Silas war beim VfB Stuttgart ein Mann für die besonderen Momente

Fußball | Meinung

Silas' Abschied beim VfB Stuttgart: Lass uns bitte Freunde bleiben

Stand
Autor/in
Johann Schicklinski

Der VfB Stuttgart trennt sich - zumindest vorerst - von Silas. Der Flügelflitzer wird bis zum Saisonende an Roter Stern Belgrad verliehen. Der Abschied tut weh, muss aber sein, findet SWR Sportredakteur Johann Schicklinski.

Die allermeisten Beziehungen laufen idealtypisch in verschiedenen Phasen ab. Am Anfang stehen immer das Kennenlernen und die erste Verliebtheit. Man hat Schmetterlinge im Bauch, schwärmt von- und füreinander und findet alles toll, was der Partner macht. Ist man dann eine Weile zusammen, sieht man vielleicht nicht mehr alles rosarot, dafür hat man in der Regel durch gemeinsames Erleben ein tiefes Vertrauen aufgebaut. Man weiß, was man aneinander hat und wertschätzt sein Gegenüber.

Im Anschluss folgt oft die Phase, die über den weiteren Verlauf einer Beziehung entscheidet. Eine gewisse Gewöhnung hat eingesetzt. Eigenarten fangen plötzlich an zu stören, vermeintliche Kleinigkeiten können Streitigkeiten auslösen. Es wird also kritisch, was nicht alle Partnerschaften überstehen. Manche leben in der Folge eher neben- als miteinander, bis es irgendwann zur Trennung kommt.

Trennung zwischen Silas und dem VfB Stuttgart

Getrennt haben sich gerade Silas und der VfB Stuttgart. Der Flügelflitzer wechselt auf Leihbasis zu Roter Stern Belgrad. Die Beziehung zwischen dem 26-Jährigen und dem schwäbischen Traditionsklub hatte in den vergangenen fünf Jahren viele Höhen und Tiefen, beide Seiten haben einiges durchgemacht und viele verschiedene Phasen durchlebt.

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Kennengelernt haben sich der VfB und Silas 2019, als das Top-Talent zu den gerade in die 2. Liga abgestiegenen Stuttgartern gewechselt war. Nach kurzem Beschnuppern fand man sich schnell anziehend und aufregend. Der Kongolese trug sieben Tore zum Wiederaufstieg bei, noch viel mehr faszinierte aber sein unkonventioneller Stil. Man wusste nie, was als nächstes kam, alles war möglich. Die Fans des schwäbischen Traditionsklubs waren schwer verliebt in Silas, dieser erwiderte die Gefühle.

Silas und der VfB - zunächst ein "Match made in Heaven"

Nach dem Aufstieg im Sommer 2020 kam dann die beste Phase der Beziehung. Silas trumpfte in der Bundesliga auf und wurde gleich dreimal zum "Rookie des Monats gewählt" (und später als "Rookie der Saison" ausgezeichnet). Er wurde in Stuttgart geliebt - und liebte selbst die baden-württembergische Hauptstadt.

Erste Risse in der Beziehung

Doch der "Honeymoon" endete abrupt - Silas riss sich im März 2021 das Kreuzband und musste in der Folge acht Monate pausieren. In diese Zeit - Juni 2021 - fiel auch die Öffentlichmachung seines Identitätsschwindels. Der VfB Stuttgart und Silas rückten dadurch noch einmal enger zusammen, unterstützen sich gegenseitig und standen füreinander ein - so wie es in einer guten Beziehung sein sollte.

Der Zauber ist verflogen

Als Silas nach über acht langen Monaten wieder auf dem Feld stand, war er noch nicht wieder der Alte. Die sportliche Krise des gesamten Klubs erschwerte es ihm zusätzlich, zu alter Unbekümmertheit zurückzukehren. Eine Schulter-Luxation im Februar 2022 bedeutete die nächste lange Zwangspause - und der VfB war mittlerweile dauerhaft im Tabellenkeller. Beide Seiten hatten mehr mit sich selbst als miteinander zu tun und fingen an, nebeneinander herzuleben. Kurz: Es war nicht mehr so, wie es einst gewesen war. Der Zauber war verflogen.

Silas schaffte es in der Folge nicht mehr dauerhaft zum Stammspieler, er wurde zwar noch geliebt, aber gleichzeitig waren Zweifel gesät, wie die gemeinsame Zukunft ausschauen sollte - und ob es sie überhaupt geben würde. Seine Alleingänge - einst faszinierend und Grund für Kribbeln im Bauch - sorgten jetzt häufig für Kopfschütteln. Ganz wie in einer Beziehung, wenn anfangs geschätzte Eigenheiten eines Partners mit der Zeit zur Marotte werden.

Neue Hoffnung in einer eigentlich erkalteten Partnerschaft

In der Vizemeistersaison 2023/2024 kam Silas meist nur als Einwechselspieler zum Einsatz, der VfB Stuttgart und seine Fans hatten jetzt neue Lieblinge. Zwei Glanzleistungen kurz vor Ende der Spielzeit (Tor und Vorlage beim 3:1 gegen den FC Bayern am 32. Spieltag, zwei Treffer, darunter das "Tor des Monats", beim 4:0 gegen Gladbach am 34. Spieltag) sorgten dennoch für neue Hoffnung in einer eigentlich erkalteten Partnerschaft.

Der Glaube an einen Neuanfang wurde auch durch eine starke Vorbereitung auf die aktuelle Spielzeit genährt. Wie in vielen Beziehungen stirbt die Hoffnung zuletzt, allerdings muss man sich die Realität irgendwann eingestehen.

Und diese ist bitter: Die Einwechslung von Silas im Supercup gegen Bayern Leverkusen (2:2, 3:4 i.E.) sollte sein bis dato letzter Einsatz für den VfB Stuttgart gewesen sein. Der Flügelspieler erfüllte seine taktischen Aufgaben nicht vollumfänglich und vernachlässigte die Defensivarbeit, so dass er sich dadurch den Unmut von Trainer Sebastian Hoeneß zuzog.

Der Erfolgscoach ließ ihn im Anschluss weder an den ersten zwei Bundesligaspieltagen ran noch im DFB-Pokal. Damit war klar: Es ist vorbei, es macht keinen Sinn mehr, man sollte getrennte Wege gehen - was der VfB Stuttgart und Silas jetzt tun.

Die Trennung macht Sinn

Mir persönlich fällt der Abschied extrem schwer - und ich glaube, dass ich damit für viele rund um den VfB Stuttgart stehe. Silas ist mir über die Jahre mit seiner unorthodoxen Art, Fußball zu spielen, und seinem breiten Lächeln ans Herz gewachsen. Einen Platz darin findet er weiterhin. Mein Kopf sagt aber, dass die Trennung sportlich Sinn macht. Kurz: Es ist besser, wenn jeder sein Leben alleine weiterlebt.

Zunächst ist es zwar nur eine Trennung auf Zeit, die Leihe ist bis nächsten Sommer befristet, aber machen wir uns nichts vor: Der VfB Stuttgart und Silas werden nicht mehr zusammenfinden. In Belgrad kann sich der Offensivspieler auf der Bühne Champions League präsentieren, so dass im Sommer neue Interessenten vor der Tür stehen dürften. Dann erfolgt wohl der endgültige Abschied.

Als Freunde auseinandergehen

Für mich fehlt er zwar jetzt schon, aber ich hoffe, dass beide Parteien im Guten auseinandergehen. Denn auch das ist etwas Erstrebenswertes, das längst nicht für alle Beziehungen gilt: Man liebt sich nicht mehr, ist aber rational genug, um wertzuschätzen, was man hatte - und Freunde zu bleiben. Und genau das wünsche ich mir für Silas und den VfB Stuttgart.

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Johann Schicklinski

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