Immer mehr Satelliten fliegen in großer Höhe über unseren Planeten und bilden dabei regelrechte Megakonstellationen. Die bestehen aus Tausenden von Mini-Satelliten, die die Erde zum Beispiel flächendeckend mit Internet versorgen sollen. Diese Projekte heißen Starlink, One Web oder Projekt Kuiper.
Für viele Menschen dürften diese zukünftigen Dienste von Vorteil sein. Man denke etwa an den Landwirt in Kenia, der dann eine Internetverbindung hat. Aber für Astronomen sind diese orbitalen "Satelliten-Klumpen" problematisch. SWR2 Impuls im Gespräch mit Benjamin Winkel vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn.
Starlink-Satelliten stören Astromonie durch Radiowellen
Ralf Caspary: Warum sind diese Satellitenanhäufungen für die Arbeit von Radioastronomen problematisch?
Benjamin Winkel: Also ich selbst betreibe Radioastronomie. Diese Satelliten nutzen ja Radiofrequenzen, um die Leute ans Internet zu bringen. Diese Frequenzen sind üblicherweise gut reguliert. Alle Beteiligten, die irgendwie am Funkspektrum beteiligt sind, müssen vorher koordiniert werden. Das können zum Beispiel Radio- und TV-Funk sein, aber auch unsere normalen Smartphones, die wir im täglichen Leben dauernd benutzen.
Darum kümmert sich die Internationale Fernmeldeunion. Da werden diese Frequenzen verwaltet. Jedem, der eine Funkfrequenz nutzen möchte, wird entsprechend dann etwas zugeteilt. Und so müssen alle irgendwie versuchen, miteinander klarzukommen. Und gerade auch die Radioastronomie hat viele Frequenzen bekommen, auf denen wir geschützt beobachten können. Jetzt ist es so, dass diese Satelliten von Starlink offenbar aber auch bei anderen Frequenzen Radiowellen aussenden.
Messungen bestätigen Störsignale durch Starlink-Satelliten
Ralf Caspary: Heißt das, dass manche Satelliten von Starlink auf Ihren Frequenzen senden?
Benjamin Winkel: Genau, man muss sich das so vorstellen: Die eigentlichen Nutzfrequenzen von Starlink sind bei circa zwölf Gigahertz, relativ hochfrequent. Wir haben jetzt ein Teleskop genommen, was bei sehr niedrigen Frequenzen empfindlich ist, nämlich zwischen circa 100 und 200 MHz, das ist also ein Faktor hundert kleiner in der Frequenz. Da erwartet man eigentlich nichts mehr, was aus den Kommunikationssignalen dann messbar sein sollte. Trotzdem haben wir diverse Features gefunden in den Daten.
Ralf Caspary: Und ich vermute mal also diese "Störung", diese Leckstrahlung stört wiederum ihre Messung, richtig?
Benjamin Winkel: Ganz genau. Man muss jetzt dazu sagen, dass wir zwischen diesen 100 und 200 MHz, wo das Radioteleskop empfindlich ist, da sind auch nicht alle Frequenzen der Radioastronomie zugeteilt. Aber es gibt einen Frequenzbereich zwischen 150 und 153 MHz, der wirklich eklusiv für die Radioastronomie zur Verfügung gestellt wurde. Und wir haben jetzt leider auch ausgerechnet in diesem Frequenzbereich einige Störungen gefunden.
Ralf Caspary: Und was machen die genau? Wie verändern die ihre Messung? Machen die ihre Messungen unsauber? Wie habe ich es mir vorzustellen?
Benjamin Winkel: Wir haben mit dem LOFAR Radioteleskop eine Stunde gemessen und konnten da von 68 Satelliten, die durch das Blickfeld geflogen sind, bei 47 Satelliten so einen Effekt nachweisen. Es ist aber trotzdem angesichts der Vielzahl von Starlink-Satelliten, die bereits im Orbit sind, natürlich ein bisschen vermessen zu sagen, dass alle Satelliten diese Aussendung aufweisen. Da ist einfach jetzt noch weitere Forschungsarbeit nötig.
Starlink – Satelliten-Gedrängel für den globalen Internetzugang
Starlink-Signale lassen sich nur schwer von Radiosignalen trennen
Aber wenn wir mal für einen Moment annehmen, dass die anderen Satelliten sich ähnlich verhalten würden, dann können wir schon ein paar Abschätzungen machen. Was das für Auswirkungen hat, ist auch stark davon abhängig, welche Beobachtungsprojekte dann durchgeführt werden. Es gibt Projekte, die können damit sicher ganz gut leben. Da würde man dann vorher berechnen, wo die Satelliten am Himmel stehen und wann sie durch das Teleskop-Blickfeld fliegen. Aber es gibt andere Projekte, die wirklich extrem lange die Daten aufsummieren, über Monate, wenn nicht Jahre hinweg. Und da sucht man dann nach statistischen winzigen Signalen in diesem Wust von Rauschen.
Und am Ende weiß man gar nicht, ob jetzt ein Signal wirklich vom einen kosmischen Ereignis stammt oder ob das von Satelliten beeinflusst wurde.
Radioteleskope bündeln Radiowellen aus dem All
Ralf Caspary: Das wäre wirklich für Ihre Arbeit eine sehr große Erschwernis, wenn das so wäre, wenn sie Signale nicht richtig zuordnen können. Können Sie in zwei Sätzen sagen, was ein Radio-Astronom genau macht? Also der guckt ja nicht mit einem Spiegelteleskop in den Himmel.
Benjamin Winkel: Doch, auch. Die Radioteleskop sind wie riesige Parabolschüsseln, jedenfalls die klassischen Teleskope. Wir haben zum Beispiel einen 100 Meter Parabolspiegel in der Eifel stehen, in Effelsberg. Der funktioniert ähnlich wie ein optisches Teleskop. Die Strahlen werden von dem Spiegel in einem Fokuspunkt gebündelt. Dieses LOFAR Radioteleskop, was wir hier verwendet haben, funktioniert ziemlich anders. Da wurden Tausende kleine Dipol-Antennen überall in Europa aufgestellt. Eine Dipol-Antenne kann man sich so vorstellen: Man nimmt zwei Metalldrähte und spannt die über Kreuz. Man hat so eine Antenne gebaut. Also es ist extrem simpel und sehr, sehr billig. Und was wir dann mit diesen Daten machen, ist auch äußerst vielfältig. Wir können zum Beispiel damit Pulsare messen.
Es war ja vor zwei Wochen erst eine Pressemitteilung, dass Physiker Gravitationswellen mit Pulsarmessungen gefunden haben und vieles mehr. Und diese Radiowellen sind aus unserem täglichen Leben ja auch gar nicht wegzudenken. Also wir unterhalten uns gerade mittels Radiowellen. Wie senden nachher die Sendung über Radiowellen aus. Es sei denn, man guckt es im Internet. Der klassische Weg waren eben diese Radiowellen, und das ist exakt das, was wir jetzt auch aus dem Kosmos empfangen und auswerten.
Suche nach Lösungen mit Starlink-Betreiber Elon Musk
Ralf Caspary: Auch wenn sie noch nicht genau wissen, welche Auswirkungen es hat. Haben Sie mal mit den Leuten geredet, die für Starlink verantwortlich sind? Dahinter steht ja Elon Musk.
Bemjamin Winkel: Genau, diese Gesprächskanäle sind schon seit vielen Monaten, wenn nicht gar Jahren offen. Die Internationale Astronomische Gesellschaft, also eine Berufsgenossenschaft von Astronomen, hat ein Zentrum gegründet, wo der Schutz der Astronomie vor Satellitenkonstellation adressiert wird. Und da sind alle möglichen Stakeholder eingeladen und beteiligen sich. Dazu gehören die Verwaltung, Astronomen, aber eben auch die Satellitenbetreiber. Und wir haben natürlich auch mit den Kollegen von SpaceX schon über das Problem gesprochen. Und da wurde uns signalisiert, dass man das Problem sehr ernst nimmt und sich der Sache annehmen würde.