Die neue Nowcast-Statistik zeigt nun zum ersten Mal, wann genau Menschen durch das Coronavirus krank werden. Es geht da nicht mehr nur um das Meldedatum - also wann ist ein Test positiv:
Bei der neuen Statistik geht es jetzt um die Frage, wann haben sich die positiv getesteten Menschen zum ersten Mal krank gefühlt?
Viele Gesundheitsämter melden mittlerweile diese Zahlen – doch leider nicht alle. Und dieses Problem löst das Robert-Koch-Institut nun mit Schätzungen. Der Erkrankungsbeginn wird geschätzt – auch wenn die Menschen nur leichte Symptome hatten und die Krankheit wahrscheinlich nicht gemerkt haben.
Wir wissen also nun auch besser, wann sich die Menschen zum ersten Mal krank gefühlt haben und so können wir nun besser einschätzen, wie die Pandemie gerade verläuft.
Was nutzt die neue Statistik?
An der Nowcast - Statistik kann man zum Beispiel ablesen, dass sich wahrscheinlich gerade mehr Menschen mit dem Coronavirus anstecken als die offiziellen Meldedaten zeigen. Und man kann sehen, dass sich schon vor der Kontaktsperre am 23. März ein bisschen weniger Menschen mit dem neuen Coronavirus angesteckt haben. Das Virus hat sich also schon vor dem Lockdown ein bisschen langsamer ausgebreitet.
Wie verlässlich sind die vorliegenden Zahlen?
Die Nowcast-Statistik ist tatsächlich ein Fortschritt. Denn nun kann man die Entwicklung der letzten Wochen besser einschätzen.
Doch wir wissen immer noch nicht, wie viele Mensch sich mit dem Virus angesteckt haben. Viele Menschen haben nur leichte oder gar keine Symptome. Sie werden nicht erkannt und diese Dunkelziffer kennen wir auch bei der neuen Nowcast-Statistik nicht.
Dieses Problem können nur große Querschnittstudien lösen – mit Stichprobentests. Dann erst wird deutlich, wie viele Menschen sich tatsächlich angesteckt haben. Diese Studien beginnen aber gerade erst.
Wie wirksam ist die Kontaktsperre?
Vor allem in den sozialen Netzwerken verbreitet sich jetzt die These, dass die strengen Maßnahmen unnötig waren und nichts gebracht haben. Weil sich laut der Statistik viel weniger Menschen mit dem neuen Coronavirus angsteckt haben als gedacht. Doch ganz so einfach ist es natürlich nicht:
- Denn schon ab dem 9. März wurden die meisten Großveranstaltungen verboten – zwei Wochen vor der strengen Kontaktsperre. Viele deutsche Virologen hatten gewarnt, dass sich das neue Coronavirus vor allem durch Großveranstaltungen ausbreiten könnte.
- Gleichzeitig haben die Menschen ihre sozialen Kontakte eingeschränkt – lange vor dem Verbot. Auch die meisten Schulen hatten ja schon eine Woche vor der Kontaktsperre geschlossen. Und das kann natürlich dazu geführt haben, dass sich schon vor der Kontaktsperre weniger Menschen angesteckt haben.
Reproduktionszahl liegt schon knapp unter eins
Derzeit liegt die sogenannte Reproduktionszahl bei knapp unter eins: Also ein Infizierter steckt damit im Mittel einen weiteren Menschen mit dem Coronavirus an. Dabei gibt es allerdings große regionale Unterschiede.
Aktuelle Daten zum Coronavirus Reproduktionszahl, Neuinfektionen, Intensivkapazitäten: Was ist relevant?
Die vier wesentlichen RKI-Kriterien zur Einschätzung der Epidemie erklären wir hier.
Ist ein Schwanken der Reproduktionszahl normal?
Jüngst ist die Reproduktionszahl von 0,9 auf knapp 1,0 angestiegen. Es lässt sich leider nicht sagen, ob das eine "normale" Schwankung ist. Aber man sollte diese kleinen Veränderungen jetzt nicht überbewerten: Bei der Reproduktionszahl geht ja darum, wie viele Menschen ein Infizierter ansteckt. Also bei einer Zahl von 1 steckt ein Infizierter genau einen anderen Menschen an. Und dieser Anstieg kann bedeuten, dass sich jetzt wieder mehr Menschen mit dem neuartigen Coronavirus anstecken.
Die Betonung liegt auf kann. Denn einen großen Anstieg kann man noch nicht beobachten. Das ist jetzt ein erster Mini-Trend. Gerade am Anfang der Pandemie war das Robert-Koch-Institut ja immer sehr vorsichtig von einem Trend zu sprechen.
Genauso vorsichtig sollte man aber auch jetzt sein. Und viel hängt jetzt auch davon ab, wie wir uns verhalten. Wenn wir in den nächsten Tagen weniger auf Abstände achten, könnte sich das Virus natürlich wieder schneller ausbreiten. Das ist aber nur Spekulation. Genaueres wird man aber erst in den nächsten Tagen sehen.
Neues Prognosetool für bessere Vorhersage der Auslastung der Intensivstationen
Um die Lage besser einschätzen zu können, hilft auch ein Blick auf die Intensivstationen. Schließlich haben ja die Maßnahmen vor allem das Ziel, dass möglichst wenig Patienten gelichzeitig auf Intensivstationen behandelt werden müssen.
Wie sich die Pandemie aktuell verändert, sieht man den Intensivstationen aber nur mit Verzögerungen. Denn viele Menschen, die heute auf einer Intensivstation liegen, haben sich ja vor Wochen angesteckt.
Doch das Robert-Koch-Institut arbeitet nun an einem neuen Prognosetool, um die Entwicklung auf den Intensivstationen in den nächsten Tagen und Wochen vorhersagen zu können. Diese neue Hochrechnung wird wahrscheinlich Mitte Mai fertig. Die könnte dann auch für Politiker wichtiger werden, um über aktuelle Maßnahmen entscheiden zu können.