Leichtathletik | EM

Hürdensprinterin Rosina Schneider läuft ins EM-Halbfinale

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Autor/in
Michael Richmann

Bei ihrem ersten großen Auftritt auf internationaler Bühne ist Hürdensprinterin Rosina Schneider ins Halbfinale der Leichtathletik-EM 2024 in Rom gelaufen. Und sie hat noch weit größere Ziele.

Einen klitzekleinen Fangirl-Moment hatte sie dann doch: Als einen Tag vor der Leichtathletik-EM in Rom plötzlich die niederländische Sprinterin Femke Bol vor ihr stand, zückte Rosina Schneider ihr Smartphone und drückte ab. Dann war aber auch gut. Schließlich ist die 20-jährige Hürdensprinterin vom TV Sulz (Kreis Rottweil) nicht nach Italien gereist, um Selfies mit ihren Vorbildern zu machen. Die Leichtathletik-EM 2024 in Rom ist für die Nachwuchsathletin der nächste Schritt, um selbst ein Vorbild zu werden.

In der Jugend hat sie bereits angedeutet, wozu sie in der Lage ist: Zwei Titel bei der U20-EM in Jerusalem (2023). Innerhalb von nicht einmal zwei Jahren verbesserte sie ihre Hürden-Bestleistung von 14,69 auf 13,01 Sekunden. Dafür wurde sie zur Nachwuchs-Leichtathletin des Jahres gekürt.

Rosina Schneider zählt als größtes deutsches Hürden-Talent

Damit ist sie noch langsam für die Weltspitze, denn die Jahresbeste Ditaji Kambundji aus der Schweiz schafft die 100 Meter Hürden in 12,49 Sekunden. Damit ist sie auch zu langsam für Olympia 2024 in Paris, denn dafür müsste sie die Strecke in maximal 12,77 Sekunden laufen. Mit ihren bisherigen Leistungen hat Rosina Schneider jedoch ein großes Versprechen für die Zukunft abgegeben. Denn mit ihrem 13,01 Sekunden ist sie schneller als es die Olympia-Starterinnen Cindy Roleder, Pamela Dutkiewicz-Emmerich oder Kirsten Bolm mit 20 Jahren waren.

"Ich habe auch Artikel gelesen, in denen ich schon mit Gina Lückenkemper verglichen werde", sagte Schneider im Interview mit SWR Sport. "Es ist wirklich, wirklich schön zu hören. Aber man muss den Schritt erstmal schaffen."

Rosina Schneider trainierte bereits mit den Größten der Szene

Den Vergleich sehe sie nicht als Bürde: "Es gibt natürlich auch Athleten, die entwickeln sich total früh und dann kommt nichts mehr. Aber ich kann von mir sagen: Ich habe noch so viele Reserven, vor allem was die Hürden-Technik angeht. Deswegen mag ich es auch, mit so kleinen Stars verglichen werden. Es motiviert mich eher und zeigt, dass Menschen an mich glauben." Um nicht abzuheben, brauche sie jedoch ihren Savespace - Freunde, Familie, Trainer - Menschen, die sie erden.

Doch sie gibt alles, um deren Glauben zu rechtfertigen. Mit Hilfe des Landessportverbands Baden-Württemberg und ihres Ausrüsters war sie im Sommer mehrere Wochen in den USA und auf Jamaika. Dort hat sie mit Spitzen-Athletinnen wie Goldmedaillen-Gewinnerin Shelly-Ann Fraser-Price (Sprint), Goldmedaillen-Gewinner Christian Taylor (Dreisprung) und Silbermedaillen-Gewinner Grant Holloway (Hürden) trainiert. "Es war schon ein sehr krasser Eindruck, so von den Menschen, die man kennenlernt - Persönlichkeiten. Shelly zum Beispiel - mit 37 Jahren, einem Kind und läuft trotzdem noch Weltspitze. Das ist wirklich, wirklich heftig."

Hartes Training und überraschende Erfahrungen mit der Weltspitze

Auf Jamaika klingelte um 5 Uhr morgens der Wecker, dann folgten sechs bis acht Stunden Training pro Tag. Doch die wichtigsten Lektionen habe sie abseits der Rennbahn gelernt: "Ich finde, dass ich vor allem gelernt habe, ist, dass die großen Athleten, die ich auf meiner Reise getroffen habe, die sind, die am wenigsten Show machen. Die laufen einfach schnell. Die zeigen, was sie können und die machen, die sind einfach da - nicht abgehoben."

Die Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles als Fernziel

Und die großen der Branche sind bei sich selbst. Das habe sie auch bei der Leichtathletik-EM 2024 in Rom als erstes beeindruckt: "Das ist ganz anders als bei einer Jugend-EM. Die Athletinnen und Athleten sind hier alle so sehr auf sich und ihre Leistung fokussiert." Denn für eine Topleistung muss jedes Mü passen: der Start, die Geschwindigkeit, der Anlauf, der Absprung, die Landung, der Übergang zum Sprint - und das immer und immer wieder von der ersten bis zur letzten Hürde.

Daran will Rosina Schneider feilen, um dann spätestens bei den Olympischen Spielen 2028 in Los Angeles an den Start gehen zu können. Das Olympiastadion und das Olympische Dorf hat sie bereits mit der Delegation des Sportbundes besucht. "Man weiß dann auch, wofür man die ganze Zeit trainiert. Die Motivation steigt, aber man überlegt halt auch: Noch vier Jahre bis dahin, noch so eine lange Zeit. Und auf diesem Weg gibt es noch so viele Zwischenziele - aber LA ist schon ein riesen Ziel."

Vorlauf als Finale - Aus im Halbfinale

Auch dort hat sie sofort das Fotohandy gezückt und abgedrückt. Das Bild dient der Motivation: "Hoffentlich können wir das dann in vier Jahren wiederholen - exakt an der Stelle."

In Rom will Rosina Schneider vor allem Atmosphäre schnuppern, Erfahrungen sammeln und möglichst nah an ihre Bestzeit heranlaufen. Das ist ihr im Vorlauf eindrucksvoll gelungen. Mit ihren 13.10 Sekunden hat sie ihre guten Leistungen bestätigt und sich für das Halbfinale qualifiziert. Hier war für die Hürdensprinterin vom TV Sulz aber Schluss. Durch einen Strauchler kurz vor dem Ziel stand am Ende eine Zeit von 13.41 Sekunden - und der achte Platz im Halbfinal-Lauf.

Stolz und Vorfreude

"Ich habe absolut nicht damit gerechnet", sagte sie SWR Sport. "Ich habe erst von den Reportern erfahren, dass ich es geschafft habe." Sie ist stolz, dass sie damit zu den besten Hürdensprinterinnen Europas gehört. "Ich bin wirklich glücklich, dass meine EM-Premiere so gelungen ist."

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Michael Richmann