Wer an Covid-19 erkrankt, also an einer Infektion mit dem Coronavirus, der merkt im Normalfall nicht viel davon. Schätzungsweise 90 Prozent der Erkrankungen verlaufen vergleichsweise harmlos. Bei den Corona-Patienten, die in eine Klinik müssen, kann es aber schnell kritisch werden. Das Virus kann die Lunge und andere Organe schwer schädigen und kann daher lebensbedrohlich sein.
Warum das Virus bei manchen so dramatische Folgen hat, beschäftigt seit Anfang März auch Wissenschaftler in Deutschland – unter anderem an der Uniklinik Tübingen. Langsam gibt es erste Anhaltspunkte, was bei einer schweren Corona-Infektion im Körper passiert.
Coronavirus verstopft winzige Adern und zerstört die Schleimhäute
Der Pathologe Hans Bösmüller untersucht mit dem Mikroskop eine Probe, die aus der Lunge eines verstorbenen Corona-Patienten stammt. Zu sehen: rosa eingefärbtes Gewebe – mit dunkelvioletten Pünktchen darin.
Die Probe zeigt zwei wesentliche Probleme, die die Coronavirus-Krankheit Covid-19 in der Lunge verursacht: Sie verstopft winzige Adern und zerstört die Schleimhäute.
Lunge verklebt und vernarbt
Die Folge: zunächst Wassereinlagerungen. Später tritt aus den zerstörten Adern das Eiweiß Fibrin aus und verkleistert die Lunge. Die Lunge vernarbt und es entsteht Atemnot.
Schwere Covid-19-Infektionen verlaufen in Schüben
Elf verstorbene Corona-Patienten hat Hans Bösmüller seit Ende März obduziert. In enger Zusammenarbeit mit seinen Kollegen auf der Intensivstation hat er dabei zwei wichtige Entdeckungen gemacht: Zum einen sah man in der gleichen Lunge alte und frische Vernarbungen.
Die Schlussfolgerung: Eine schwere Covid-19-Infektion verläuft in Schüben, die über Tage oder Wochen immer wieder die Lunge und auch andere Organe schädigen. Etwa die Leber.
Covid-19 beeinflusst Gerinnungsfaktor des Blutes
Dass jedem Corona-Schub ein Anstieg eines bestimmten Gerinnungsfaktors voraus geht, ist vielleicht die wichtigste Erkenntnis, die man an der Tübinger Uniklinik bislang gewonnen hat. Es geht um die D-Dimere.
Virus verursacht Blutgerinnsel
Das Schema: Gerinnungsfaktor steigt, es bilden sich kleine Blutgerinnsel, medizinisch Thromben und dann sterben die Patienten - hat die leitende Oberärztin der Tübinger Intensivstation, Helene Häberle zu Beginn der Epidemie oft auf der Corona-Station gesehen. Es sei gerade bei jungen Patienten eine häufige Todesursache gewesen, dass solche Blutgerinnsel in der Leber den Abfluss stören und bisher bekannte Blutverdünnungsmedikamente nicht greifen würden.
Coronavirus ist schneller als andere Viren
Man musste zu anderen Medikamenten greifen.
Außerdem zeigte laut Helene Häberle: Das neuartige Coronavirus ist schneller als jedes andere Virus, das man bislang kannte. Wenn der Gerinnungswert im Blut steigt, ist es quasi schon zu spät, gegen die Verstopfungen anzukämpfen. Die Patienten sterben. Deshalb bekommen Covid-Patienten jetzt immer sofort die maximale Therapie, wenn sie beginnende Atemprobleme haben.
Verstopfungen in der Lunge und der Leber
An der Tübinger Uniklinik haben die Ärzte im Zusammenhang mit Corona bislang vor allem Verstopfungen in der Lunge und in der Leber festgestellt. Die Herzkranzgefäße dagegen waren kaum betroffen – bei Patienten in China war das der Fall gewesen.
Aber auch Nierenschäden durch Covid-19 oder verstopfte Äderchen im Gehirn wurden bereits beschrieben.
Überreaktion des Immunsystems
Grund für diese Vorgänge ist offenbar, dass das Immunsystem bei manchen Patienten überreagiert und so die schweren Verläufe verursacht, erklärt Pathologe Hans Bösmüller.
Gene und Blutgruppe könnten Krankheitsverlauf beeinflussen
Denkbar sei, dass die genetische Veranlagung eines Menschen eine Rolle spiele. Außerdem gebe es auch Hinweise darauf, dass möglicherweise die Blutgruppe des Patienten einen Einfluss hat.
Wie schlimm die Folgeschäden sind, mit denen Patienten nach einem schweren Covid19-Verlauf aus der Klink gehen, wird sich erst in den nächsten Monaten zeigen. Klar ist aber: Die Lunge bleibt geschädigt. Eventuell auch weitere Organe – sei es durch das Coronavirus oder durch Beatmung und Medikamente.