SWR Sport: Fabienne Königstein, Sie waren als DOSB-Präsidiumsmitglied und als Vertreterin der Athletinnen und Athleten in Paris und sind mit all ihren Eindrücken zurück. Was bleibt von den Olympischen Spielen 2024 aus Ihrer Sicht?
Fabienne Königstein: Das sind vor allem die Emotionen – die Freude, wenn die Athletinnen und Athleten erfolgreich waren und sich all die harte Arbeit ausgezahlt hat, aber auch die eine oder andere Niederlage, der Frust. Und natürlich das Gesamtbild von Paris, wie die Stadt inszeniert wurde. Das war einfach Wahnsinn.
Das deutsche Team hat für besondere Momente gesorgt, im Medaillen-Ranking war es nur gerade so noch die Top Ten – woran liegt das?
Über die Frage wird schon lange und intensiv diskutiert, und klar ist: Das hat viele Gründe. Zum einen wird die internationale Konkurrenz stärker, auch dort werden die Förderstrukturen und die Investitionen größer. Das andere ist die Wertschätzung in Deutschland für die Athletinnen und Athleten. Oft steht Sport hinten an. Ich denke da etwa an den Schulsport, wo vielerorts nicht mal drei Stunden Schulsport pro Woche garantiert werden und der Nachwuchs fehlt.
Was müsste sich aus Ihrer Sicht verändern?
Wenn ich an meine eigene sportliche Karriere denke, dann ist das natürlich mit viel Unsicherheit verbunden. Sportlerinnen und Sportler können ihr Leben lang hart trainieren, eine Garantie, dass sie bei ihrem Saison- oder Lebenshöhepunkt wie Olympia fit an der Startlinie stehen, gibt es aber nicht. Eine Verletzung, eine Erkältung im falschen Moment – das kann alles passieren. Und dass da mehr soziale Absicherung geschaffen wird, dass es eine Perspektive gibt, damit junge Athletinnen und Athleten sehen, dass das ein Berufsweg ist, denn sie gehen können, ohne Angst im Alter auf der Straße zu leben.
Schwimmerin Angelina Köhler hat kritisiert, dass das Preisgeld beim Sieg in einer Realityshow höher ist als bei einem Olympiasieg…
Ich kann das Statement nur unterstreichen – die Prämien sind zu niedrig. Da wären wir auch wieder beim Thema Wertschätzung. Die braucht es nicht nur alle vier Jahre, sondern auch in Jahren, in denen es keine Olympischen Spiele gibt.
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Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln kommt zu dem Schluss: Die deutsche Sportförderung ist ineffizient. Es gebe zu viel Bürokratie, die Förderung sei deshalb nicht zielgerichtet. Wie nehmen Sie das wahr?
In meiner Erfahrung ist es auch so, dass viele Gelder, die aus öffentlicher Hand kommen, irgendwo in den Verbänden versanden und wir oft gar nicht so genau wissen, was damit passiert. Ich würde mir wünschen, dass mehr Geld direkt bei den Athletinnen und Athleten landet. Aktuell haben wir eine Einjährigkeit – es besteht also jedes Jahr das Risiko, die Förderung zu verlieren, etwa wegen einer Verletzung. Wichtig wäre, dass da mehr Sicherheit geschaffen wird. Dazu gibt es Bedarf bei der Unterstützung des Leistungspersonals, also den Trainerinnen und Trainern, sowie in der strukturellen Weiterentwicklung der Olympia-Stützpunkte.
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Es ist aber auch wichtig, dass wir eine gesellschaftliche Debatte starten, was für eine Art Leistungssport wir möchten. Möchten wir im Medaillenspiegel ganz oben stehen? Dann müssten wir vielleicht zu der Entscheidung kommen, Mannschaftssportarten nicht mehr zu fördern – weil das viele Athletinnen und Athleten sind, die aber nur eine Medaille beisteuern. Oder man müsste nicht mehr in Sportarten investieren, die international so starke Konkurrenz haben, dass es schwer wird, erfolgreich zu sein. Das möchten wir alle auch nicht. Es wäre also wichtig, sich zu überlegen, was wir wollen: Zählen wirklich nur die Medaillen oder vielleicht auch die individuellen Geschichten der Athletinnen und Athleten?
Die nächsten Spiele sind 2028 in Los Angeles – was wünschen Sie sich bis dahin, was sich auch in Sachen Förderung, aber auch für die Sportlerinnen und Sportler verändert?
Ich würde mir wünschen, dass es ein Individual-Budget gibt. Jede Athletin, jeder Athlet hat andere Punkte, bei denen er Unterstützung braucht. Ich bin Mutter – für mich wäre es hilfreich, wenn ich für Trainingslager noch finanzielle Mittel hätte, um etwa eine Betreuungsperson mitzunehmen, damit ich meine Tochter bei mir haben kann und Unterstützung in der Kinderbetreuung habe. Bei anderen Athletinnen oder Athleten ist es vielleicht eher die mentale Seite und die Zusammenarbeit mit Sportpsychologen, in die sie investieren könnten. Dass also die Athletinnen und Athleten ein Budget haben, das sie für den Sport nutzen können, aber eben genau an den Stellen, wo sie es am dringendsten brauchen.