Laut einer Umfrage der Online-Partnerbörse Parship hält rund jeder vierte Deutsche seine erste Liebe für etwas ganz Besonderes und war nie mehr so verliebt wie damals. Auch der Beziehungscoach und Autor Dominik Borde aus Wien beobachtet, dass viele seiner Klienten ihre Jugendliebe nicht vergessen können.
SWR1: Warum hinterlässt die Jugendliebe oft einen derart bleibenden Eindruck?
Borde: Die Jugend und alle damit verbundenen Gefühle sind eine sehr intensive Zeit für uns. Unser Gehirn erlebt in den Jahren vor der Pubertät einen ganz großen Wachstumsschub. Es gibt ganz viele neue Verzweigungen im Gehirn und wir verlieben uns beim ersten Mal Hals über Kopf. Wir lassen uns ganz unschuldig hineinfallen und unseren Gefühlen freien Lauf, weil wir noch keine Enttäuschungen erfahren haben.
Unser ganzer Körper und unsere Hormone sind darauf vorbereitet, ein Teil des Fruchtbarkeitsprogramms der Natur zu werden. Das heißt, wir empfinden alles extrem stark und dadurch sind das tiefe Eindrücke, die wir nie wieder vergessen.
Eine neue Beziehung mit der alten Liebe?
SWR1: Dank Internet suchen viele Menschen bewusst nach ihrer Jugendliebe - gerne auch, wenn sie gerade eine Trennung hinter sich haben. Hat die "alte Liebe" öfter Chancen auf eine Neuauflage?
Borde: Das lässt sich nicht verallgemeinern. Es kommt immer darauf an, warum jemand sucht. Wenn jemand das Gefühl hat, er muss ein zweites Mal jung sein, dann sehnt er sich auch nach diesem Gefühl von Neuanfang, nach dieser Frische, die die aktuell bestehende Beziehung vielleicht schon verloren hat.
In einer bestehenden Beziehung geht es dafür eher in die Tiefe auf eine andere Ebene, Beziehungen werden intensiviert. Den Weg in die Vergangenheit zu einer alten Beziehung ist sehr schwer. Ob das funktioniert, das hängt auch immer von der Motivation ab. Es kann natürlich sein, dass wenn du früher jemanden sehr gut und lange an deiner Seite hattest, eine intensive Verliebtheitsphase hattest und gut auseinander gegangen bist, dass sich da zwei Menschen kennengelernt haben, die auch ein 2.0 miteinander erleben können. Und die, die das schaffen, die bleiben tendenziell dann auch zusammen.
SWR1: Das heißt aber auch: Wenn man nicht Single ist und seine Jugendliebe im Internet sucht, kann das ganz schön gefährlich werden, oder?
Borde: Das ist immer ein Spiel mit dem Feuer. Das Problem ist: das Glück leidet unter dem Vergleich. Wenn du jetzt mit jemandem aus deiner Vergangenheit sprichst und zurück ins "Damals" kommst – als du noch völlig unverblümt auf das Thema "Beziehung" geschaut hast – vergleichst du es schnell mit deiner aktuellen Beziehung, in der es vielleicht die ein oder andere Verletzung gab. Und dieser "Fremde", den du aus deiner Vergangenheit kennst, der verspricht dir etwas völlig Unkompliziertes, Neues und Frisches. Das kann für die bestehende Beziehung gefährlich werden.
Liebe und Beziehung: Was suche ich eigentlich?
SWR1: Was raten Sie Ihren Klienten: Wie sollen sie damit umgehen, wenn sie immer wieder an ihre Jugendliebe denken müssen?
Borde: Ich würde mir überlegen, welche Gefühle ich tatsächlich suche. Denn feststeht, dieser Mensch, den du vermisst, den gibt es ja so in der Form nicht mehr. Der hat sich auch weiterentwickelt. Das heißt, du vermisst ein bestimmtes Gefühl in deiner Beziehung, nicht unbedingt eine bestimmte Person. Und das ist der erste Schritt: Werde der Partner, den du gerne hättest.
Verliebe dich in dein Leben und beginne wieder, das selbst zu imitieren. Was ganz spannend ist: Menschen, die zum Beispiel in der Jugend den höchsten Sexualhormonspiegel hatten, verknüpfen das mit der Musik von damals. Sie verbinden damit die heftigsten Emotionen. Wenn du also in der Jugend mehr Musik gehört hast, dann dreh jetzt die Musik wieder auf, versetze dich wieder in die Zeit zurück und höre wieder mehr Musik.
Oder du probierst etwas Neues aus, mit einer anderen Einstellung als bisher. Einfach so, wie du es gemacht hast, als du noch "Anfänger" warst. Das hilft dir in einer Beziehung und das hilft auch allgemein im Leben. Ich glaube das ist etwas, woran uns die Jugendliebe erinnern kann, wie unbeschwert und frei wir damals noch waren, wie unser Herz offener war und nicht so verschlossen.
Das Interview führte Steffi Stronczyk