120 Ironman-Distanzen in 120 Tagen

Extremsportler Jonas Deichmann: "Ohne Verrückte wäre das Leben langweilig"

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Autor/in
Nicole Schmitt

Seit Jahren verblüfft Jonas Deichmann mit außergewöhnlichen Projekten und Weltrekorden. Seine bislang krasseste Aktion: 120 Ironmen in 120 Tagen. Im Interview mit SWR Sport spricht der 37-Jährige über seine Motivation, mentale Herausforderungen und seinen persönlichen "Ess-Wettbewerb".

Gut gelaunt und braun gebrannt schlendert Jonas Deichmann mit einem Eis in der Hand durch seine spätsommerliche Heimatstadt Stuttgart. "Stracciatella und Pistazie - schmeckt lecker", sagt der 37-jährige Extremsportler, während er von seinem jüngsten Abenteuer, der "Challenge 120" erzählt: "Das war eine unglaublich geile Zeit, wirklich vier Wahnsinns-Monate."

Vier Monate, in denen Deichmann 120 Triathlon-Langdistanzen an 120 aufeinanderfolgenden Tagen absolviert hat. Insgesamt sind das 456 Kilometer Schwimmen, 21.600 Kilometer Radfahren und 5.064 Kilometer Laufen. "Eine gewisse Grundmüdigkeit ist schon noch da", sagt Deichmann im Interview mit SWR Sport zwei Wochen nach seinem letzten Ironman, "aber rein körperlich geht es mir super".

Damit das auch so bleibt, ist für Deichmann neben Medienterminen und Vorträgen jetzt erst einmal Abtrainieren angesagt. Heißt konkret: 40 Stunden Sport pro Woche. "Viel Schwimmen, Radfahren, aber auch Yoga für die Beweglichkeit - alles nach Lust und Laune, ohne Trainingsplan." Das genieße der 37-Jährige nach den langen Monaten eiserner Disziplin.

Extremsportler Jonas Deichmann: "Ohne Verrückte wäre das Leben langweilig" | SWR Sport

120 Ironman-Distanzen im Triathlon-Mekka Roth

Am 9. Mai startete der Extremsportler seine "Challenge 120" im fränkischen Roth. Auf der Strecke der weltgrößten Triathlonveranstaltung, der Challenge Roth, absolvierte Deichmann fortan jeden Tag dieselben 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und 42,195 Kilometer Laufen - und stellte mit seinem 106. Ironman in Folge einen neuen Weltrekord auf.

"Viel stolzer" als auf den Rekord sei Deichmann aber darauf, "so viele Menschen zum Sport gebracht zu haben". Denn nicht nur am Straßenrad jubelten dem Abenteurer tausende Menschen zu, auch auf der Strecke lockte Deichmann Tag für Tag immer mehr Sportbeigeisterte an. "Insgesamt haben über 1.000 Leute die Langdistanz mit mir gemacht und ein paar Tausend sind einen Marathon mit mir gelaufen. Am Ende war das ein richtiger Volkslauf", erzählt Deichmann. Diese Begeisterung sei natürlich auch eine unglaubliche Motivation gewesen.

Deichmann: "Bei Fieber wäre Schluss gewesen"

Die brauchte es vor allem am Anfang. "Tag vier und fünf waren die härtesten", sagt Deichmann rückblickend, "da denkt sich der Körper: 'Was tust du mir hier an?'". Hinzu kamen "Wehwehchen" mit Knieproblemen, Rückenschmerzen und Infekten. Deshalb war auch immer ein Sportmediziner an Deichmanns Seite, der am Abend ein EKG und Ultaschall gemacht hat. "Die Ansage war immer: 'Ich mache weiter, so lange ich keine bleibenden Schäden riskiere.'"

Wenn Deichmann Fieber entwickelt hätte, wäre Schluss gewesen. Denn dann wäre die Gefahr einer Herzmuskelentzündung zu groß gewesen. "Das war für mich mental die schwierigste Situation", sagt Deichmann, "wenn ich mich durch meine Langdistanz kämpfe und weiß: 'Heute Abend wird Fieber gemessen und wenn das zu hoch ist, ist es vorbei.'"

Da denkt sich der Körper: 'Was tust du mir hier an?'

Gele, Riegel, Bananen: Deichmann isst alle 20 Minuten

Der "Worst case" blieb aus und auch ans Aufgeben habe Deichmann nie gedacht. "Ab Tag 20 ging's mir die meisten Tage richtig gut", sagt der Stuttgarter. Eines des Highlights: Die Teilnahme an der Challenge Roth an Tag 60.

Bis dahin hatte Deichmann seinen Rhythmus längst gefunden: 14 Stunden Sport pro Tag - Regeneration - Schlaf - und ganz wichtig: die richtige Ernährung. "Das ganze war auch ein Ess-Wettbewerb", erzählt Deichmann, der 10.000 Kalorien pro Tag verbrannt hat. "An einem Tag kann man mal ins Defizit gehen, aber nicht über vier Monate. Ich muss mein Gewicht halten, sonst schaffe ich das nicht", erklärt Deichmann. Deshalb habe er neben einem größeren Frühstück, Mittag- und Abendessen alle 20 Minuten etwas gegessen -meist in flüssiger Form, Gele oder Riegel.

Deichmann will Grenzen verschieben

So hielt Deichmann 120 Tage durch, stellte einen neuen Weltrekord auf und begeisterte die Massen. Aber warum das Ganze? "Die einfache Antwort ist: 'Weil es geht'", sagt Deichmann und ergänzt schmunzelnd: "Das Leben wäre doch ziemlich langweilig, wenn es keine Verrückten gäbe." Außerdem könne er mit seinen Projekten Grenzen verschieben und den Sport weiterbringen.

Das hat Jonas Deichmann definitiv geschafft - und auch sein nächstes Abenteuer - "alles noch streng geheim"- ist schon in Planung. Jetzt lässt es der Stuttgarter für seine Verhältnisse aber erstmal langsamer angehen. Mit Stracciatella- und Pistazieneis scheint das ganz gut zu funktionieren.

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Nicole Schmitt