Seit mehreren Jahren taumelt die vermutlich zur chinesischen Mission „Chang'e 5“ gehörende Raketenstufe ziellos durch das Erde-Mond-System. Am 4. März hat die Irrfahrt wohl ein chaotisches Ende genommen: Gegen 13:30 mitteleuropäischer Zeit soll das Raketenteil mit etwa 9.300 Kilometern pro Stunde unkontrolliert auf die Rückseite des Mondes einschlagen sein. Schätzungen zufolge soll der Einschlag einen 30 bis 50 Meter großen Krater hinterlassen haben.
Dieser erste ungeplante Einschlag eines Stücks Weltraumschrott auf dem Mond bringt große Chancen für die Forschung. Aber es ist auch ein Ereignis, das zeigt, wie weit sich der Weltraumschrott schon im Sonnensystem ausgebreitet hat und welche Gefahren er möglicherweise birgt.
Mondsonden beobachten Folgen des Impacts
Da die im Oktober 2014 gestartete Raketenstufe Berechnungen zufolge auf die Rückseite des Mondes eingeschlagen ist, ließ sich der Aufprall nicht direkt von der Erde aus beobachten. Aktuell umkreisen zwei Sonden den Mond: "Lunar Reconnaissance Orbiter" der NASA und "Chandrayaan 2" der indischen Raumfahrtbehörde ISRO. Beide werden in den kommenden Wochen die Einschlagsstelle überfliegen, fotografieren und die Aufnahmen dann zur Erde schicken. Es kann allerdings einige Wochen dauern, bis die Fotos auf der Erde verfügbar sind.
Frischer Mondkrater ist wissenschaftlicher Glücksfall
Für Planetenforscher liefert dieser ungeplante Einschlag willkommene Einblicke in tiefere Schichten der Mondoberfläche. Der Planetengeologe Ulrich Köhler vom Deutschen Luft und Raumfahrtzentrum (DLR) in Berlin bezeichnet das Ereignis als regelrechten Glücksfall. Denn der Einschlag legt frisches Material frei, das nicht das nicht über Jahrmilliarden von Mikrometeoriten beeinflusst wurde oder vom Sonnenwind bestrahlt und verändert wurde.
Kontrollierte Mondeinschläge sind Routine
Dass Erd-Objekte auf dem Mond einschlagen, ist nicht neu. Von der 3000 Tonnen schweren Saturn-V-Mond-Rakete kam zum Beispiel immer nur die Astronautenkapsel zurück. Der Rest verglühte in der Erdatmosphäre oder wurde, wie die 3. Stufen der Raketen, die den Mond erreichten, dort auf Kollisionskurs geschickt. Insgesamt achtmal schlugen die jeweils 13 Tonnen schweren Teile auf der Oberfläche ein, alle mit voller Absicht und einige, so erklärt der Planetengeologe Ulrich Köhler, sehr zur Freude der Wissenschaft.
Beben lassen ins Innere des Mondes blicken
Der Aufprall der Raketenteile ließ die Mondoberfläche ganz leicht in vorher berechneter Stärke beben. Diese Schwingungen nutzten die NASA-Wissenschaftler dann zur Eichung und Kalibrierung von Seismometern, die bei den Apollo-Missionen hinterlassen wurden. Mit den so optimierten Instrumenten konnte man dann neue Erkenntnisse über die physikalische Eigenschaften des Mondes gewinnen.
Forschende finden durch Einschläge Wasser auf dem Mond
Auch ausgeworfenes Material lässt sich analysieren. So beobachtete die NASA-Sonde Lunar Reconnaisance Orbiter den geplanten Einschlag der Sonde LCROSS. Im Oktober 2009 krachte die 900-Kilo-Sonde gezielt in einen Krater im ständigen Schattenbereich in der Nähe des Mond-Südpols. Die anschließende Analyse durch die darüber fliegende Orbiter-Sonde zeigte dann: In der Wolke, die durch den Aufschlag entstandenen war, gab es Wasser – ein bahnbrechendes Ergebnis für die Planetenforschung.
Mond wird zur Müllhalde
Solche Missionen bringen aber auch viel neuen Müll auf den Mond. So wie es schon die Apollo-Astronauten taten, die Instrumente, amerikanische Flaggen oder Landefähren zurückgelassen haben. 2012 veröffentlichte die NASA eine akribisch zusammengestellte Liste, auf der alles aufgeführt war, was auf dem Mond herumliegt: Von Golfbällen und Mondautos bis zu Urinbeuteln und Raketenstufen. Bis jetzt haben wir fast 200 Tonnen Müll auf dem Mond abgeladen.