Apotheken in Bad Kreuznach rüsten nach

So kämpft ein Apotheker mit digitalen Angeboten gegen das Apothekensterben

Stand
Das Interview führte
Hanns Lohmann
Interview mit
Fabio Nobre, Apotheker
Onlinefassung
SWR1

Für Apotheken ist die Konkurrenz aus dem Internet ein Problem. Um mithalten zu können, hat Fabio Nobre für seine Apotheken in Bad Kreuznach ein großes digitales Angebot aufgebaut.

Apothekensterben: Nur noch 20 Apotheken auf 100.000 Einwohner

Von Januar bis September 2024 haben in Deutschland 384 Apotheken ihre Türen für immer geschlossen. Das ergab eine Erhebung der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA). 2023 hatte es bundesweit noch 17.571, 2010 noch 21.441 Apotheken gegeben. Nach Angaben des Apothekerverbandes Rheinland-Pfalz e.V. - LAV gab es im zweiten Quartal 2024 bei uns noch 832 Betriebe.

Den Daten der ABDA zu Folge, fiel das Apothekensterben in diesem Jahr bundesweit deutlicher aus als in den Vorjahren. So lag die Anzahl der Betriebsschließungen 2022 bei 285, 2023 schlossen von Januar bis September 335 Betriebe ihre Türen. Rein rechnerisch kämen in Rheinland-Pfalz auf 100.000 Einwohner aktuell nur noch 20 Apotheken, so der Apothekerverband.

Digitale Angebote von der Apotheke nebenan

SWR1: Was machen Sie besser als andere?

Fabio Nobre: Besser nicht, aber anders vielleicht. [...] Wir versuchen, Nischen für uns zu besetzen und eben Apotheke neu zu definieren, auch mit ihren digitalen Hürden, die sie aktuell bietet.

SWR1: Gegen die Konkurrenz aus dem Internet können Sie nichts machen. Es wird dafür geworben, dass es mit der Internetapotheke alles ganz einfach sei. Was stellen Sie dem entgegen?

Nobre: Auch wir bieten digitale Bestellungsmöglichkeiten über Online-Shops an, aber auch mittlerweile digitale Beratung wirklich als Videoberatung. Wir haben eine komplett digitale Kommunikationsbasis aufgebaut, um auch mit den modernen, agilen, mobilen Kunden zu kommunizieren. Wir versuchen einen Anreiz zu schaffen, um Versorgung näher an den Kunden zu bringen. Das geht auf, ist aber tatsächlich sehr kosten- und zeitintensiv.

Beratung mit Apotheken-Mitarbeitern per Videochat

SWR1: Angenommen der Hausarzt verschreibt mir eine Salbe. Was ist dann bei Ihnen besser als bei einer Online-Apotheke?

Nobre: Sie können digital Kontakt zu uns aufnehmen - sei es über bestimmte Messenger-Dienste, über datenschutzkonforme Leitungen - und können sich dort beraten lassen. Sie können es ganz klassisch auf dem telefonischen Weg machen. Es gibt aber auch die Möglichkeit, das Ganze über eine Videosprechstunde mit uns durchführen zu können. [...]

Im Anschluss kriegen Sie über unseren Botendienst das Ganze auch nach Hause geliefert, sodass Sie diese Vorteile, die eine Online-Apotheke bietet, direkt vor Ort am gleichen Tag noch in Anspruch nehmen können.

Beratung vor Ort weiterhin wichtig

SWR1: Der Trend geht also möglicherweise dazu, dass tatsächlich die klassische Apotheke im Ladenlokal mehr und mehr durch andere Liefermodalitäten ersetzt wird?

Nobre: Durchaus, das ist ein Thema. Aber wir dürfen nicht vergessen: Wir haben auch den 90-jährigen Kunden, der etabliert ist und auch weiß: "In die Apotheke kann ich gehen." Auch im Zuge einer Einsamkeit, das ist ja auch letztlich so ein Punkt im Alter. Der Kunde kommt in die Apotheke, hält eventuell noch ein Schwätzchen mit den Mitarbeitern und auch das ist nach wie vor immer noch stark gefragt.

Wir dürfen nicht vergessen: Wir haben auch den 90-jährigen Kunden, der etabliert ist und auch weiß: "In die Apotheke kann ich gehen."

Probleme für Apotheken: Zu hohe Kosten

SWR1: Man hört von Apotheken, die es schwer haben, aufgrund von steigenden Personal- und Sachkosten und fehlenden Fachkräften. Haben Sie diese Probleme auch?

Nobre: Selbstverständlich, und zwar mehr denn je. Gerade im Bereich der steigenden Kosten. Sie sind massiv explodiert, auch gerade nach Corona. Wir haben mittlerweile durch Tarifverträge auch eine enorme Steigerung der Gehälter. Hier muss ich hinzufügen: Jedes Gehalt ist definitiv gerechtfertigt, weil die Mitarbeiter sich unheimlich viel Mühe geben. Aber das muss alles finanziell gestemmt werden.

Vieles bleibt natürlich letztendlich an mir hängen und so komme ich auf meine 80 oder 90 Wochenstunden, um eine Apothekenversorgung auch aufrechterhalten zu können.

Hohe Hürden für Apotheker

SWR1: Das heißt, ein Apotheker, der das nicht kann oder will, tut nicht genug?

Nobre: Nein, das stimmt nicht. Es ist natürlich auch regional bedingt, das muss man hinzufügen. Eine Großstadtapotheke hat ganz andere Optionen als vielleicht eine Apotheke, die eher im ländlichen, wirtschaftlich schwachen Raum ist. [...]

Es fehlt auch einfach eine adäquate Vergütung.

Ich würde aber nicht sagen, dass es faule Apotheken gibt, die dann sagen, ich mache jetzt lieber zu als dass ich das hier weiterführe – im Gegenteil. Es fehlt auch einfach eine adäquate Vergütung. Das muss man leider sagen. Unsere Politik hat an der Stelle massiv versagt, das trifft auf die komplette Gesundheitsversorgung [...] zu. Aber Apotheken insbesondere, die seit 2004 keine Anpassung der Vergütung, Inflation oder Sonstiges hatten.

Das vollständige Interview könnt ihr oben im Audio hören.

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