Real Madrid mit Günter Netzer zu Gast beim VfB Stuttgart 1974

Fußball | Bundesliga

Vor 50 Jahren: Real Madrid mit Netzer und Breitner gegen den VfB Stuttgart

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Autor/in
Kersten Eichhorn

Am Dienstag (21 Uhr) ist der VfB Stuttgart bei seinem Champions-League-Comeback zu Gast bei Real Madrid. Bereits 1974 waren die ruhmreichen "Königlichen" Gegner der Schwaben.

Hermann Ohlicher kann auf eine lange, erfolgreiche Karriere beim VfB Stuttgart zurückblicken. In 389 Spielen trug der Angreifer von 1973 bis 1985 das Trikot mit dem roten Brustring, wurde 1984 sogar Deutscher Meister mit den Schwaben. Eine Partie, ausgerechnet ein Freundschaftsspiel, hat der inzwischen 74-Jährige bis heute noch in ganz besonders lebhafter Erinnerung: Das Duell vor knapp 50 Jahren gegen Real Madrid.

Es war ein herbstlicher Abend im damaligen Neckarstadion. Der 17. November 1974, ein außergewöhnlicher Tag in der Stuttgarter Fußballgeschichte, auch für den früheren Stuttgarter Kapitän Ohlicher, wie er gegenüber SWR Sport bestätigt: "Das war ein Riesenerlebnis vor vollem Haus, ein absoluter Höhepunkt". Die "Königlichen" waren zu Gast beim VfB. Ein Testspiel mit berühmten Kickern und großer Publikumsresonanz: Real Madrid, das weltbekannte "weiße Ballett", lockte 55.000 Zuschauer in die Cannstatter Arena. Außergewöhnlich für ein Testspiel. Aber der Gegner war schließlich auch ein außergewöhnlicher, die zu jener Zeit erfolgreichste Mannschaft der Welt.

Günter Netzer und Paul Breitner mit dabei in Stuttgart

Schon lange vor Spielbeginn herrschte an jenem Sonntagabend Volksfest-Atmosphäre rund ums Neckarstadion, war der Mannschaftsbus der Madrilenen bei der Ankunft vor allem von spanischen Fans schwer umlagert Mehr als 10.000 Real-Fans feierten vor dem Anpfiff mit Wein und Tanz eine Art "Fiesta Espanola", wie sich der damalige Fernsehreporter des SDR, Helmut G. Müller, ausdrückte. Auch wenn damals, vor 50 Jahren, der alte Glanz des bis dahin fünfmaligen Europapokalsiegers der Landesmeister schon etwas länger zurücklag, strömten an diesem Tag die Fußballanhänger nach Stuttgart.

Was auch an zwei deutschen Weltmeistern lag: Die beiden 74er WM-Helden Günter Netzer und Paul Breitner trugen das blütenweiße Trikot, sollten bei Real für frischen Wind sorgen. Und das gelang ihnen auch eindrucksvoll: 1975 und 1976 wurden sie mit Madrid gemeinsam spanischer Meister. 1975 auch Pokalsieger, ehe sich die Wege wieder trennten.

Real Madrid wurde nach der Saison spanischer Meister

Während der Ex-Gladbacher Netzer bereits ein Jahr zuvor in die spanische Hauptstadt gekommen war, wechselte Breitner erst wenige Wochen vor dem Spiel in Stuttgart vom FC Bayern nach Madrid. Ein ganz entscheidender Transfer für Real. "Der Einbau von Paul Breitner ist für uns und auch für mich sehr wichtig gewesen", begründete Günter Netzer, vor wenigen Tagen runde 80 Jahre alt geworden, damals den Aufwärtstrend des Tabellenführes Real in der spanischen Liga in der Saison 1974/75, die auch erfolgreich mit dem Gewinn des Meistertitels endete, "weil ich mich schon in der Nationalmannschaft gut mit ihm verstanden habe".

Paul Breitner selbst ließ sich vor dem Spiel im Neckarstadion nicht bei den euphorisierten spanischen Fans sehen, er kam erst mit dem Einlaufen der Mannschaften, Real wie meist üblich in schneeweißer Spielkleidung, aus der Kabine. Beide Superstars, Breitner und Netzer, wurden bei der Verkündung der Aufstellungen jeweils mit brausendem Jubel der 35.000 gefeiert.

Seinen Abschied zuvor vom FC Bayern begründete Breitner gegenüber SDR-Reporter Müller übrigens mit fehlender Motivation bei den Münchnern, die 1974 alles gewonnen hatten: "Die Lust am Spiel war verloren gegangen, die Kraft war nicht mehr da". Der Wechsel zum Weltclub Real Madrid für einen Ehrgeizling wie Breitner also folgerichtig.

Paul Breitner mit Real Madrid zu Gast beim VfB Stuttgart
Paul Breitner mit Real Madrid zu Gast beim VfB Stuttgart

Hermann Ohlicher "ging beim Elfmeter die Pumpe"

Zum Spiel selbst: Nach einem Foul an Helmut Dietterle brachte VfB-Torjäger Hermann Ohlicher Stuttgart per Elfmeter mit 1:0 in Führung. "Da ging mir vor so vielen Zuschauern und dann noch gegen Real ganz schön die Pumpe", lacht Hermann Ohlicher im Gespräch mit SWR Sport. Zumal die Partie auch live am Sonntagabend im ZDF übertragen wurde. Erstaunlich übrigens: Der VfB hatte einen Tag zuvor noch in der Bundesliga bei Eintracht Frankfurt gespielt, nach 3:5-Rückstand noch spektakulär 5:5 gespielt. Auch hier traf Ohlicher zweimal für Stuttgart.

Ein starker Netzer und ein noch stärkerer Breitner heizten nach Hermann Ohlichers Führungstreffer den Schwaben kräftig ein, vor allem Breitner scheiterte mit seinen Aktionen immer wieder am überragenden VfB-Torhüter Gerhard Heinze. Hermann Ohlicher, der seit letztem Jahr übrigens auf Nordstrand an der Nordsee lebt, zeigt sich auch heute noch begeistert vom Auftritt der beiden: "Netzer war läuferisch gut drauf, Breitner trieb mit del Bosque das Spiel von Real an", kennt der 96malige Bundesliga-Torschütze nach wie vor viele Details aus den 90 Minuten.

Santillana traf für Real zum 1:1-Endstand

Kurz vor der Pause war der reaktionsschnelle VfB-Keeper Heinze dann aber doch geschlagen, als Real-Mittelstürmer Santillana mit einem Traumtor den 1:1-Endstand schoss. Der spanische Nationalstürmer hatte eine Rechtsflanke volley ins Stuttgarter Netz gezimmert.

Gewinn für Verein und Fans des VfB

Ungewöhnlich offen zeigte sich das damalige Vorstandsmitglied Gerhard Mayer-Vorfelder, was die Frage nach den Kosten für den Auftritt der Madrilenen in Stuttgart betraf. "Wir haben das Spiel für 90.000 Mark netto abgeschlossen, inclusive Hotel- und Flugkosten", so der spätere Präsident des VfB, der 2015 verstarb. Bei Eintrittspreisen von durchschnittlich sechs Mark (!) blieben mit der Einnahme der vielen Zuschauer sogar noch 100.000 Mark für die Stuttgarter übrig, so MV. Zu jener Zeit eine sehr ordentliche Summe für einen Bundesligisten.

Ohlicher und das verlorene Real-Trikot

Am Ende also ein finanzieller Gewinn für den Verein. Vor allem aber auch ein fußballerisches Erlebnis für Spieler und Fans des VfB Stuttgart. Ärgerlich allerdings für Torschütze Hermann Ohlicher: "Ich hatte damals mit einem Real-Spieler das Trikot getauscht, leider ist es inzwischen bei mir verschüttet gegangen". Schade drum...

Real Madrid in der Stuttgarter Arena - das gab`s danach nur noch einmal: Am 16. November 1993 war`s gewesen, auch diese Partie endete mit einem 1:1-Unentschieden. Die Weltmeister und ehemaligen Real-Stars Günter Netzer und Paul Breitner hatten da ihre Spieler-Karriere schon längst beendet. Ebenso Hermann Ohlicher, der 1985 die Kickstiefel an den Nagel hängte. Geblieben sind im Hause Ohlicher allerdings die Eindrücke vom 17. November 1974. Auch knapp 50 Jahre danach in der neuen Wahlheimat auf Nordstrand.

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Kersten Eichhorn

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