Bereit seit 2018 laufen die Planungen für die Großübung. Auslöser sei die völkerrechtswidrige Aneignung der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland gewesen. Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) ist die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestags und betont im SWR1 Interview die Wichtigkeit der Übung.
SWR1: Wie realistisch ist dieses Manöver, angesichts dessen, dass es fünf Jahre Vorlauf hatte?
Marie-Agnes Strack-Zimmermann: Das Manöver hat nicht stattgefunden, weil knapp drei Jahre dazwischen Corona war und da war das natürlich nicht durchführbar. Und dieses Manöver ist eine Verteidigungsüberlegung, das ist kein Angriff. Da werden keine Angriffsszenarien geübt, sondern, was wäre, wenn Deutschland oder Europa angegriffen würde und wie können die Luftwaffe dann gemeinsam wirken? Das ist dringend erforderlich, dass man so etwas übt, damit es im Falle eines Falles auch funktioniert.
SWR1: Jetzt steht das Manöver unter deutscher Führung. Wir hören regelmäßig über den Zustand der Bundeswehr. Fürchten Sie nicht, dass sich Deutschland da womöglich blamiert? Oder sind wir fit für sowas?
Strack-Zimmermann: Nein, wir blamieren uns überhaupt nicht. Ich meine, Ihre Frage ist nicht ganz unberechtigt. Wir haben seit Jahren das Problem dadurch, dass die Bundeswehr nach 1990 komplett runtergefahren wurde, auch in einer naiven Art und Weise, die uns heute noch fassungslos zurücklässt. Aber die Luftwaffe ist in einem sehr guten Zustand. Die Luftwaffe zeigt in Kombination mit den Partnern, was sie kann. Und wir sind in Deutschland kein Frontstaat mehr, so wie wir es im Kalten Krieg mit Berlin waren, sondern wir sind das Drehkreuz in der Mitte Europas. Das heißt, alle Verlegungen von West nach Ost laufen über Deutschland. Da können wir wirklich zeigen, was wir können. Organisatorisch und eben auch, dass unsere Luftwaffe fit ist und das kann. Ich glaube, das ist auch ein wichtiges Zeichen an die Bevölkerung. Erstens: wir schützen euch. Und Zweitens: Wir können üben und die Bundeswehr ist wirklich deutlich fitter als vielleicht der ein oder andere glauben könnte.
SWR1: Spulen wir mal ein paar Tage vor auf den 23. Juni, da endet das Manöver. Man wird sicher sagen, es war ein toller Erfolg. Aber wird man auch sagen, das machen wir jetzt jedes Jahr?
Strack-Zimmermann: Dass sowas jedes Jahr stattfindet, kann ich Ihnen heute nicht sagen. Es wird grundsätzlich in der NATO immer geübt. Und dass man am 23. Juni sagt, das war ein Erfolg, davon gehe ich aus. Aber eine Übung ist ja auch dazu da, wenn das ein oder andere nicht so läuft, wie man glaubt, dass es laufen müsste, dass man da auch gegebenenfalls Fehler oder Schwächen erkennt. Insofern bin ich sehr zuversichtlich, dass die Luftwaffe kritisch genug ist, um möglicherweise Schwächen zu kompensieren oder sie auch zu benennen.
SWR1: Ich frage noch mal anders: Müssen wir uns daran gewöhnen, dass solche großen Luftmanöver demnächst häufiger stattfinden?
Strack-Zimmermann: Wir müssen uns daran gewöhnen, dass in Freiheit und Frieden zu leben, nichts Selbstverständliches ist. Dass wir eine starke Bundeswehr brauchen im Kontext der NATO und ja, dass diese Bundeswehr wieder präsent ist und erwacht ist. Und ich glaube, dass die Menschen in Deutschland das auch positiv goutieren. Es wird Einschränkungen geben. Es wird auch nicht leise sein, wenn so viele Maschinen in der Luft üben. Aber es ist ein gutes Signal. Denn glauben Sie mir, ich war zweimal in der Ukraine. Die Menschen dort hätten sehr gerne vor dem Angriff im Februar 2022 solche Übungen mit der NATO gemacht. Insofern ja, wir müssen uns daran gewöhnen, dass wir etwas tun müssen, um diese Freiheit zu garantieren. Und das bedeutet auch, dass das Militär in Top-Mannschaft übt.
Das Interview führte SWR1 Moderator Jürgen Kurth.