Das Bild zeigt einen älteren Herrn im Krankenhaus mit Krankenhausessen. Symbolbild.

Unterschätztes Problem

Mangelernährung an deutschen Kliniken

Stand
Autor/in
Kristina Koch
Lena Schmidt

Bis zu 30 Prozent der Patienten, die an deutschen Krankenhäusern behandelt werden, sind von einer krankheitsbedingten Mangelernährung betroffen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin schlägt im Rahmen der "Aktionswoche zur Aufklärung über Mangelernährung" Ansätze zur Verbesserung der Versorgungssituation vor.

Aktionswoche zur Aufklärung über Mangelernährung im November 2023

Beim Begriff "Mangelernährung" denken wir eher an Krisengebiete oder Katastrophen. Dabei ist das Problem direkt vor der Haustüre: In deutschen Klinken ist eine krankheitsbedingte Mangelernährung weit verbreitet, 20 bis 30 Prozent aller Patientinnen und Patienten sind betroffen.

Auch in anderen europäischen Ländern ist das kein seltenes Phänomen. Deshalb findet in Europa seit 2020 jährlich die "Malnutrition Awareness Week" statt, übersetzt "die Aktionswoche zur Aufklärung über Mangelernährung". In diesem Rahmen macht derzeit auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin e. V. (DGEM) mit verschiedenen Kooperationspartnern auf das Ausmaß der krankheitsbedingten Mangelernährung aufmerksam.

Welche Folgen hat Mangelernährung?

Wie schwerwiegend die Folgen für die Patientinnen und Patienten sein können, weiß Professor Matthias Pirlich, Facharzt für Ernährungsmedizin und Präsident der DGEM: Sie haben im Krankenhaus eine dreimal höhere Komplikationsrate. Wundheilungsstörungen, Infektionen und Stürze sind einige Beispiele, welche Komplikationen in Folge einer Mangelernährung auftreten können. "Wobei sie vor allem die Prognose schwerkranker Menschen erheblich verschlechtert", so Pirlich.

Von der geminderten Gesundheit und Lebensqualität abgesehen, schlage sich das auch in den Krankenhauskosten nieder:

Patient*innen mit Mangelernährung liegen deutlich länger im Krankenhaus. Bei schweren Verläufen liegen sie mehr Tage auf der Intensivstation.

Ein Mann liegt schwer krank in einem Krankenhausbett, seine Frau hält ihm die Hand. Symbolbild.
Durch eine Mangelernährung verschlechtert sich die Prognose schwerkranker Menschen.

DGEM fordert mehr Aufmerksamkeit für Mangelernährung

Derzeit stehen in Krankenhäusern etwa 5 Euro am Tag pro Patient zur Verfügung - Ein gesundheitsförderndes, vor allem schmackhaftes Essen sei damit kaum herzustellen, sagt Prof. Pirlich.

Er erläutert, dass zwar in Maßnahmen gegen Mangelernährung investiert werden müsse, Kliniken unterm Strich jedoch sparen würden. Denn weniger Mangelernährung bedeute: "weniger Komplikationen, kürzere Zeit auf der Intensivstation, kürzerer Krankenhausaufenthalt, leichtere Genesung". Damit gingen auch weniger Pflegebedürftigkeit nach einer Erkrankung sowie seltenere Wiederaufnahmen ins Krankenhaus einher, sagt der Ernährungsmediziner.

Die DGEM fordert, dass in Krankenhäusern ein standardisiertes Risikoscreening eingeführt wird, um Mangelernährung frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. Außerdem solle mehr Personal mit Ernährungsfachwissen eingestellt werden - davon gebe es in medizinischen Fachberufen derzeit viel zu wenig. Wichtige Warnzeichen, auf die Pirlich aufmerksam macht, sind:

  • unbeabsichtigter Gewichtsverlust
  • verminderte Nahrungsaufnahme
  • niedriges Körpergewicht
  • Abbau der Muskulatur
 Patientin in einem Einzelzimmer, im Krankenbett. Krankenschwester bringt eine Mahlzeit auf einem Tablett. Symbolbild.
Die Versorgung mit nährstoffreichen Mahlzeiten und medizinischer Ernährungstherapie in Krankenhäusern soll besser werden. Dazu fordert die DGEM auch besseres Ernährungswissen von Fachpersonal.

Vor allem ältere Menschen von krankheitsbedingter Mangelernährung betroffen

Ein weiterer Vorschlag der DGEM ist, die Nahrung individuell an die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten anzupassen, zum Beispiel im Form kleinerer Portionen mit höherer Nährstoffdichte. Denn:

Selbst das beste Essen wird keine Wirkung entfalten, wenn es nicht aufgenommen wird.

Das betrifft insbesondere Ältere, denn sie sind neben Menschen mit chronischer und schwerer Erkrankung vor allem von Mangelernährung betroffen. Häufig haben sie Kau- und Schluckbeschwerden oder durch Krankheiten wie Demenz und Parkinson Schwierigkeiten beim Essen.

Was sind die Ursachen von Mangelernährung?

Eine krankheitsbedingte Mangelernährung kann jedoch noch einige andere Ursachen haben:

Das Bild zeigt eine Frau im Krankenhaus. (Symbolbild).
Akute oder chronische Krankheiten wie ein Schlaganfall können dem Körper viel Energie rauben, was zum Abbau von Körpermasse führt. Dadurch können Betroffene schnell unbemerkt in eine Mangelernährung rutschen. Bild in Detailansicht öffnen
Das Bild zeigt eine Person verschwommen im Hintergrund, die auf einen Essensteller starrt. Symbolbild.
Auch eine Appetitlosigkeit, die neben schweren Krankheiten durch seelische Belastungen ausgelöst werden kann, kann zu einer Mangelernährung führen. Bild in Detailansicht öffnen
Das Bild zeigt einen Pfleger, der Tabletten in Döschen verteilt. Symbolfoto.
Medikamenten-Nebenwirkungen können dafür sorgen, dass man weniger Appetit hat oder sich erbrechen muss. Bild in Detailansicht öffnen
Das Bild zeigt eine an Krebs erkrankte Frau im Rollstuhl.
Geruchs- und Geschmacksverlust kann z. B. infolge einer Chemo- und Strahlentherapie auftreten. Viele verlieren dadurch dann auch das Interesse am Essen. Bild in Detailansicht öffnen
Das Bild zeigt eine alte Person, die im Altenheim gefüttert wird. Symbolbild.
Starke Kaubeschweden erschweren Betroffenen das Essen. Oft wird die Nahrungsaufnahme dadurch vermieden. Bild in Detailansicht öffnen
Auf dem Bild sieht man eine alte Frau, die sich den Bauch hält, weil sie Schmerzen hat. Symboldbild.
Auch Störungen im Magen-Darm-Trakt können zu einer Unterversorgung mit Nährstoffen führen, da sie nicht mehr richtig aufgenommen werden. Bild in Detailansicht öffnen

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