Wahl zum Sporthelden 2024: Anjuli Knäsche

Anjuli Knäsche: Stabhochspringerin mit Herz für den Nachwuchs

Stand
Autor/in
Claus-Peter Hufer

Eigentlich hatte Anjuli Knäsche ihre Karriere schon beendet. Doch ihre Arbeit mit jungen Sportlern hat sie wieder motiviert - und das nicht nur zum Leistungssport.

Anjuli Knäsche vom VfB Stuttgart ist Deutsche Meisterin im Stabhochsprung und stand in Paris im Olympischen Finale - das klingt nach Leichtathletik-Vollprofi. Doch der Alltag der 31-jährigen Trainerin bei der LG Leinfelden-Echterdingen sieht ganz anders aus. Sie hat nicht nur einen Vollzeitjob als Trainerin in einer Kooperationsstelle zwischen Schule und Verein und absolviert ihr eigenes Trainingspensum. Sie kümmert sich außerdem ehrenamtlich um das Stabhochsprung-spezifische Training des FLY HIGH-Teams, das sie selbst aufgebaut hat.

Team FLY HIGH entsteht

Knäsches Stabhochsprung-Karriere war im Januar 2019 eigentlich schon vorbei, sie macht Schluss mit dem Leistungssport. Zwei Jahre später, im März 2021, zieht sie von Hamburg nach Leinfelden-Echterdingen, um hier ihrem neuen Vollzeitjob nachzugehen. Der Trainingsbetrieb wird nach der Pandemie wieder aufgenommen und die Athleten der LG Leinfelden-Echterdingen können sich auch im Stabhochsprung ausprobieren.

Im Sommer 2021 veranstaltet Knäsche eine vereinsinterne Stabhochsprung-Sichtung, die großen Zuspruch findet. Daraufhin führte sie 2022 ein Schul-Schnupper-Projekt im Stabhochsprung mit 59 Klassen durch - wieder mit Erfolg, die Stabhochsprung-Gruppe wächst weiter. Im Frühjahr 2023 findet der erste offene Stabhochsprung-Tag statt. Durch Team-Tage, Team-Kleidung und vieles mehr wird aus der anfänglichen Stabhochsprung-Gruppe schließlich eine richtige Mannschaft, das Stabhochsprungteam FLY HIGH.

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Knäsches erfolgreiches Comeback

Und Knäsche selbst? Inspiriert von den jungen Talenten im Verein greift sie drei Jahre nach ihrem Karriereende im Januar 2022 wieder zum Stab. Es folgen fünf Deutsche Meistertitel und fünf internationale Teilnahmen, zwei davon mit Finaleinzug. Was für ein Comeback! Und anders als noch 2019 macht ihr Springen wieder Spaß - ganz ohne Druck, weil der Lebensunterhalt nicht mehr davon abhängt. "Für mich war es immer wichtig, nebenher noch was zu machen. Nur auf den Sport zu setzen, war nie meins", erzählt Knäsche, die auch ein Fernstudium in Wirtschaftswissenschaften abgeschlossen hat.

Leistungssport kann Jugendlichen viel geben

Die Erfahrungen aus der Zeit vor ihrem Comeback will sie aber nicht missen. Sie haben sie geprägt, sie Resilienz und Durchhaltevermögen gelehrt - beides Eigenschaften, die sowohl für schulischen als auch beruflichen Erfolg wichtig sind. Gepaart mit der neu gefundenen Leichtigkeit und Unabhängigkeit ist sie nicht nur beruflich, sondern auch sportlich wieder erfolgreich. "Ich war oft gerade eben noch selbst in der Rolle des Athleten und weiß, was mir in einer Situation gut tut. Das kann ich dann als Trainerin einbringen. Das ist dann einfach schön", kennt sie ein Geheimnis ihres Erfolges. Als Trainerin ist sie eher streng, doch ihre Schützlinge lieben sie, weil sie sich immer auf sie verlassen können.

Voller Einsatz für das Projekt

So kommt es vor, dass Knäsche am Vorabend ihres eigenen Wettkampfes noch eine Extraschicht einlegt und ihren Schützlingen bei deren Wettkämpfen zu neuen Höhenflügen verhilft. Trotzdem liefert sie am nächsten Tag ab, stellt beispielsweise bei den baden-württembergischen Meisterschaften ihre Saisonbestleistung ein und wird Meisterin. "Sie arbeitet 40 Stunden und kriegt es auf die Reihe, auf den Punkt fit zu sein. Das finde ich sehr beeindruckend. Dazu kommt ihre positive Einstellung. Ich kann mir kein besseres Vorbild für meine Kinder wünschen", sagt Sandra Hummel, Mutter zweier Stabhochsprung-Kinder im FLY HIGH Team und Mitbegründerin des Fördervereins für Stabhochsprung.

Aus jeder Situation das Positive ziehen

So geht Anjuli Knäsche unbeirrt ihren eigenen Weg. Unterwegs zu ihren Zielen erfindet sie keine Ausreden und holt aus jeder Widrigkeit das Beste für Ihre Schützlinge heraus. Beispiel gefällig? Nachdem bekannt wurde, dass die Stadionsanierung in Leinfelden-Echterdingen viele Monate dauern wird, organisiert sie kurzerhand alternative Trainingsmöglichkeiten bei benachbarten Vereinen, am Olympiastützpunkt, aber auch auf Spielplätzen und auf provisorisch unter dem Tribünendach ausgerollten Tartanläufern.

"Ja, wir haben aktuell unsere Trainingszeiten sehr aufgesplittet. Aber ich glaube, das härtet die Kinder und Jugendlichen ab. Auch im Wettkampf hat man nicht immer Traumbedingungen", zieht Knäsche auch aus dieser Situation das Positive. Und der Erfolg gibt ihr recht. So schaffte es Jonathan Hummel aus dem FLY HIGH Team in den U18-Bundeskader NK2, und Nils Bubeck sowie Marit Belz gelang der Sprung in den Landeskader.

Landestrainer Munz unterstützt Knäsche

Knäsche selbst wird von Stephan Munz, Landestrainer Stabhochsprung in Baden-Württemberg, als Coach und Mentor begleitet. "Es ist schon sehr beeindruckend, was Anjuli leistungssportlich geschafft hat", lobt Munz, für den Knäsche nicht nur Schützling sondern in erster Linie Kollegin ist. "Ich bin immer wieder überrascht, wie sie das alles vom Zeitmanagement und vor allem auch von der Energie her hinkriegt", bewundert er das sehr strukturierte Vorgehen. Knäsche und er sind inzwischen seit über zwei Jahren ein eingespieltes Team. Und Munz glaubt fest an Knäsches Potenzial: "Wenn wir so weiterarbeiten und das ein oder andere technische Problem lösen, kann es noch einen Schritt weiter hoch gehen. Dann ist sie in der absoluten Weltspitze angekommen."

Doch was für ihn noch wichtiger als der sportliche Erfolg ist, sind die Werte, für die Knäsche steht: "Wie man mit Niederlagen umgeht, sich Ziele setzt, hart an etwas zu arbeiten, auch wenn der Erfolg nicht gleich sichtbar wird - all das ist unheimlich wichtig fürs Leben." Und für all das steht Anjuli Knäsche.

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Claus-Peter Hufer