Der Blick auf das Foto der damaligen Anzeigetafel im Stuttgarter Neckarstadion führt auch heute noch zu ungläubigem Staunen: Tauchte doch an jenem 13. Mai 1977 gleich sechs Mal derselbe Name auf: Hitzfeld, Hitzfeld, Hitzfeld, Hitzfeld, Hitzfeld, Hitzfeld. Der VfB Stuttgart hatte am vorletzten Spieltag der Zweitliga-Saison 1976/77 den SSV Jahn Regensburg vor 40.000 Zuschauern mit 8:0 vom Platz gefegt - und der VfB-Angreifer Ottmar Hitzfeld gleich sechs der acht Tore für die Schwaben geschossen. Bis heute ein Zweitliga-Rekord.
Hansi Müller: "Hitzfeld war ein Schlitzohr"
Schon zur Pause leuchtete der Name Hitzfeld, damals noch weiß auf schwarz, vier Mal auf der Anzeigetafel auf- Danach folgten noch zwei weitere Treffer des gebürtigen Lörrachers. Der schlaksige Stürmer zog an diesem historischen Abend in Bad Cannstatt geradezu magisch die Bälle an. Außer ihm trafen nur noch Sturmpartner Dieter Hoeneß und Klaus Jank. "Wir haben uns damals in einen Rausch gespielt", erinnerte sich Mitspieler Hansi Müller vor einigen Jahren an den Kantersieg gegen die Niederbayern. Und Nebenmann Ottmar Hitzfeld? "Einer der sechs Tore macht ist nicht nur ein guter Stürmer sondern auch ein Schlitzor", so Müller, "einer der immer an der richtigen Stelle steht, wenn es darauf ankommt".
Hitzfeld, gegen Regensburg 28 Jahre alt, war 1975 vom FC Basel aus der Schweiz zum Zweitligisten VfB gekommen und schoss in 77 Spielen immerhin 38 Tore im Trikot mit dem roten Brustring. Der Sechserpack gegen die bedauernswerten Regensburger markierte selbstverständlich das Highlight in der Stürmerkarriere des ehemaligen deutschen Amateurnationalspielers, der 1972 auch am Fußballturnier der olympischen Spielen in München teilgenommen hatte. Gegenüber der Stuttgarter Zeitung sagte Ottmar Hitzfeld einmal, dass ihm als Teamplayer die sechs Treffer gegen Regensburg "fast schon ein bisschen peinlich waren. Was denken da meine Mannschaftskollegen, wenn einer plötzlich sechsmal trifft". Irgendwie typisch diese Bescheidenheit für einen Sympathen wie Hitzfeld.
Der Wiederaufstieg des VfB Stuttgart: Mit dem "100-Tore-Sturm" in die Bundesliga
Eine Woche nach dem legendären 8:0 gegen den Jahn stiegen die Stuttgarter um Trainer Jürgen "Wundermann" Sundermann und die jungen Talente Karlheinz Förster und Hansi Müller übrigens mit einem 0:0 bei Eintracht Trier wieder in die Bundesliga auf. Die Euphorie um den VfB war riesengroß. Ottmar Hitzfeld hatte mit seiner Routine und seiner Torgefährlichkeit (22 Treffer in der Saison) neben dem bulligen Mittelstürmer Dieter Hoeneß großen Anteil am Erfolg und die Rückkehr in die Erstklassigkeit. Unvergessen der damalige "100-Tore-Sturm" der Stuttgarter, der die Liga aufmischte. Ottmar Hitzfeld, Dieter Hoeneß und Hermann Ohlicher wurden bestens vom genialen Edeltechniker und Zehner Hansi Müller gefüttert.
1978 ging Ottmar Hitzfeld vom VfB zurück in die Schweiz
1978, nach einer Saison und fünf Toren für den VfB in der Bundesliga, wechselte Hitzfeld zurück in die Schweiz und beendete nach zwei Jahren in Lugano und drei Spielzeiten beim FC Luzern 1983 seine Spielerkarriere. Über seine grandiose Trainerkarriere später vor allem bei Borussia Dortmund und beim FC Bayern München muss man an dieser Stelle nicht viele Worte verlieren.
Aber keine Frage und trotz aller nationaler und internationaler Titel: Den 13. Mai 1977 und die sechs Tore im Neckarstadion gegen Jahn Regensburg wird auch Ottmar Hitzfeld niemals vergessen. Damals, als er mit seinem Namen fast die komplette Stuttgarter Anzeigentafel ausfüllte.