Welche rechtlichen Folgen es haben kann, wenn man mit Sommerreifen wetterbedingt einen Unfall hat oder von der Polizei kontrolliert wird, darüber haben wir mit Rechtsanwältin für Verkehrsrecht Melanie Knoll gesprochen.
Nur situative Winterreifenpflicht
SWR1: Habe ich ein Problem, wenn ich jetzt wetterbedingt einen Unfall mit Sommerreifen habe?
Melanie Knoll: In Deutschland gibt es keine generelle Winterreifenpflicht, sondern nur eine situative. Das besagt Paragraph 2 der Straßenverkehrsordnung (STVO). Und die Empfehlung Sommerreifen von O(stern) bis O(ktober) ist deshalb nur ein grober Richtwert und hat tatsächlich keine rechtliche Relevanz.
SWR1: "Situativ" heißt, ich muss nicht jedes Mal, wenn das Wetter verrückt spielt, wieder den Wagenheber herausholen?
Knoll: Nein, durchaus nicht.
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Mit unangemessenen Reifen fahren: eine Ordnungswidrigkeit
SWR1: Wenn ich in eine Polizeikontrolle käme, wäre es da auch OK, mit Sommerreifen zu fahren, und die Polizei ist in diesem Fall kulant?
Knoll: Nein, das stellt schon eine Ordnungswidrigkeit dar, wenn Sie mit unangemessenen Reifen bei winterlichen Bedingungen unterwegs sind. Da gibt es zum Teil saftige Bußgelder. Das beginnt mit 60 Euro alleine für den Verstoß. Und da kommt auch immer noch ein Punkt in Flensburg dazu.
Oder man bleibt liegen und verursacht einen Stau oder stellt ein Verkehrshindernis dar. Da erhöht sich das Bußgeld gleich auf 80 Euro mit einem Punkt und bei einem Unfall oder mit einer Gefährdung steigt das Bußgeld dann auf bis zu 120 Euro mit Punkt.
Liegt "grobe Fahrlässigkeit" vor?
SWR1: Ich kann mich nicht darauf berufen, dass ich den Wetterbericht verpasst habe, wenn ich beispielsweise von der sonnigen Südpfalz in die winterliche Eifel fahren muss?
Knoll: Es kommt immer darauf an. Der Autofahrer muss sich die sogenannte "Grobe Fahrlässigkeit" zurechnen lassen. Wenn ich von den Wetterverhältnissen in Mainz überrascht werde, ist das natürlich etwas anderes, als wenn ich einen Urlaub in den Bergen plane oder in eine besonders Kältebelastete Region fahre und ich vom Wetterbericht schon weiß, dass es dort eventuell zu glatten Straßen kommen könnte. Das spielt auf jeden Fall für die "Grobe Fahrlässigkeit" eine Rolle.
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SWR1: Es gibt Unfälle, die mit Winter- oder Sommerreifen relativ wenig zu tun haben, zum Beispiel wenn Sie die Vorfahrt nicht beachten. Habe ich dann trotzdem ein Problem mit meiner Versicherung, weil Sommerreifen drauf sind, obwohl die Reifen eigentlich gar keine Rolle gespielt haben?
Knoll: Zunächst mal für die Haftung des Verkehrsunfalls dürfte das keine Rolle spielen, wenn jetzt die Reifen nicht ursächlich gewesen sind für den Verkehrsunfall. Sprich, ich stehe an der roten Ampel und mir fährt einer hinten drauf. Da spielt die Bereifung erstmal keine Rolle.
Es könnte aber so sein, dass die eigene Versicherung mich in Regress nimmt, wenn ich gegen die grobe Fahrlässigkeit verstoßen habe und mit mangelhafter Bereifung unterwegs war. Das spielt vor allen Dingen bei der Regulierung von Kaskoschäden eine Rolle, wenn die Versicherung meinen eigenen Schaden am Fahrzeug bezahlen muss.
Das Interview führte SWR1 Moderator Christian Balser.