Um etwa die Hälfte weniger Spermien haben Männer – zu diesem Schluss kommen die Forschenden aus Israel. Laut der Studie ist die Spermienkonzentration seit Anfang der 1970er-Jahre von durchschnittlich 101 Millionen auf 49 Millionen Spermien pro Milliliter Sperma gesunken.
Der Weltgesundheitsorganisation nach gilt erst ein Wert von unter 15 Millionen als bedenklich. Allerdings geht die Tendenz der Studie zufolge weiter nach unten – und laut den Forschenden auch immer schneller. Seit dem Jahr 2000 sinkt die durchschnittliche Spermienzahl um etwa zweieinhalb Prozent jährlich.
Viele Probanden systematisch erfasst
Bei der Studie handelt es sich um eine sogenannte Metaanalyse, also eine Studie, bei der andere Studien zusammengefasst werden. In diesem Fall wurden 288 Studien analysiert, bei denen insgesamt mehr als 57.000 Männer untersucht wurden. Diese große Zahl an Probanden sei eine der Stärken dieser Studie, sagt Professor Christian Gratzke, ärztlicher Direktor der Urologie der Uniklinik Freiburg. Auch, dass erstmals Studienergebnisse aus allen Regionen der Erde untersucht wurden.
Erhöhtes Risiko für Hodenkrebs
Welche Folgen die Ergebnisse für die Fruchtbarkeit oder die Gesundheit von Männern haben, wird daraus aber nicht klar. Laut den Forschenden soll eine niedrige Spermienkonzentration ein Risikofaktor für Hodenkrebs sein. Und sollte sich der Trend fortsetzen, dann sehen sie auch eine Gefahr für die Fortpflanzungsfähigkeit der Menschheit.
Spermienzahl für Fruchtbarkeit nicht entscheidend
Christian Gratzke sieht allerdings keinen Grund zur Sorge. In der Studie wurde nur die Spermienanzahl untersucht und die sei für die Fruchtbarkeit von Männern nicht entscheidend. Selbst Männer mit niedriger Spermienanzahl können beispielsweise mittels In-vitro-Fertilisation Kinder zeugen und gelten damit nicht als unfruchtbar.
Vitalität der Spermien wichtig für Fruchtbarkeit
Wichtiger für die Fruchtbarkeit von Männern seien die Vitalität und Mobilität der Spermien, so Gratzke. Die Methoden, diese Faktoren zu untersuchen haben sich aber in den vergangenen Jahrzehnten so deutlich geändert, dass ein Vergleich zu heute kaum möglich ist, schreiben auch die Autoren der Studie selbst.
Rückgang der Spermienkonzentration ein weltweites Phänomen
Die Arbeitsgruppe aus Israel entdeckte bereits 2017, dass die Spermienkonzentration bei Männern sinkt. Allerdings wurden damals nur Studien über Männer in westlichen Ländern untersucht. Vermutet wurde ein Zusammenhang mit dem Lebensstil in industrialisierten Ländern, etwa Stress oder Übergewicht. Jetzt wurden aber auch Studien aus Südamerika, Afrika und Asien untersucht und es zeigt sich, dass der Rückgang der Spermienkonzentration ein weltweites Phänomen ist.
Weibliche Hormone im Trinkwasser
Zu den Gründen für den Rückgang schreiben die Autoren nichts – und auch Christian Gratzke kann nur spekulieren. Zum Beispiel könnte eine vermehrte Aufnahme des weiblichen Sexualhormons Östrogen verantwortlich sein. Das Hormon wird beispielsweise von Frauen, die die Anti-Baby-Pille nehmen, über den Urin ausgeschieden, Kläranlagen können es nicht aus dem Wasser entfernen – und so gelangt es ins Trinkwasser.
Schädlichkeit von Wärmestrahlung muss weiter erforscht werden
Untersucht wurde auch schon, ob die Wärme von Handys in der Hosentasche oder Laptops auf dem Schoß einen Einfluss auf die Spermienzahl haben könnte. Laut Christian Gratzke konnte ein Zusammenhang aber nicht bewiesen werden.