dahinter, also die Logiken, die das Digitale vorgibt und nicht mehr das Analoge.
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Wir haben das jetzt schon bei den heutigen Kindern gesehen, dass sie so lange in der digitalen Welt sind, dass sie bestimmte Themen, die ältere Menschen in der analogen Welt automatisch mitgenommen haben, gar nicht mehr können. Darunter beispielsweise Menschen ansprechen, die man nicht kennt, telefonieren oder jemand nach dem Weg fragen.
All diese Themen sind heutigen Kindern extrem fremd und wir sehen in immer kürzeren Abständen, immer größere Brüche. Auch zwischen der Elternkohorte und der Kinderkohorte. D.h. die Eltern der Generation Beta werden sehr wahrscheinlich die Generation Beta weniger verstehen, als die Eltern noch davor ihre Kinder verstanden haben, weil sich die Lebenswirklichkeit so schnell ändert.
SWR1: Die Eltern der Generation Beta sind zum großen Teil die Menschen der Generation Z, die häufig als faul stigmatisiert werden und bereits mit der Digitalisierung aufgewachsen sind. Was wird sich da in der Erziehung ändern?
Maas: Das Spannende ist, sie sind mit der Digitalisierung aufgewachsen. Dadurch war sie immer Teil der Umgebung und dadurch haben sie diese nur intuitiv genutzt. Die haben sie nie richtig "verstehen" müssen, wie wenn wir ferngesehen haben und den Fernseher nicht verstehen mussten.
Wir haben einfach gewusst, wie die Fernbedienung funktioniert und gut war es. Genau so muss man sich diese Eltern vorstellen. Unwegsamkeiten werden sehr wahrscheinlich ergoogelt oder per Chat GPT oder KI erfragt. Wir werden eine sehr verunsicherte Elternschaft haben.
Herausforderungen in der Erziehung der Generation Beta
SWR1: Macht Ihnen das persönlich ein bisschen Angst, wenn Sie wissen, was da auf uns zukommt?
Maas: Nein, Angst nicht. Ich habe ein Buch dazu geschrieben "Konflikt der Generationen", wo ich genau diese Unterschiede beschreibe. Diese Unterschiede waren immer da. Sie kommen jetzt nur in einer viel kürzeren und viel höheren Geschwindigkeit auf uns zu. Und wenn wir jetzt als Erwachsene Angst davor haben, wie soll dann die Lebenswirklichkeit der Kinder aussehen? Wir müssen eher Zuversicht verbreiten und uns mehr auf die Lebenswirklichkeit der Kinder einlassen. Wenn wir Kindern schon so früh ein Handy vor die Nase halten, sollten wir auch wissen, wie das Ganze funktioniert und was da für Themen dahinter sind.
Das Gespräch führte SWR1 Moderator Frank Jenschar