Wo sollen in Zukunft die Rohstoffe herkommen, die wir für die Verkehrs- und die Energiewende brauchen? Manche hoffen auf die Tiefsee - und wollen die nötigen Metalle am Meeresgrund abbauen. Auf Jamaika tagen derzeit erst der Rat, dann die Vollversammlung der Internationalen Meeresbodenbehörde ISA. Es geht um Regeln für einen künftigen Tiefseebergbau in den Weltmeeren - aber auch um eine mögliche vorsorgliche Pause. Brauchen wir den Tiefseebergbau tatsächlich für die Energie- und Verkehrswende?
In der Tiefsee lagern wertvolle Rohstoffe
"Eine Batterie in einem Stein" - so wirbt die kanadische Metals Company für sogenannte Manganknollen und ihren Abbau. Die Knollen liegen wie Pflastersteine in mehreren Tausend Metern Tiefe auf dem Meeresboden - etwa in der Clarion-Clipperton-Zone im Pazifik zwischen Mexiko und Hawaii. Sie enthalten natürlich Mangan, aber zum Beispiel auch Kupfer, Kobalt und Nickel - Metalle, die unter anderem in den Batterien von E-Autos stecken.
Mit Hilfe des Tiefseebergbaus könnte Deutschland deutlich unabhängiger werden von Importen, sagt Annemiek Vink von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR). Sie leitet ein Projekt zur Erkundung der Manganknollenvorkommen im deutschen Lizenzgebiet im Pazifik.
Annemiek Vink schätzt, dass "ein Abbauprojekt in der Clarion-Clipperton-Zone mit einer Jahresproduktion von drei Millionen Tonnen Knollen Nassgewicht pro Jahr etwa sieben Prozent des jährlichen Nettoimports von Kupfer in Deutschland abdecken könnte, vielleicht so 60 Prozent von Nickel und 80 Prozent von Kobalt. Und für Mangan liegen wir da schon bei 300 Prozent."
Tiefseebergbau könnte empfindlichen Lebensraum am Meeresgrund zerstören
Andererseits sind die Manganknollen Lebensraum für Korallen, Schwämme und See-Anemonen. Auch im Boden der Tiefsee wimmelt es von Leben. In der Tiefsee gibt es Abertausende verschiedene Arten, die meisten sind noch unbekannt. Wie die Meeresumwelt trotz Bergbau wirksam geschützt werden könnte, dazu bleiben viele offene Fragen. Umweltschützer fürchten massive Schäden für das Ökosystem.
Tiefseebergbau schädigt die Meere
Ist der Tiefseebergbau alternativlos, wenn wir eine Verkehrswende mit E-Autos wollen? Nein, sagt eine Studie des Öko-Instituts Freiburg von 2023 im Auftrag von Greenpeace. Das Bild von der „Batterie in einem Stein“ sieht Geowissenschaftler und Studienautor Andreas Manhart kritisch:
Auch der wissenschaftliche Beirat der europäischen Akademien bezweifelt, dass der Tiefseebergbau unverzichtbar ist, um den Bedarf an kritischen Rohstoffen zu decken.
Energie- und Verkehrswende auch ohne Tiefseebergbau möglich
Gerade bei den wichtigen Batterie-Rohstoffen Lithium und Graphit könne der Tiefseebergbau nicht weiterhelfen, so Manhart. Kobalt und Nickel könne man zwar aus Manganknollen gewinnen, aber selbst wenn die Industrie Gas gäbe, sei mit nennenswerten Mengen nicht vor 2030 zu rechnen. Aus preislichen Gründen enthalte schon heute ein Großteil der Batterien für Elektrofahrzeuge kein Kobalt und kein Nickel mehr. Man könne also Lithium-Ionen-Batterien bauen, die ohne die beiden Rohstoffe auskommen. Selbst Tesla setze in vielen Märkten mittlerweile Batterien ein, die diese beiden Rohstoffe nicht enthalten.
Autokonzerne wie BMW, VW und Renault gehören zu einer Gruppe von rund 50 Unternehmen, die sich für ein Moratorium beim Tiefseebergbau ausgesprochen haben. Auch beim Ausbau der Windkraft gebe es Alternativen zu Rohstoffen aus der Tiefsee, erklärt Andreas Manhart. Nickel und Mangan würden überwiegend zur Veredelung von Stahl eingesetzt.
Auch Bergbau an Land bedeutet oft Umweltzerstörung
Annemiek Vink von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe stimmt zu: Die Energiewende ist auch ohne Tiefseebergbau möglich. Nur zu welchem Preis, fragt sie. Auch der Bergbau an Land habe erhebliche Umweltfolgen. Für den Kupfer-Abbau in Chile würden ganze Berge abgetragen. Für den Nickel-Abbau in Indonesien müsse Regenwald weichen.
Anderes Beispiel: Unter einem riesigen Moorgebiet in der kanadischen Provinz Ontario lagern wertvolle Metalle wie Kobalt, Nickel und Kupfer. Aber das Moor speichert auch enorme Mengen Kohlenstoff. Durch den Abbau der Metalle würde massenhaft CO2 frei, warnen Kritiker. Wer diese Metalle für die Energiewende will, dürfte ein Eigentor fürs Klima schießen.
Bergbau völlig ohne Schäden gibt es nicht
Es ist also kompliziert. Ganz ohne Bergbau wird es auf absehbare Zeit nicht gehen, da sind sich die beiden Fachleute einig. BGR-Expertin Annemiek Vink setzt darauf, dass Tiefseebergbau in Zukunft verhältnismäßig umweltverträglich sein kann - mit den richtigen Regeln und der passenden Technik. Andreas Manhart vom Öko-Institut hält Bergbau an Land für die bessere Option.
An Land gebe es auch Menschen, die sich beschweren, wenn etwas falsch läuft - ein wichtiges Korrektiv, findet Manhart. Gleichzeitig müsse man die Kreislaufwirtschaft hochfahren.
Durch hohe Qualität, lange Lebensdauer und Recycling, meint Andreas Manhart, ließen sich in Zukunft beträchtliche Mengen an Rohstoffen einsparen.
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