Verloren haben vor allem die Ampelparteien SPD, Grüne und FDP. Stark zugelegt in beiden Ländern hat die AfD – in Hessen ist sie zweitstärkste Kraft. Wir haben darüber mit Claudia Ritzi gesprochen, sie ist Professorin für Politische Theorie an der Universität Trier.
SWR1: Wird das Regieren nach den Ergebnissen bei den Landtagswahlen für die Ampelparteien im Bund jetzt noch schwieriger?
Prof. Claudia Ritzi: Ja, vermutlich schon. Es ist klar, dass alle drei Parteien verloren haben, und das macht allen drei Parteien schwer zu schaffen. Das stellt natürlich schon ein bisschen die Frage nach der Perspektive mit Blick auf die nächsten Bundestagswahlen. Aber auch kurzfristig, mit Blick auf die Art und Weise, wie man miteinander umgeht: Wie schafft man es, gemeinsam an einem Strang zu ziehen, obwohl man doch so unterschiedliche Ziele hat?
SWR1: Das ist offenbar sehr kompliziert mit diesem Dreierbündnis. Das gab es ja noch nie. Besonders interessant ist, dass die FDP zuletzt immer versucht hat, sich abzugrenzen und den ein oder anderen Streit provoziert hat. Jetzt ist sie aber aus einem weiteren Landtag geflogen, in Hessen nur knapp drin. Geht die Strategie also nicht auf?
Ritzi: Offensichtlich geht die Strategie der FDP nicht auf. Und das ist interessant, weil die FDP ja gleichzeitig sehr viel Einfluss auf die Ampel genommen hat. Sie haben ja nicht nur ein Streit angezettelt, sondern am Ende haben sie sich auch wirklich immer relativ gut durchgesetzt. Die Grünen hatten eher den Eindruck, dass sie öfter mal den Kürzeren ziehen. Es gibt auch diese Debatte, ob Olaf Scholz nicht besser mit der FDP kann als mit den Grünen. Trotzdem fruchtet das nicht im Wahlergebnis. Das ist für die FDP eine ganz schwierige Lage.
SWR1: Die AfD hat deutlich zugelegt, in Hessen ist sie sogar zweitstärkste Kraft. Ist die AfD also kein Ost-Phänomen mehr?
Ritzi: Nein, im Moment ist sie das nicht. Das hatte sich ja vorab in den Umfragen auch schon angedeutet. Im Moment gibt es eine starke Zuwendung der Bevölkerung zu einer Protest-Partei. Es gibt eine starke Unzufriedenheit im Land einerseits mit der Regierung, aber diese Unzufriedenheit kann eben nicht wie sonst klassisch die stärkste Oppositionspartei, also die CDU, in Erfolge ummünzen. Das geht wirklich sehr stark auf das Konto der AfD und die erstarkt damit richtiggehend.
SWR1: Manche Experten sagen, die AfD habe den – ich zitiere – "Igitt-Faktor" verloren.
Ritzi: Ja, das ist schwer, es kommt ein bisschen darauf an, welchen Teil der AfD-Wählerschaft man sich anguckt. Es gibt diejenigen, die eine relativ deutliche rechte Orientierung aufweisen. Da gibt es keinen "Igitt-Faktor", schon länger nicht. Es gibt aber auch diejenigen, die wirklich einfach ein Zeichen setzen wollen. Die sagen: "Vieles an dieser Partei passt mir eigentlich nicht so richtig. Aber, liebe Regierungsparteien, so kann es nicht weitergehen." Und insofern ist an diesen Zahlen die Etablierung der Partei insgesamt ganz eindeutig zu sehen.
SWR1: Wenn man jetzt noch in Bayern die Freien Wähler dazu nimmt, die trotz der Flugblattaffäre und der zögerlichen Aufarbeitung durch Spitzenkandidat Aiwanger noch mal zugelegt haben, kann man dann sagen, die deutsche Gesellschaft rückt nach rechts?
Ritzi: Ja, ich glaube, die Freien Wähler haben nicht trotz der Flugblattaffäre, sondern wegen der Flugblattaffäre dazu gewonnen. Auch das war so ein Punkt, wo die Öffentlichkeit ganz anders reagiert hat als das die Journalisten, die diesen Skandal präsentierten, erwartet haben. Viele Menschen haben gesagt: "Das ist eine Kampagne. Das ist so lange her, das nehmen wir dem Aiwanger nicht so richtig übel." Dann hat ihm das sogar in die Karten gespielt, dass er einen Opferstatus wahrnehmen konnte. Aber ja, wenn man die Programmatik derjenigen Parteien anguckt, die da jetzt erfolgreich waren, dann ist da schon ein gewisser Rechtsruck zu verzeichnen.
Das Gespräch führte SWR1 Moderatorin Claudia Deeg.