Medizin

Mann lässt sich 200 Mal gegen Corona impfen - Auswirkungen aufs Immunsystem?

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Autor/in
Ulrike Till
Portraitbild von Ulrike Till, Reporterin und Redakteurin SWR Wissen aktuell.
Onlinefassung
Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei Redakteur bei SWR Kultur DAS Wissen.

Forschende der Universität Erlangen-Nürnberg haben einen Mann untersucht, der sich mehr als 200 Mal gegen Corona impfen ließ. Wie wirkt so eine Hypervakzinierung aufs Immunsystem?

Das Erlanger Forscherteam ist zufällig über Zeitungsberichte auf den Mann aus Magdeburg aufmerksam geworden - und hat ihn für diverse Tests zu sich eingeladen. Der impffreudige Mann war dazu auch gerne bereit.

Mann ließ sich bis zu dreimal täglich gegen Corona impfen

Schon vorher war die Staatsanwaltschaft auf ihn aufmerksam geworden, weil er sich die meisten Impfungen unter falschem Namen und mit gefälschten Impfpässen geben haben lassen soll. Es gab wohl erstmal den Verdacht, dass er mit gefälschten Impfpässen gehandelt hat, es wurde aber keine Anklage erhoben.

Der 62-jährige sagte, er habe sich "aus persönlichen Gründen" so oft impfen lassen - manchmal bis zu dreimal täglich. Man kann nur spekulieren, was ihn antreibt, aber eigentlich kann nur eine psychische Störung dahinter stecken.

Ein 62-jähriger Mann ließ sich 217 Mal gegen Corona impfen. Jetzt wurde er wissenschaftlich an der Universität Erlangen-Nürnberg untersucht.
Ein 62-jähriger Mann ließ sich 217 Mal gegen Corona impfen. Jetzt wurde er wissenschaftlich untersucht.

Wichtige Erkenntnisse für die Wissenschaft: Schadet häufiges Impfen dem Immunsystem?

Es ist eine wichtige Frage, wie sehr häufiges Impfen sich aufs Immunsystem auswirkt. Wird die Abwehr dadurch vielleicht sogar schlechter? Das ist eine naheliegende Vermutung.

Dafür kann man sich die Forschung zu chronischen Infektionen anschauen: Genau wie beim ständigen Impfen kommt der Körper auch bei Patient*innen mit HIV oder Hepatitis B ständig mit einem bestimmten Erreger in Kontakt.

Mit dem kleinen Unterschied, dass in Impfstoffen nur unschädliche Teile von Erregern oder lediglich der Bauplan dafür steckt. Bei chronischen Infektionen gibt es Hinweise darauf, dass bestimmte Abwehrzellen durch den Dauerbeschuss mit einem bestimmten Virus mit der Zeit ermüden. Das schwächt das Immunsystem.

Intaktes Immunsystem trotz 217 Corona-Impfungen

Spannenderweise hat das Forscherteam bei dem Magdeburger Viel-Impfer ein komplett normales Immunsystem festgestellt: Selbst die 217. Impfung hat die Antikörper gegen Corona nochmal stark gepusht - und auch die Abwehr gegen andere Erreger war komplett intakt.

Viel-Impfer bleibt wissenschaftlich betrachtet ein extremer Einzelfall

Das Ergebnis ist zwar sehr spannend, aber weitreichende Schlüsse lassen sich trotzdem nicht daraus ziehen - davor warnen auch die Erlanger Studienautor*nnen.

Denn es geht ja nur um einen extremen Einzelfall, der lässt sich nicht verallgemeinern. Interessant ist aber, dass der Mann alle acht Impfstoffe, die er sich vielfach geben ließ, offenbar gut vertragen hat - obwohl er sie so extrem überdosiert hat.

Insgesamt acht unterschiedliche Impfstoffe gegen Corona ließ sich der mittlerweile 62-jährige Mann spritzen. Er hat das wohl gut vertragen, wie Untersuchungen an der Universität Erlangen-Nürnberg zeigen. Aber Experten warnen auch vor einer Hypervakzinierung. (Symbolbild)
Insgesamt acht unterschiedliche Impfstoffe gegen Corona ließ sich der mittlerweile 62-jährige Mann spritzen. Er hat das wohl gut vertragen. Aber Experten warnen auch vor einer Hypervakzinierung.

Impfungen haben auch Nebenwirkungen

Der Immunologe Carsten Watzl hat in der Süddeutschen Zeitung davor gewarnt, sich unnötig oft impfen zu lassen - schließlich seien immer auch Nebenwirkungen möglich. Die Empfehlung der Ständigen Impfkommission gilt also nach wie vor: Drei Impfungen bzw. Kontakte mit dem Coronavirus bieten einen ausreichenden Grundschutz. Jährliche Auffrischungen werden nur Menschen empfohlen, die über 60 Jahre alt sind und bestimmten Risikogruppen.

Viel-Impfer ist ein Glücksfall für die Forschung

So ein Extremfall ist wertvoll für die Forschung. Denn als geplante Studie würde das keine Ethikkommission genehmigen. Insofern ist das ein seltener Glücksfall für Immunolog*innen.

Andererseits bekommt man eben auch nur Ergebnisse heraus, die nicht unbedingt allgemeingültig sind. Um verlässliche Regeln zu Impfabständen zu finden, sind aufwendige Testreihen nötig. So war es ja auch bei der Corona-Impfung: Man schaute erst einmal, wie stark die Antikörper nach der Impfung hochgingen und ab wann sie deutlich absanken.

Als die Impfung schon etabliert war, hat man dann geschaut, wie oft sich auch Geimpfte noch infizieren, und wie schwer die Krankheit dann verläuft. Dabei hat sich gezeigt, dass die jährliche Auffrischung nur für Senior*innen und Risikogruppen nötig ist.

Entscheidend waren dafür vor allem Daten von Patientinnen und Patienten aus Israel. Das Gesundheitssystem dort ist zentral organisiert, hocheffizient, alles wurde hervorragend dokumentiert - in Deutschland wurden viele wichtige Informationen gar nicht erst erhoben.

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