"Brutal", "tragisch" und "nicht so schnell zu verkraften": Die Enttäuschung nach der 1:2-Niederlage gegen Spanien und dem Ausscheiden im EM-Viertelfinale ist riesig. Es ist das schmerzhafte Ende einer "großen Party", das auch Cacau, EM-Botschafter der Stadt Stuttgart, "noch nicht verdaut" hat. Dennoch zieht der 43-Jährige eine sehr positive Bilanz: "Es war waren drei fantastische Wochen in Stuttgart mit einer sehr guten Stimmung und tollen Fans". So etwas nach der WM 2006 noch einmal erleben zu dürfen, sei ein "Privileg".
"Man hat ja immer gedacht: Wird es nochmal ein Sommermärchen? Wird es wieder so schön?", sagt Cacau im Interview mit SWR Sport und ergänzt: "Obwohl Deutschland ausgeschieden ist, war oder ist das für mich fast eine Wiederholung."
Fünf EM-Spiele in Stuttgart
Los ging die Stuttgarter EM-Party beim Eröffnungsspiel der Deutschen gegen Schottland (5:1). Das fand zwar in München statt, aber die Fanzone auf dem Schlossplatz lockte direkt 30.000 Fußball-Begeisterte an. Zwei Tage später rollte beim 1:1 zwischen Slowenien und Dänemark dann auch zum ersten Mal der Ball in der baden-württembergischen Landeshauptstadt.
Es folgten die Vorrundenspiele zwischen Deutschland und Ungarn (2:0), Schottland und Ungarn (0:1) und Belgien gegen die Ukraine (0:0). Das Viertelfinale zwischen Spanien und der deutschen Nationalmannschaft war dann der emotionale Höhepunkt: "Ich habe es noch nicht erlebt, dass ein Stadion plötzlich die Nationalhymne anstimmt", sagt DFB-Präsident Bernd Neuendorf, "das war für mich sehr bewegend und bemerkenswert und zeigt auch, dass die Leute das Turnier mögen, die Mannschaft mögen".
Hunderttausende feiern in Fanzonen
Und auch bei Thomas Pollak, Gesamt-Projektleiter für die Host City Stuttgart, fällt das Fazit durchweg positiv aus. "Wir hatten an den Spieltagen eine faszinierende Stimmung in der Arena und haben die ganze Stadt zum Stadion gemacht." Bei allen fünf Spielen war die Arena mit 51.000 Zuschauern ausverkauft, in den vier Fanzonen feierten laut Veranstalter bislang 700.000 Fans die Europameisterschaft. "Wir sind zum jetzigen Zeitpunkt sehr zufrieden, denn unsere Planungen und Konzepte für den öffentlichen Nahverkehr, das Verkehrsmanagement und die Sicherheit haben sich an den Spieltagen auch im Hinblick auf die Fan-Walks als absolut zuverlässig erwiesen."
"No Scotland, no party": Schottische Fans begeistern
Maßgeblich zu der ausgelassenen Stimmung beigetragen haben die schottischen Fans. Sie bevölkerten Stuttgart und sorgten - trotz der aus sportlicher Sicht mageren Bilanz - für gute Laune. Mit ihrem EM-Song "No Scotland, no party" wurden sie zum Fan-Liebling der Europameisterschaft. "Wir werden sie vermissen", sagt Cacau, "und ich glaube, sie Stuttgart auch".
In ganz besonderer Erinnerung bleibt ein junger Fan, der als "Ehrenschotte" in den sozialen Netzwerken bekannt wurde: Nach dem 0:1 gegen Ungarn blieb beim Public Viewing im Stuttgarter Schloßgarten einiges an Müll liegen. "Es ist eine Schande, dass so viele Leute so gegangen sind", sagt der junge Mann zu SWR Sport und sammelte den Müll ein. "Ihr habt uns einen wundervollen Park gegeben, um das Spiel zu schauen. Ihr wart unglaublich gastfreundlich. Wir lieben euer Land."
Trauer um gestorbenen Polizisten und Messerangriff überschatten positive Polizei-Bilanz
Von einer sehr friedlichen und zugleich ausgelassenen Stimmung spricht auch die Stuttgarter Polizei. "Dafür dass zehntausende Menschen in der Stadt waren, sind wir sehr zufrieden", sagt eine Sprecherin zu SWR Sport. Polizeipräsident Markus Eisenbraun verwies aber auch auf den Messerangriff am 26. Juni, bei dem ein 25 Jahre alter Mann während des Public Viewings des Spiels Türkei gegen Tschechien drei Menschen schwer verletzt haben soll. Der mutmaßliche Täter hat nach Polizeiangaben einen syrischen Pass und kam in Untersuchungshaft. Die schnelle Festnahme hat Eisenbrauns Worten zufolge gezeigt, "dass wir hier gut aufgestellt waren und die einzelnen Rädchen ineinandergegriffen haben".
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Die Viertelfinals der Europameisterschaft sind Geschichte, die Top-Teams haben sich durchgesetzt. SWR-Sportredakteur Pirmin Styrnol ist dennoch von der Qualität der Spiele enttäuscht.
Besonders betroffen mache die Polizei der Tod eines Kollegen nach einem Verkehrsunfall am 24. Juni, sagte der Präsident. Ein Auto war mit dem Motorrad des 61-jährigen Beamten zusammengeprallt. Ein weiterer Polizist kam mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus. Die beiden gehörten der Motorradstaffel der Verkehrspolizei Stuttgart an, die den ungarischen Regierungschef Viktor Orbán nach einem EM-Spiel der Nationalmannschaft seines Landes auf dem Weg zum Flughafen eskortierte. "Dieses Ereignis trübt unser bislang eigentlich so positives Fazit des Einsatzes erheblich", sagte Eisenbraun.
Fanfest geht weiter
Nun hofft die Polizei, dass die restlichen Spiele friedlich verlaufen. Denn auch, wenn in Stuttgart nicht mehr gekickt wird: Die EM-Party auf den vier Fanzonen geht bis zum Finale am 14. Juli weiter.
Darauf, wer dann den Titel gewinnt, will sich EM-Botschafter Cacau aber noch nicht festlegen. "Für Spanien werde ich nicht sein, obwohl sie wahrscheinlich die beste Mannschaft haben."