So könnte eine nachhaltige Ernährung aussehen

Stand
Autor/in
Lilly Meller
Onlinefassung
Antonia Weise

Knapp zwei Erden bräuchten wir, um alle Menschen langfristig mit Ressourcen zu versorgen. Die Art und Weise wie wir Ressourcen verbrauchen muss sich also ändern. Eine Stellschraube ist unsere Ernährung.

Nachhaltige Ernährung ist komplex

Nachhaltig essen, das geht nur vegetarisch, am besten sogar vegan. Eine These, die unsere Gesellschaft spaltet. Manche stimmen ihr vollkommen zu während andere sie für zu radikal halten.

Laut Dr. Matin Qaim, Professor an der Universität Bonn kann die These nicht so einfach beantwortet werden, denn das Thema nachhaltige Ernährung hat nach Qaim mehrere Dimensionen. Neben Klimaschutz müssen auch Wasser- und Landnutzung, Ernährung, Gesundheit und soziale Faktoren einbezogen werden.

„Wenn wir wirklich nur aufs Klima schauen, dann wäre gar kein Fleisch am besten, weil Fleisch ist einfach klimaintensiver als pflanzliche Ernährung. Aber wenn man unterschiedliche Dimensionen von Nachhaltigkeit hineinbringt, dann lassen sich durchaus auch geringe bis moderate Mengen von Fleischkonsum rechtfertigen“, so der Agrarökonom und Agrarwissenschaftler Qaim.

Kühe stehen in einer Stallanlage und fressen.
Bei der nachhaltigen Ernährung müssen viele verschiedene Faktoren berücksichtigt werden.

Neues Ernährungsmodell aus Finnland

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Helsinki haben ein Ernährungsmodell entwickelt, das einige dieser Faktoren berücksichtigt. Es deckt alle wichtigen Nährstoffe ab, schont Land- und Wasser und ist treibhausgasarm. Möglich ist das, weil tierische Produkte durch neuartige Lebensmittel ersetzt werden.

Neuartige Lebensmittel seien in diesem Kontext neu entwickelte innovative Lebensmittel oder Lebensmittel, die es aber schon lange gibt, aber traditionell eher außerhalb Europas konsumiert werden würden, so Dr. Isabelle Weindl vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Lebensmittel, die den klimatischen Fußabdruck reduzieren „das sind eben oft neuartige Lebensmittel auf der Basis von Mikroorganismen, zum Beispiel auf der Grundlage von Pilzen, Bakterien und Algen aber auch solche die auf der Grundlage von Zell- oder Gewebekulturen hergestellt werden.“

Diese Ernährungsweise ist optimal für die Umwelt

Durch eine optimierte Ernährung mit diesen neuartigen Lebensmitteln könnten in Europa Treibhausgase, Landnutzung und Wasserknappheit um über 80 Prozent reduziert werden. Dabei wird komplett auf Fleisch, Eier, Milch, Fisch und tierische Fette verzichtet. Eine Ernährungsform mit neuartigen Lebensmitteln ist nach der Studie sogar besser für die Umwelt als eine rein vegane Ernährung - zumindest für Landnutzung und Wasserressourcen. Nur für die Reduktion von Treibhausgasen ist eine rein vegane Ernährung ohne neuartige Lebensmittel ein kleines bisschen wirksamer.

Das ist jedoch alles Theorie. Optimal für unsere Umwelt wäre schlussendlich eine vegane Ernährung plus neuartige Lebensmittel als Fleischersatz.

Konzept wird sich vorerst nicht durchsetzen

Nachhaltigkeit umfasst nach Dr. Matin Qaim jedoch auch soziale Faktoren. Eine Durchsetzung dieser Form der Ernährung wird deshalb wohl erst noch dauern. In Europa liegt das unter anderem an der fehlenden Akzeptanz der Bevölkerung und fehlendem Wissen. Aber auch daran, dass die Produktion von neuartigen Lebensmitteln aus dem Labor als Fleischersatz noch zu aufwendig und teuer ist.

Laut Dr. Matin Qaim kommt in Entwicklungsländern noch eine grundsätzlich schlechtere Versorgunglage hinzu. Viele würden nicht das ganze Jahr über Zugang zu frischem Obst, Gemüse oder anderen Produkten haben, die verderblich seien und gleichzeitig wichtige Nährstoffträger sind.

„Gerade in den Situationen kann Fleisch in kleineren Mengen sehr, sehr hilfreich sein. Die Frage ist zum Teil auch, wie wir bestimmte Ressourcen nutzen wie beispielsweise Gras, das von Menschen gar nicht direkt genutzt werden kann, weil wir Menschen gar keine Zellulose verdauen können.“

Anders als zum Beispiel Kühe. Auf Grasflächen, die für den Ackerbau ungeeignet sind, Tiere zu halten und die dann auch zu essen, kann deswegen nachhaltig sein. Nicht nur in Entwicklungsländern, sondern auch in Europa. Das bedeutet nicht, dass wir einfach so weiter machen sollten wie bisher.

Maisanbau als Futtermittel
Mais wird hauptsächlich als Futter für Tiere angebaut.

Unsere Ernährung wird nie frei von Emissionen sein

Aktuell werden fast 50 Prozent der weltweiten Ackerflächen genutzt, um Futterpflanzen für Tiere anstatt Lebensmittel für den Menschen anzubauen. Dr. Matin Qaim ist der Meinung, dass das weder gut für eine effektive, soziale Nahrungsversorgung noch umweltfreundlich sei und müsse geändert werden. Dabei geht es nicht darum, gar keine Ressourcen mehr zu verbrauchen, sondern besser mit den Ressourcen, die wir haben umzugehen. Denn durch unsere Ernährung können wir Treibhausgasemissionen deutlich reduzieren:

„In Deutschland sehen wir einen ganz, ganz leichten Rückgang im durchschnittlichen Fleischkonsum, der ist aber so langsam, dass wir Jahrzehnte bräuchten, um irgendwo in einen Bereich zu kommen, der nachhaltig akzeptabel wäre. Wir müssen nach Wegen und Möglichkeiten suchen, das zu beschleunigen, das ist zwar politisch unbequem und gesellschaftlich ungewollt, aber zum Beispiel Steuern auf Fleisch zu erheben würde ich auch für eine Möglichkeit halten.“

Ökologie Mit Ernährung das Klima retten – Was Verbraucher tun können

Wie viele schädliche Klimagase verursacht meine Bowl am Mittag oder der Braten am Sonntag? Verbraucher*innen wollen auch beim Essen auf ihre Ökobilanz achten. Leicht ist das nicht.

SWR2 Wissen SWR2

Ernährung beeinflusst Artenvielfalt Je mehr Fleisch auf dem Teller, desto weniger Tier- und Pflanzenarten

Was wir essen, hat großen Einfluss auf die Artenvielfalt. Das zeigt eine Analyse der Umweltorganisation WWF. Sie hat erstmals einen Fußabdruck für "Biodiversität" berechnet.

Ökochecker Umweltsünde Wein! Wie geht nachhaltiger Genuss?

20 Liter Wein trinkt jeder von uns durchschnittlich im Jahr. Aber Wein ist auch für 20 Prozent der eingesetzten Pestizide verantwortlich. Ist Bio-Wein die Lösung?

Stand
Autor/in
Lilly Meller
Onlinefassung
Antonia Weise