Lust, Energie, Hunger, Müdigkeit - Hormone steuern unseren Körper. Das ist bekannt. Doch wie sehr beeinflussen sie unsere Psyche? Steuern Hormone womöglich sogar unser Verhalten?
Botenstoff Dopamin spielt wichtige Rolle bei Parkinson
Dopamin gehört zu den zentralen Botenstoffen unseres Körpers. Manche dieser Stoffe werden über die Blutbahnen transportiert. Andere, wie Dopamin, über das Nervensystem. In Sekundenschnelle kann der Körper so Botschaften übermitteln.
Dopamin ist unter anderem wichtig für die Signalübermittlung zwischen Gehirn und Muskulatur. Es spielt daher im Bewegungszentrum des Gehirns eine zentrale Rolle. An den Synapsen, den Verbindungen zwischen zwei Nervenzellen, transportiert Dopamin die Signale von einer Zelle zur nächsten.
Bei Parkinson verkümmert die Dopaminbildung. Dem Körper fehlt der zentrale Botenstoff. Doch es gibt Medikamente, die die gleiche Wirkung haben wie Dopamin und den Verlust ausgleichen. So kann der Körper vorerst weiter funktionieren. Parkinson ist eine unheilbare Krankheit, bei der der Mensch Stück für Stück die Kontrolle über seinen Körper verliert. Rund 400.000 Menschen in Deutschland sind davon betroffen.
Hoher Dopaminspiegel macht riskiofreudiger
Die Neurologin Stephanie Hirschbichler erforscht, was uns Menschen in Entscheidungssituationen risikofreudig macht.
Im Fokus: der Botenstoff Dopamin. In einem Experiment bekommen die Probanden entweder ein Mittel, das ihren Dopaminspiegel erhöht, oder eins, das den Dopaminspiegel senkt, oder ein Placebo.
Anschließend sollen sie in einem Spiel Risiko-Entscheidungen treffen. Sie können dabei viel gewinnen, aber auch viel verlieren. Wie entscheiden sie sich? Anschließend wird ihre Risikobereitschaft errechnet.
Der Versuch wird innerhalb von zwei Wochen noch zweimal wiederholt. Am Ende haben alle Probanden jeweils mit allen Dopaminleveln gespielt. Die Veränderung zeigt sich deutlich: Je mehr Dopamin, desto risikofreudiger!
Und das kann auch als Nebenwirkung von Parkinsonmedikamenten auftreten. Denn sie wirken nicht nur in den Bereichen des Gehirns, die durch Parkinson beeinträchtig sind, sondern sie verteilen sich im gesamten Gehirn. Das kann Überstimulationen verursachen und dadurch manchmal auch zu übermütigen Entscheidungen verleiten.
Geschlechtshormone steuern Gefühle nach Geburt eines Kindes
Unsere Hormone beeinflussen nicht nur unsere Entscheidungen. Sie können auch unser Gehirn nachhaltig verändern – und damit auch unsere Emotionen. Die Gehirnveränderungen nach der Entbindung sorgen – so die Vermutung der Forschenden - normalerweise für MEHR Bindung zum Kind. Doch es gibt auch Mütter, die nach der Entbindung in ein tiefes Loch fallen, sich hoffnungslos überfordert fühlen. Woran liegt das?
Erste Pille gegen Wochenbettdepression
Depression direkt nach der Geburt, die „postpartale Depression“
Prof. Natalia Chechko und ihr Team untersuchen, was dieser krasse Hormonsturz mit den Gehirnen der Frauen macht.
Dafür begleiten sie Mütter nach der Entbindung für mehrere Wochen und vergleichen ihre Gehirnscans mit denen von Nicht-Müttern.
Es zeigen sich deutliche Unterschiede. Betroffen sind vor allem Bereiche, die für Emotionen zuständig sind, zum Beispiel für Stressempfinden, aber auch für Muttergefühle. Manche dieser Veränderungen bestehen sogar viele Wochen nach der Geburt noch.
Die Frauen berichten, so Natalia Chechko, häufiger, dass sie massiv gestresst sind. Sie hätten dann auch das Gefühl, dass sie keine guten Mütter sind. Sie machen sich ganz viele Vorwürfe und sie haben viele Schuldgefühle dem Kind gegenüber. Und dann könne es sich irgendwann so steigern, dass auch Gedanken kommen, dem Kind oder sich selbst was anzutun.
Was macht es mit den Kindern, wenn die Mutter so enorm unter Stress steht?
Prof. Anna-Lena Zietlow von der Technischen Universität Dresden untersucht gemeinsam mit ihren Heidelberger Kolleg*innen was großer Stress bei den Eltern mit dem Hormonsystem der Kinder macht. Sie laden dafür Mütter mit ihren Kleinkindern ein.
Experiment untersucht Stresslevel von Kindern
Vor dem Versuch nehmen sie eine Speichelprobe beim Kind, um das Cortisollevel zu messen. Das Hormon spielt unter anderem bei Stress eine wichtige Rolle. Dann beginnt der Versuch. Die Forscherinnen beobachten aus dem Nebenraum wie Mutter und Kind interagieren.
Auf ein Signal hin wendet sich die Mutter abrupt ab – eine Stresssituation für das Kind. Die häufig dann auftritt, wenn Eltern überlastet sind. Jetzt bräuchte es eigentlich jemanden, der das Kind wieder beruhigt. Stark gestresste Eltern können das aber nicht entsprechend leisten.
Die Stimmung beim Kind kippt. Das rettende zweite Klopfen. Das Experiment ist geschafft. Anna-Lena Zietlow nimmt wieder eine Speichelprobe. Wie hat das Cortisollevel des Kindes auf die Stresssituation reagiert? Die beiden Speichelproben werden im Labor aufbereitet. Die Ergebnisse werden dann mit denen anderer Versuchskinder verglichen.
Kinder von gestressten Eltern reagieren empfindlicher auf Stress
Es zeigt sich: Bei Kindern, deren Eltern häufig gestresst sind, fallen die Cortisollevel langsamer ab. Die Kinder brauchen also länger, um sich vom Stress zu erholen. Und das wiederum prägt ihr späteres Stresssystem.
Normalerweise werden in kleinen Stresssituationen nur wenige Cortisolrezeptoren besetzt. Es braucht viel Cortisol, um den Stresspegel voll ausschlagen zu lassen. Wenn die Stresslevel aber schon in früher Kindheit hoch sind, bildet der Körper weniger Rezeptoren für das Cortisol-Hormon.
Später führen dann schon kleine Stresssituationen und wenig Cortisol dazu, dass alle Rezeptoren besetzt sind – und der Mensch gestresst ist. Das Hormon Cortisol beeinflusst aber noch viel mehr. Es spielt zum Beispiel auch bei der Gehirnentwicklung eine wichtige Rolle. Die Forschenden machen Entwicklungstests mit den Kindern. Die Auswertung zeigt: Kinder von stark gestressten Müttern schneiden schlechter ab.
So prägt unsere Umwelt unsere Hormone. Schon die ersten Lebenswochen sind mitentscheidend dafür, wer wir später sein werden. Die gute Nachricht dabei: Wenn Eltern beginnen, positiv mit ihrem Kind zu interagieren, kann Vieles wieder ausgeglichen werden. Entscheidend ist, frühzeitig zu handeln.
Doch sind Hormone wirklich so mächtig, dass sie unsere Verhaltensmuster derart prägen?
So einfach wie bei Affen ist es bei uns Menschen zwar nicht. Testosteron und Östrogen spielen aber auch bei uns eine Rolle. Nur nicht so, wie gemeinhin gedacht. „Viel Testosteron = machtgeil“ stimmt so nicht. Aber was stimmt dann?
Prof. Martin Köllner ermittelt bei seinen Probanden an der Uni Erlangen zunächst ihr Machtbedürfnis im Alltag mittels einer Geschichte – eine anerkannte Forschungsmethode.
Nach diesem ersten Teil des Experiments geben die Probanden eine Speichelprobe ab, für den späteren Vergleichswert.
Dann treten sie gegeneinander an. Unter Zeitdruck müssen sie Zahlenreihen verbinden. Wer schneller ist, gewinnt. Was die Probanden nicht wissen: Die Forscher haben das Spiel manipuliert. Die Probandin hat längere Zahlenreihen und verliert so Runde um Runde. Der Gewinner freut sich. Er fühlt sich ihr überlegen – ein Gefühl der Macht. Was löst das in seinem Hormonhaushalt aus?
Sich als Sieger fühlen beeinflusst den Hormonhaushalt
Die Speichelproben von vor und nach dem Spiel kommen ins Labor. Mit Hilfe von radioaktiven Markern vergleicht Martin Köllner die Hormonlevel. Das Ergebnis: Das Testosteronlevel des Probanden steigt, während er Runde um Runde seine Mitspielerin besiegt. Das wiederum fühlt sich gut an. Er wird daher solche Machtsituationen in Zukunft erneut suchen.
Ein sogenannter „aktivierender Hormoneffekt“:
Unser Verhalten ruft Hormonantworten hervor, die zu Emotionen führen. Je nachdem, ob die sich gut anfühlen oder nicht, werden wir das Verhalten wiederholen. Über die Zeit können sich diese Hormoneffekte in unserer Persönlichkeit manifestieren, was wiederum unser Verhalten beeinflusst.
Doch – nicht alle Gewinner-Probanden zeigen diesen Testosteronschub. Was bestimmt, wie viel von dem Hormon wir in Machtsituationen ausschütten?
Es gibt ein paar Untersuchungen die eine Lokalisierung in der frühen Kindheit annehmen: elterliches Erziehungsverhalten. Wenn Eltern toleranter gegenüber aggressiven Verhaltensweisen der Kinder sind, dass das Machtmotiv höher wird. Da stellt sich dann allerdings die Frage: Woher kommen diese aggressiven oder dominanten Impulse vorher? Die müssen irgendeinen Ursprung haben.
Längere Ringfinger dank Testosteron
Eine Studie aus der Rattenforschung gibt einen Hinweis. Verabreicht man den Tieren während der Schwangerschaft viel Testosteron, werden beim Nachwuchs die „Ringfinger“ im Vergleich zu den „Zeigefingern“ länger. Der gleiche Effekt konnte auch bei Menschen nachgewiesen werden. Wenn wir aufgrund unserer Gene oder anderer Einflüsse im Mutterleib viel Testosteron ausgesetzt sind, werden die Ringfinger länger.
Denn an diesen Fingern sitzen besonders viele Rezeptoren für Testosteron, das das Wachstum fördert. Korreliert das mit späteren Verhaltensweisen? Martin Köllner nimmt die Fingerlängen in seine Studie mit auf. Auch Unterschenkel und Unterarm misst er. Hier gibt es einen ähnlichen Effekt, nur später, in der Pubertät. Erklärt Testosteron in frühen Lebensphasen wirklich, wie machtaffin wir später sind?
Martin Köllner legt die Daten mit den Ergebnissen aus den Speichelröhrchen übereinander. Und tatsächlich: Große Testosteronmengen in Schwangerschaft und Pubertät machen es wahrscheinlicher, dass wir nach Macht streben. Bei Frauen spielt Östradiol die entscheidende Rolle.
Man kann Hormone auch beeinflussen
Damit haben also auch unsere Gene einen Einfluss darauf, wie unser Hormonsystem reagiert – und damit wie wir uns verhalten.
Dem komplizierten Wechselspiel, in dem Hormone unser Verhalten steuern, können wir uns nicht entziehen! Wir können es aber beeinflussen:
- Zum Beispiel durch Sport…
- Entspannung…
- Soziales Miteinander…
- Essen…
- Schlaf…
Es gibt viele Möglichkeiten, auf unsere Hormone einzuwirken. Bei postpartaler Depression helfen möglicherweise Antidepressiva. Bei PMDS kann man es zunächst mit pflanzlichen Mitteln versuchen, über die Ernährung.
In Leinsamen zum Beispiel sollen Stoffe sein, die wie Hormone wirken. Auch in Sojamilch. Stimmt das?
Die Wissenschaft erforscht „Pflanzenhormone“ schon seit längerem. Inzwischen ist bekannt: Solche Stoffe finden sich tatsächlich unter anderem auch in Leinsamen und Sojamilch. Doch die aus der Sojamilch wirken nicht bei allen Menschen. Warum?
Forschende vom Max-Rubner-Institut haben herausgefunden: Es liegt am Stoffwechsel der Menschen. Sojamilch können nur manche verarbeiten. Leinsamen wirken dagegen bei allen Menschen.
Ist womöglich alles, was uns als Person ausmacht, nur ein Produkt der Hormone?
Unsere Hormone steuern unser Verhalten. Sie sind aber keine fremde Macht, sondern ein Teil von uns. Und wir? Sind ihnen nicht hilflos ausgeliefert! Denn wir können zumindest teilweise beeinflussen, was sie mit uns machen.