Eine Beziehung mit einem Narzissten kann unerträglich werden. Am Anfang scheint alles perfekt und der narzisstische Partner überschüttet Sie mit Aufmerksamkeit und Liebe. Oft zeigt der Narzisst aber schon nach kurzer Zeit sein wahres Gesicht: Die Beziehung wird schnell toxisch. Manipulation, Ausbeutung und Entwertung werden fester Teil Ihres Alltags.
Wir haben mit Bärbel Wardetzki, Psychologin und Expertin für narzisstische Persönlichkeitsstörungen, darüber gesprochen, was eine solche toxische Beziehung ausmacht und wie Betroffenen geholfen werden kann.
SWR1: Narzissten treten ihrem Partner gegenüber oft "über-selbstbewusst" auf, sind es aber oft in der Realität gar nicht, oder?
Bärbel Wardetzki: In narzisstischen Beziehungen treffen sich immer zwei Menschen mit einem verletzten Selbstwertgefühl und erhoffen sich die Unterstützung, die Liebe und die Anerkennung durch den anderen. Da gibt es zwei verschiedene Mechanismen: Die grandiosen Narzissten machen sich immer größer und toller als sie sind. Die weiblichen Narzissten sind dann eher die, die sich abwerten und immer abhängiger von dem grandios narzisstischen Partner werden. Das ist eine schwierige Gemengelage, weil die eigentlich vorhandenen Bedürfnisse gegenseitig nicht erfüllt werden können. Beide Partner brauchen die Zuwendung und Beachtung, aber keiner bekommt sie vom anderen. Dadurch entstehen dann die ganzen Probleme mit Macht, Entwertung, Manipulation bis hin zur seelischen Gewalt.
SWR1: Eine solche Beziehung zu beenden, ist extrem schwer. Betroffene müssen sich vom Umfeld auch Vorwürfe anhören, wie "Warum lässt du das auch mit dir machen?" Was sagen Sie zu dieser Sichtweise?
Wardetzki: Von außen sieht eine solche Beziehung meist toll aus, aber man merkt eben nicht, wie viel Leid es im Grunde im Alltag gibt. Warum Betroffene so schwer aus einer solchen Beziehung rauskommen, hat viele Gründe. Einer ist ganz sicher der, dass der narzisstische Partner mitunter auch ausgesprochen liebevoll und nett sein kann. Und im Zweifel erinnert man sich daran: Er ist ja so nett, auch wenn er jetzt für mich entwertend und böse ist. Aber ich liebe ihn ja doch. Und da entsteht das Gefühl, von diesem Menschen nicht weg zu kommen, weil es ja mal so schön war und auch immer wieder schön sein kann. Manchmal sind es auch seelische Hintergründe, die eine Trennung dann so schwer machen: Wenn der Partner einem zum Beispiel ein Heim bietet und man selbst immer nach einem solchen, sicheren Heim gesucht hat. Dann kommt man nicht weg und nimmt oft lieber die "Drama-Beziehung" in Kauf, als sich wieder in Unsicherheit zurück zu geben.
SWR1: Was müssen Betroffene tun, um eine Beziehung mit einem Narzissten beenden zu können?
Wardetzki: Oft holen sich diese Menschen dann bei einem Psychotherapeuten Rat. Denn sie merken selbst, dass sie immer wieder in ihr gleiches Muster zurückfallen. Sie möchten sich zwar trennen, bleiben dann aber doch. Schauen derart Betroffene von außen auf die Beziehung, merken sie, dass ihre Beziehung eigentlich furchtbar ist und, dass sie diese Beziehung schnell beenden sollten.
Aber in dem Moment, in dem sie nach Hause fahren, ist das alles wieder weg und sie verfallen in ihr altes Muster. Deshalb ist es gut, jemanden zu haben, der einem in einem solchen Fall den Rücken stärkt. Eine Person, die auch schaut, wo diese Fallen sind, in die ich als Betroffene oder Betroffener immer wieder trete. Der mit mir daran arbeiten kann, mir dessen bewusst zu werden und irgendwann den Mut zu entwickeln, zu sagen: "So, jetzt steige ich aber aus und lebe mein eigenes Leben und bin dann frei von dieser ganzen seelischen Gewalt."
SWR1: Wenn man jetzt mit diesem Partner ein Kind hat: Wie schafft man diesen schwierigen Umgang?
Wardetzki: Kinder binden und das macht die Situation viel schwieriger. In einem solchen Fall ist der Weg aus einer solchen Beziehung sehr viel weniger einfach, als wenn keine Kinder da sind. Sehr oft ist für die Kinder eine Trennung der beiden Partner aber auch entlastend. Denn fast immer bekommen die Kinder die Streitereien im täglichen Umgang, die gegenseitigen Entwertungen und Vorwürfe natürlich mit und leiden natürlich auch darunter. Es kann eine große Entlastung für die Kinder sein, nur mit der Mutter oder dem Vater zusammenzuleben und dann immer wieder zu merken: Da ist jetzt eine andere Atmosphäre.
SWR1: Es gibt auch Menschen, die sich bewusst entscheiden, mit ihrem narzisstischen Partner weiter zusammenzubleiben. Kann das funktionieren?
Wardetzki: Das Tolle ist: Es kann funktionieren, weil wir Menschen sehr findig sind. Idealerweise sind beide bereit, sich zusammenzusetzen und auf die Beziehung zu schauen, zum Beispiel mit Hilfe eines Paartherapeuten. Wenn das mit dem Wunsch geschieht, dass nicht der Partner schuld ist, sondern, dass die Beziehung zusammen so gestaltet werden soll, dass es beiden besser geht, ist das eine ideale Situation. Sie findet aber oft nicht statt. Schon allein deshalb, weil einer der beiden sich einfach verweigert, solche Gespräche zu führen. Es gibt aber natürlich auch Lebensumstände, in denen man merkt: Aha, wir finden hier eine Gemeinsamkeit. Ich kannte ein Paar, das plötzlich zusammen eine Wohnung einrichten musste. Vorher hatte jeder seine eigene Wohnung alleine eingerichtet. Dann sind sie zusammengekommen und haben gemerkt, wie unterschiedlich sie selbst sind und genauso auch ihr Geschmack. Durch das Einrichten der gemeinsamen Wohnung haben sie aber auch gemerkt, dass sie beide Kompromisse eingehen können und dass das funktioniert. Und das haben sie dann auch als Bild für ihre Beziehung genommen. Dieses Treffen auf einer anderen Ebene war für dieses Paar äußerst hilfreich.
SWR1: Sie sehen einen Unterschied zwischen weiblichen und männlichen Narzissten. Worin unterscheiden sich diese beiden Typen?
Wardetzki: Das Grundproblem ist bei beiden gleich: Ein geschädigtes Selbstwertsystem, das durch besondere Fähigkeiten oder Auftretensweisen kompensiert werden muss. aber die Form, wie kompensiert werden muss, ist ganz unterschiedlich. Bei Männern geht es primär um Macht, um Vorrangstellung, um eine Überhöhung. Es geht darum, die anderen kleinzumachen, damit man selbst überlegen ist. Das ist eher die männliche Variante, wobei es hier nicht um Männer und Frauen geht, sondern um männliche und weibliche Funktionsweisen. Wir alle tragen von beiden einen bestimmten Anteil in uns. Aber die erste Variante findet man häufiger bei Männern.
Frauen tendieren eher dazu sich zu entwerten. Das wird aber meist gekonnt überspielt und nach außen würde kein Mensch auf die Idee kommen, dass sich diese Frau minderwertig fühlt. Denn sie tritt enorm selbstbewusst und attraktiv auf. Wenn es in einer Beziehung aber wirklich nah und eng wird, dann kommen die Minderwertigkeitsgefühle. Und das ist für solche Frauen oft der Grund, sich an den Partner anzupassen, weil sie ja selbst glauben, nicht richtig zu sein. Vorwürfe des Partners, wie "Du hast das nicht richtig gemacht." oder "Was redest du da wieder?", verstärken diese Minderwertigkeitsgefühle und dann passt sich die weibliche Narzisstin an diese Aussagen an, ganz nach dem Motto: Ich muss anders werden, damit die Beziehung funktioniert.
Das Gespräch führte SWR1 Moderatorin Steffi Stronczyk.
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